II. Grobkategorisierung der Nachtragsansprüche eines Projektmanagers
Die zentralen Anspruchsgrundlagen des Schuldrechts für einen Projektmanagernachtrag sind Ansprüche wegen zusätzlicher oder geänderter Leistungen, Ansprüche wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten des Auftraggebers und Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage, letztere vornehmlich wegen verlängerter Projektlaufzeiten. In der Praxis weniger relevant sind Ansprüche anlässlich eigener Terminverpflichtungen der Projektmanager, etwa in Bezug auf Vertragstermine und deren Fortschreibung, Beschleunigungsmaßnahmen oder Vertragsstrafen.
Die mangelnde Praxisrelevanz resultiert u.a. aus dem Umstand, dass seltener konkrete zeitliche Anforderungen an punktuelle Tätigkeiten (wie z.B. bezüglich der Erstellung eines Projekthandbuches usw.) vorgegeben werden und die Leistungen im Übrigen vornehmlich in Abhängigkeit von den Leistungen der Planungs- und Baubeteiligten zu erbringen sind.
III. Der Vergütungsnachtrag des Projektmanagers
1. Maßgeblichkeit des Steuerungssolls
Auch im Projektmanagementwesen bedarf ein in der frühen Projektphase geschlossener Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Projektmanager oft der Nachsteuerung, weil sich die Verhältnisse später tatsächlich anders darstellen als angenommen. Ein Anspruch auf vertragliche Anpassung der Vergütung besteht bei Werkverträgen indessen nur in Fällen einer (auftraggeberseitigen) Änderung der vertraglichen Leistungspflichten. Erforderlich ist stets eine Änderung des sog. Steuerungssolls, welches mit dem Planungs- und Bausoll nicht identisch ist.5
Die erste wichtige Erkenntnis lautet, dass eine Soll-Ist-Abweichung, die Grundlage jedweden Anspruchs auf Mehrvergütung eines Projektmanagers ist, nicht allein aus einer Abweichung des Planungssolls oder Bausolls abgeleitet werden kann. In der Regel sind die Leistungen des Projektmanagers methodenneutral und abstrakt formuliert, so dass sie nicht auf bestimmte Planungs- oder Ausführungsergebnisse gerichtet sind. Auch führen Änderungen bei Bausollvorgaben gegenüber ausführenden Unternehmen nicht automatisch zu einer Änderung des Steuerungssolls. Regelmäßig besteht eine gewisse Steuerungsbandbreite. Auch die in der Praxis bekannten Leistungsbilder für Projektmanagementleistungen (wie etwa dasjenige des AHO Heft Nr. 9) weisen keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Steuerungssoll einerseits und Planungs- und Bausoll andererseits auf.
Dem Projektmanager werden als Unterstützer des Auftraggebers unterschiedlichste Auftraggeberfunktionen übertragen. Seine Aufgabenstellung besteht vornehmlich darin, den Bauherrn durch die Unwägbarkeiten der Projektrealisierung mit all ihren Abweichungen und Herausforderungen sicher zur zielgerichteten Fertigstellung des Projektes zu führen. Deshalb sind Ablaufstörungen in Bauprojekten, die auf nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Leistungen durch Planer oder Bauunternehmer beruhen oder etwa Insolvenzen und Kündigungen zum Gegenstand haben, nicht ohne Weiteres ein Grund für eine Änderung des Steuerungssolls.
Im Zusammenhang mit der Klärung von Vergütungsnachträgen wegen zusätzlicher oder geänderter Leistungen ist es unerlässlich, anhand des Vertrages das Steuerungssoll genau zu analysieren. Im Rahmen der Auslegung des Vertrages ist zu klären, ob und ggf. in welchem Umfang das Steuerungssoll detailliertere Vorgaben in Bezug auf die Planungs- und Bauprozesse macht. Insbesondere ist zu untersuchen,
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ob die Vertragsleistungen des Projektmanagementvertrages auf ganz bestimmte Projektrahmenbedingungen und Prozesse ausgerichtet sind,
- ob etwa die Leistungen ausnahmsweise auf eine ganz bestimmte Planung oder ein bestimmtes Bausoll gerichtet sind,
- ob der Projektmanager von einem bestimmten Bearbeitungsstand des Projektes und von bestimmten Einsatzformen der Planer und Baubeteiligten ausgehen kann,
- ob er von bestimmten Vergabeformen und Vertragsformen auszugehen hat.
Soweit das Steuerungssoll in einem solchen Sinne durch den Vertrag detaillierter definiert ist, können Abweichungen hiervon grundsätzlich zu Mehrvergütungsansprüchen des Projektmanagers führen.
Bei den hier betrachteten Pauschalverträgen des Projektmanagements führen dagegen alleine Aufwandsänderungen (ohne Änderung des Steuerungssolls) nicht zu Ansprüchen auf Vergütungsanpassung.6 Wie viel Personentage und -monate ein Projektmanagementunternehmen kalkuliert hat, spielt bei Pauschalverträgen grundsätzlich keine entscheidende Rolle.
