Honorare beigeordnete Anwaelte
Recht & Verwaltung20 Juli, 2022

Honorare für beigeordnete Anwälte

Von Dr. Friedrich Albrecht, VorsRi. BPatG a. D., München

I. Allgemeines zur Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

Die §§ 114 ff. ZPO regeln die Prozesskostenhilfe vor den Zivilgerichten. Für Verfahrenskostenhilfe vor dem BPatG verweisen § 130 Abs. 1 PatG, § 21 Abs. 2 GebrMG, § 81a Abs. 1 MarkenG, § 24 DesignG, § 11 Abs. 2 HalblSchG sowie § 36 SortSchG darauf. 

Auch in Popularverfahren ist eine strenge Prüfung des Interesses der jeweiligen Antragsteller vorzunehmen. Der Bestand von Schutzrechten soll nicht auf Kosten der Staatskasse geklärt werden, solange die Entscheidung nicht größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens anspricht oder soziale Auswirkungen nach sich zieht (BGH Mitt. 2005, 165). 

§ 121 ZPO regelt die Beiordnung von Anwälten, wenn Zivilgerichte Prozesskostenhilfe gewährt haben. Für Verfahren vor dem BPatG verweisen § 136 PatG, § 21 Abs. 2 GebrMG, § 81a MarkenG, § 24 DesignG, § 11 Abs. 2 HalblSchG sowie § 36 SortSchG darauf. 

II. Notwendigkeit der Doppelvertretung ist zu prüfen

1. Gesetzliche Vorgabe der Notwendigkeit bei den Zivilgerichten

In den Streitsachen vor den Zivilgerichten erklären bislang Spezialvorschriften für den gewerblichen Rechtsschutz, § 143 Abs. 3 PatG, § 27 Abs. 3 GebrMG, § 140 Abs. 4 MarkenG, § 52 Abs. 4, § 63 Abs. 4 DesignG, § 38 Abs. 3 SortSchG, § 11 Abs. 2 HalblSchG iVm § 27 GebrMG, die Kosten, die durch das Mitwirken eines Patentanwalts entstehen. Die Notwendigkeit der sog. Doppelvertretung ist hierbei nicht zu prüfen. Wie lange dies auch ohne Bezug zum Binnenmarkt noch gelten kann, ist fraglich, nachdem der EuGH (EuGH C-531/20, MarkenR 2022, 270 – Nova-Text m.Anm. Gruber MarkenR 2022, 254) einer nationale Vorschrift für nicht mit dem europäischen Recht vereinbar hielt, die eine Pflicht der unterlegenen Partei zur Erstattung der gegnerischen Kosten unabhängig davon vorsieht, ob das Mitwirken des Patentanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Die Zweifel für Verfahren ohne Bezug zum Binnenmarkt beruhen auf den anhängigen Verfahren vor dem BGH (I ZB 12/20) und dem BVerfG (I BvR 1183/16). 

Damit wird auch die in jedem Fall durchzuführende Prüfung, ob im Falle von Verfahrenskostenhilfe eine Beiordnung zweier Anwälte geboten ist, sicher noch seltener positiv ausfallen. 

2. Vor dem BPatG allenfalls bei parallelem Verletzungsverfahren

Das BPatG musste die Notwendigkeit einer Doppelvertretung durch Rechts- und Patentanwalt immer schon prüfen und hat diese allenfalls in Patentnichtigkeitsverfahren bejaht. Daran wird sich auch künftig wohl nichts ändern (Albrecht/Hoffmann MarkenR 2018, 515 V.2).

Ein Grund, die Notwendigkeit einer Doppelvertretung zu bejahen, ist meist ein parallel anhängiges Verletzungsverfahren bei einem Zivilgericht, weil die Abstimmung eines konsistenten Vorgehens in beiden Verfahren eine Doppelvertretung erfordern soll (BGHZ 103, 262 – Düngerstreuer).


III. Honoraransprüche beigeordneter Anwälte

1. Rechtsanwälte in zivilgerichtlichen Verfahren

Ihr Anspruch auf Zahlung der Vergütung aus der Bundeskasse richtet sich nach §§ 48, 49 RVG. Da die Verfahrenskostenhilfe aus Steuermitteln finanziert wird, sind die dafür gesetzlich vorgesehenen Gebühren geringer als die allgemeinen Honorarsätze nach § 13 Abs. 1 S. 3 RVG.


2. Patentanwälte in zivilgerichtlichen Verfahren

Für in den zivilgerichtlichen Verletzungsverfahren mitwirkende, beigeordnete Patentanwälte gab bislang das Gesetz zur Beiordnung von Patentanwälten bei Prozesskostenhilfe (PatAnwBeioG) die Honoraransprüche vor. Dieses Gesetz wird zum 1.8.2022 ersatzlos aufgehoben. Über den neu eingeführten § 4a PAO kommt stattdessen § 49 RVG zur Anwendung.

