Autor:in Claus Rückert
Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages
Ein aktuelles BGH-Urteil befasst sich mit der Darlegungs- und Beweislast im Prozess des Auftraggebers gegen den Bürgen. Die Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages ohne Detailpreisleistungsverzeichnis stellt die Beteiligten immer wieder vor erhebliche Schwierigkeiten. Dies gilt erst recht, wenn an dem Prozess der Auftragnehmer, der den Pauschalpreis kalkuliert hat, gar nicht beteiligt ist, sondern an seiner Stelle z.B. der Bürge einer Vorauszahlungsbürgschaft. Der BGH hatte sich in einem aktuellen Fall (Urteil vom 11.07.2024 – VII ZR 127/23) einmal mehr mit der Frage zu befassen, wie in dieser Situation die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist.
Blick auf den Fall
Ein Auftraggeber (AG) beauftragt einen Bauunternehmer (AN) mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Lebensmittelmarktes. AG und AN schließen hierzu im Februar 2017 einen Generalunternehmervertrag mit einer Pauschalpreisvereinbarung.
Die Vertragspartner vereinbaren, dass der AG eine Vorauszahlung in Höhe von 400.000,00 € zahlen soll. Der Betrag soll am Ende der Bauzeit verrechnet werden. Zur Sicherung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs soll der AN vereinbarungsgemäß eine selbstschuldnerische Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 400.000,00 € übergeben. Eine entsprechende Bürgschaft stellt die Bürgin (B) am 09.03.2017. Der AG leistet daraufhin die vereinbarte Vorauszahlung. Nach Baubeginn zahlt er darüber hinaus weitere 800.275,00 € auf Abschlagsrechnungen des AN.
Im November 2017 wird über das Vermögen des AN das Insolvenzverfahren eröffnet. Der AG kündigt den Vertrag und beauftragt ein Drittunternehmen mit der weiteren Bauausführung.
In der Folge nimmt der AG die B auf Zahlung der 400.000,00 € aus der Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch. B zahlt den Betrag an den AG. Dann verklagt sie ihn auf Rückzahlung. Hierbei führt sie erfolgreich einen Prozess über einen Teilbetrag in Höhe von 89.121,67 €.
In einem weiteren Verfahren macht B gegen den AG den Restbetrag in Höhe von 310.878,33 € geltend. B behauptet, dass die geleisteten Zahlungen insgesamt dem Wert der erbrachten Bauleistungen entsprochen hätten.
Demgegenüber beruft sich der AG darauf, dass die Leistungen des AN insgesamt nur einen Wert in Höhe von 681.396,67 € gehabt hätten. Hierzu bezieht er sich auf ein Gutachten seines Privatsachverständigen, das er in dem Prozess vorlegt. In dem Gutachten werden die erbrachten Leistungen nach den Marktpreisen bewertet. Der AG beruft sich darauf, dass ihm eine andere Preisermittlung nicht möglich sei, da dem Generalunternehmervertrag keine Detaileinzelpreise zugrunde gelegen hätten.
In erster Instanz wird der AG zur Rückzahlung der weiteren 310.878,33 € verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung weist das Oberlandesgericht mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dies begründet es damit, dass der AG die Fälligkeit und das Bestehen der durch die Bürgschaft gesicherten Hauptforderung darlegen und beweisen müsse. Es sei dem AG nicht gelungen, einen Rückzahlungsanspruch darzulegen:
Nach der Kündigung eines Pauschalpreisvertrages müssten die erbrachten Leistungen festgestellt und von den nicht erbrachten Leistungen abgegrenzt werden. Für die erbachten Leistungen sei ein anteiliger Werklohn anzusetzen. Dabei sei die Höhe der Vergütung nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen.
Es müsse das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Pauschalansatzes für die Teillieferung zum Pauschalpreis dargelegt werden. Der vereinbarte Pauschalpreis für die Gesamtleistung sei damit der Maßstab für die Bewertung der bewirkten Teilleistung.
Diesen Anforderungen genüge der Vortrag des AG schon deshalb nicht, weil die erbrachten Teilleistungen nicht nach dem Pauschalansatz für die Teillieferung, sondern nach dem Marktpreisniveau bewertet würden. Soweit zur preislichen Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig seien, müsse im Nachhinein im Einzelnen dargelegt werden, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten seien, beispielsweise durch eine nachträgliche Kalkulation. Dem sei der AG nicht nachgekommen.
Urteil des BGH
Der BGH hebt den Beschluss des Oberlandesgerichts auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück (BGH-Urteil vom 11.07.2024 – VII ZR 127/23).
Das Oberlandesgericht hat die Darlegungslast des AG verkannt.
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Auftraggeber in einem Prozess zur Begründung des vertraglichen Rückforderungsanspruchs schlüssig die Voraussetzungen eines Saldoüberschusses aus einer Schlussabrechnung vorzutragen. Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Auftraggeber Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen ein entsprechender endgültiger Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nicht gegenübersteht.
Der Auftraggeber kann sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht. Hat der Auftraggeber nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten.
Im Rahmen des Bürgschaftsrechtsstreits folgt aus der Akzessorietät der Bürgschaft, dass zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger grundsätzlich dieselbe Darlegungs- und Beweislastverteilung gilt wie zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner. Es gelten die gleichen Maßstäbe wie für den Rückforderungsprozess des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer.
Der AG hat keine Kenntnis davon, wie der AN seinen Pauschalpreis kalkuliert hat. Erkundigungen hierzu, etwa beim Insolvenzverwalter, musste der AG nicht einholen. Daher durfte der AG sich auf das Gutachten seines Privatsachverständigen beziehen.
Damit hat er alles ihm Zumutbare vorgetragen. Es wäre nach den o.g. Grundsätzen jetzt Sache der B, zu den aus der Kalkulation des AN und den sich daraus ergebenden Einzelpreisen vorzutragen. Das Risiko, dass ihr dies aufgrund fehlender Informationen nicht möglich ist, darf sie nicht auf den AG abwälzen.
Fazit
Der Anspruch des Auftraggebers auf Rückzahlung geleisteter Abschlagszahlungen ergibt sich aus dem Vertrag: Der Auftragnehmer hat nach Beendigung der Erfüllungsphase – sei es aufgrund der Fertigstellung seiner Leistungen, sei es aufgrund einer Kündigung des Vertrages – seine Leistungen prüfbar abzurechnen und eine sich hieraus ggf. ergebende Überzahlung an den Auftraggeber zurückzuzahlen.
Zu dieser prüfbaren Abrechnung gehört bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag auch die ausreichend detaillierte Aufschlüsselung der Kalkulation für den Pauschalpreis. Erst auf dieser Grundlage kann der auf die erbrachten Leistungen entfallende Teil des Pauschalpreises ermittelt werden.
Kommt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zu einer prüfbaren Abrechnung nicht nach, braucht der Auftraggeber nur das darzulegen, was bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht. Er ist zum Beispiel nicht gehalten, im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers selbst Erkundigungen beim Insolvenzverwalter einzuholen.
Es ist dann Sache des Auftragnehmers, schlüssig darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass ihm in Höhe der erhaltenen Abschlagszahlungen ein entsprechender Vergütungsanspruch zusteht.
Diese Grundsätze gelten aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft auch im Rückforderungsprozess des Auftraggebers gegen den Bürgen.
RA Claus Rückert
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Ulbrich § Kollegen in Würzburg
Mitautor „Handbuch Fachanwalts Bau- und Architektenrecht“ (Werner Verlag)
Mitautor „Kommentar zum neuen Bauvertragsrecht“ (Werner Verlag)
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