Pauschalverträge auch des Projektmanagementwesens sind dadurch geprägt, dass die Vergütungsabrede unabhängig vom Aufwand und insbesondere von dem Personalressourceneinsatz des Projektmanagementunternehmens ist. Nicht die Abweichung von kalkuliertem Personaleinsatz, sondern ausschließlich Abweichungen vom vertraglich vereinbarten Steuerungssoll können dementsprechend Mehrvergütungsansprüche eines Projektmanagers begründen, es sei denn, die Grenze zur Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, wird überschritten.
2. Die Befugnis des Auftraggebers, das Steuerungssoll zu ändern
Bei Planungs- und ganz besonders Bauverträgen spielt die Frage, ob ein Auftraggeber geänderte oder zusätzliche Leistungen einseitig anordnen darf, eine wesentliche Rolle. Bei Projektmanagementverträgen ist diese Frage weniger von Bedeutung. Der Projektmanager, der versprochen hat, den Auftraggeber bei der Realisierung seines Projektes zu unterstützen, wird sich erfahrungsgemäß selten dagegen wehren, Anordnungen des Auftraggebers in Bezug auf zusätzliche und geänderte Leistungen Folge zu leisten.
Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn dem Projektmanager berufsfremde Leistungen übertragen werden sollen. Solche Leistungen wird der Auftraggeber allerdings in der Regel einem Projektmanager auch nicht übertragen wollen. Die Praxis ist daher eher von der Erforderlichkeit geprägt, dass Auftraggeber und Auftragnehmer eine Einigung über eine Vergütungsanpassung herbeiführen müssen.
In Einzelfällen kann aber auch eine einseitige Anordnungsbefugnis des Auftraggebers relevant werden. Für die hier betrachteten Werkverträge hatte der BGH entsprechende Anordnungsrechte aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, §§ 157, 242 BGB abgeleitet.7 Das OLG Düsseldorf hatte ein einseitiges Anordnungsrecht des Auftraggebers bei einem Projektsteuerungsvertrag zumindest für den Fall bejaht, dass der Auftragnehmer keine vernünftigen Gründe hat, die Ausführung der geänderten Leistung zu verweigern.8 Diese Rechtslage hat sich durch das am 01.01.2018 eingeführte Bauvertragsrecht des BGB geändert. Projektmanagementverträge Bau sind danach zumeist als Architekten- und Ingenieurverträge i.S.d. § 650p BGB zu charakterisieren.9
Aufgrund der Verweisung in § 650q BGB gelten für die allermeisten Projektmanagementverträge auf werkvertraglicher Basis die Regelungen in § 650b BGB zum Anordnungsrecht des Auftraggebers und des § 650c BGB zur Vergütungsanpassung bei Anordnungen. Dementsprechend kann der Auftraggeber Änderungen des vereinbarten Werkerfolges oder Änderungen, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig sind, nunmehr nach § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB begehren. Der Projektmanager ist dann nach § 650b Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen.
Bei einer Änderung des vereinbarten Werkerfolges allerdings nur, wenn die Ausführung der Änderung ihm zumutbar ist. Die Beweislast für die Zumutbarkeit einer Anordnung trägt insoweit der Auftraggeber.10 Führt der Projektmanager hingegen betriebsinterne Vorgänge für eine Unzumutbarkeit an, so wird die Beweislast umgekehrt.11 Dabei wird davon auszugehen sein, dass in Fällen, in denen klassische Projektmanagementleistungen geändert oder zusätzlich erbracht werden müssen, die Zumutbarkeit in der Regel gegeben ist.
Unter eine Änderung des vereinbarten Werkerfolges fallen allenfalls grundlegende Änderungen vorgegebener Projektziele. Bloße Änderungen bei der Erbringung einzelner Leistungen können unter § 650b Abs. 1 Satz 2 BGB zu subsumieren sein und daher eine Befolgungspflicht auslösen, bei der die Unzumutbarkeit kein tauglicher Einwand ist.
Erzielen die Vertragsparteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Projektmanager keine Einigung, kann der Auftraggeber die Änderung in Textform anordnen, § 650b Abs. 2 Satz 1 BGB. Im Falle der Änderung des Werkerfolges gilt dies nur bei Zumutbarkeit für den Auftragnehmer, § 650b Abs. 2 Satz 2 BGB.
Soweit die Vertragsparteien das AHO-Leistungsbild für die Projektsteuerung in Bezug genommen haben, regelt § 6 Abs. 3 Satz 3 in vergleichbarer Form:
„Der Auftraggeber kann jedoch geänderte oder zusätzliche Projektsteuerungsleistungen anordnen, soweit dies für die Projektrealisierung zweckmäßig oder hinsichtlich der Projektdauer zumutbar ist.“12
Eine vorgeschaltete Phase für Verhandlungen wird nach dem AHO-Modell nicht für notwendig erachtet. Die Vertragsparteien werden regelmäßig entsprechende Verhandlungen führen. Von der Zumutbarkeit i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 3 AHO wird in der Regel auszugehen sein.