Ab 1.8.2022 gibt § 4a PAO beigeordneten Patentanwälten, die neben einem Rechtsanwalt in einem zivilgerichtlichen Verfahren mitwirken, einen Anspruch auf ein Honorar mit einem Gebührensatz von 1,0 „und“, wenn sie eine mündliche Verhandlung oder einen Beweistermin wahrgenommen haben, von 2,0. Dies kann – trotz des Wortlauts „und“ – nur so gelesen werden, dass entweder eine 1,0-Gebühr „oder“ eine 2,0-Gebühr anfällt. Sonst fielen zwei Gebühren mit insgesamt 3,0 an, und das stünde in einem Missverhältnis zum Honorar des verfahrensführenden Rechtsanwalts, der nach § 2 Abs. 2 RVG neben der 1,3-Verfahrensgebühr eine 1,2-Terminsgebühr, also insgesamt nur maximal 2,5-Gebühren, verdienen kann.

3. Anwälte in patentgerichtlichen Verfahren

Das VertrGebErstG aF galt nicht für Markenverfahren und nicht für Patentnichtigkeitsverfahren, wo Patentanwälte verfahrensführend tätig sein können. Diese Lücke wird nun geschlossen.

Das VertrGebErstG nF unterscheidet nämlich weder zwischen Rechts- und Patentanwälten noch zwischen verfahrensführenden und im Rahmen einer Doppelvertretung mitwirkenden Anwälten. 


a) Gebührenberechnung

Die Gebühren errechnen sich ausgehend von dem in § 2 VertrGebErstG festgelegten Gebührensatz von 360 Euro, wobei in den einzelnen Verfahren nach den §§ 3 ff. VertrGebErstG 3/10 bis 20/10 anfallen. Sie erfassen als Verfahrensgebühr jeweils die gesamte Tätigkeit der Vertretung von der Beiordnung bis zur Beendigung des Rechtszuges und können in jedem Rechtszug nur einmal beansprucht werden (§ 9 VertrGebErstG). Erledigt sich die Beiordnung, ohne dass eine Anmeldung erfolgt ist oder ein die Sache betreffender Schriftsatz erforderlich war, verringert sich die Gebühr nach § 10 VertrGebErstG um die Hälfte.


b) Markenrechtliche Widerspruchsverfahren sind in § 5 VertrGebErstG nicht geregelt

§ 5 VertrGebErstG regelt die Beschwerdeverfahren in Markensachen vor dem BPatG. Leider wurde der generelle Ausschluss von Verfahrenskostenhilfe in Markensachen (BGH MarkenR 2008, 530 – Atoz I) vor dem DPMA nicht gelockert, was in den Verfahren zur Feststellung des Verfalls und der Nichtigkeit wegen älterer Rechte dazu zwingt, den einfacheren Weg eines Antrags beim DPMA nach §§ 50 ff. MarkenG zu unterlassen und lieber gemäß § 55 MarkenG bei einem Zivilgericht zu klagen, wo Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. Beschwerden gegen die Versagung der Eintragung und gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit sind ausdrücklich aufgeführt. Für andere Beschwerdeverfahren gilt der Gebührensatz von 3/10, also auch für die nicht gesondert aufgeführte Beschwerde im Widerspruchsverfahren. Das steht allerdings in einem groben Missverhältnis zu den Gebührensätzen bei Versagung der Eintragung (13/10) bzw. Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren (20/10). 


c) Sonstige Verfahren

Nach § 12 VertrGebErstG sind auf die Erstattung der Gebühren und Auslagen der Vertretung vor dem DPMA und dem BPatG im Übrigen die Vorschriften des RVG, die für die Vergütung bei Prozesskostenhilfe gelten, sinngemäß mit folgenden Maßgaben anzuwenden: „im Prüfungsverfahren entsteht eine Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 0,5, im Übrigen mit einem Gebührensatz von 1,0 … Wenn sich die Beiordnung erledigt, ohne dass die Vertretung eine Anmeldung oder einen die Sache betreffenden Schriftsatz eingereicht hat, erhält sie die Verfahrensgebühr für den Verfahrensabschnitt, in dem die Erledigung eingetreten ist, zur Hälfte (§ 10 VertrGebErstG).“
§ 13 VertrGebErstG regelt das Honorar in den Verfahren zur Erklärung der Nichtigkeit von Patenten und über Zwangslizenzen durch einen Verweis auf das RVG.

Darauf verweist auch § 14 VertrGebErstG für Verfahren vor dem BGH.


4. Folgen der Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe wegen Verwertung

Die Aufhebung ist in den hier behandelten Verfahren neben den in § 124 ZPO geregelten Fällen auch gemäß der Spezialregelung des § 137 PatG, auf die § 21 Abs. 2 GebrMG, § 81a Abs. 2 MarkenG, § 24 S. 4 DesignG, § 36 SortSchG sowie § 11 Abs. 2 HalblSchG verweisen, möglich. Dies erleichtert die Aufhebung gegenüber der ZPO. Es kommt nämlich darauf an, ob ein Schutzrecht, hinsichtlich dessen Verfahrenskostenhilfe gewährt worden ist, wirtschaftlich verwertet wird und die Einkünfte hieraus die für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe maßgeblichen Verhältnisse so verändern, dass dem Betroffenen die Zahlung der Verfahrenskosten nunmehr zugemutet werden kann. 
Dies gilt zeitlich unbegrenzt, weshalb Beteiligte, denen Verfahrenskostenhilfe gewährt worden ist, jede wirtschaftliche Verwertung zeitlich unbegrenzt anzuzeigen haben. Demgegenüber enthalten § 124 Nr. 3 ZPO und § 120a I 4 ZPO eine zeitliche Grenze von vier Jahren.

Das ist ein scharfes Schwert, das eine Aufhebung weitaus häufiger erwarten lässt, als dies sonst der Fall wäre.

Nach einer Aufhebung hat der beigeordnete Anwalt an die Staatskasse aber nichts zurückzuzahlen. Er kann jedoch von seinem Mandanten nunmehr die Differenz zum „normalen“ Honorar eintreiben.

5. Auslagenerstattung

Neben der Vergütung können beigeordnete Anwälte nach § 46 Abs. 1 RVG (iVm. § 12 VertrGebErstG) die Erstattung ihrer erforderlichen Auslagen verlangen. Dazu wird die Notwendigkeit jeder einzelnen Auslage geprüft. 

Damit Reisekosten für die Wahrnehmung einer mündlichen Verhandlung oder eines Beweistermins durch mitwirkende Patentanwälte erstattet werden können, muss das Gericht im Hinblick auf § 4a PAO die Teilnahme des mitwirkenden Anwalts extra für geboten erklärt haben.

Jeder beigeordnete Anwalt hat im Übrigen Anspruch auf die Umsatzsteuer, unabhängig davon, ob sein Mandant zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.


6. Festsetzung

Die zu erstattenden Kosten und Auslagen setzen das DPMA und die Gerichte fest (§ 62 Abs. 2 PatG, § 55 Abs. 1 RVG). 

Gegen diese Entscheidungen eröffnet § 56 RVG die Erinnerung. § 12 VertrGebErstG schließt aber für Verfahren vor dem DPMA den Bezug auf § 55 RVG aus und verweist stattdessen auf die Beschwerde. 


IV. Fazit

In markenrechtlichen Widerspruchsverfahren werden beigeordnete Anwälte künftig wohl öfter auf Erfolgshonorare ausweichen, statt Verfahrenskostenhilfe zu beantragen, und hoffen, im Erfolgsfall ihre vollen Honoraransprüche gegen den in die Kosten verurteilten Gegner geltend machen zu können (§ 136 PatG, § 126 ZPO). 

Die schon bislang praktizierte analoge Anwendung dieser nur für Rechtsanwälte geltenden Vorschrift für Patentanwälte dürfte weiterhin erfolgen, weil nur diese Möglichkeit die Reduzierung der vom Staat gezahlten Gebühren rechtfertigt (Gaier AnwBl 2010, 73, 75).  

Die immer strenger werdende Erforderlichkeitsprüfung bei der Doppelvertretung – über den Bereich der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe hinaus – dürfte den Geschäftsbereich von Patentanwälten verkleinern. Das nunmehr noch höhere Kostenrisiko für die Parteien, die die Differenz zwischen vereinbartem Honorar und den nach RVG-Sätzen erstattungsfähigen Kosten zu tragen haben, wird dazu führen, dass sich etliche Mandanten auf einen Rechtsanwalt beschränken. 

Ceterum censeo: Der generelle Ausschluss von Verfahrenskostenhilfe vor dem DPMA in Markensachen ist mit der Einführung der Nichtigkeitsverfahren wegen Verfalls und älterer Rechte vor dem DPMA zum 1.5.2020 noch unverständlicher geworden (Albrecht/Hoffmann MarkenR 2022, 249). Aber wir wissen ja, dass schon Cato vor über 2000 Jahren viel Geduld aufbringen musste, bis Karthago fiel.
Unser Autor
Friedrich_Albrecht
Dr. Friedrich Albrecht
VorsRi. BPatG a. D., München
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