von Prof. Alexander Schwonberg, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Celle
Die objektiven und subjektiven Aspekte der Gesamtwürdigung der ehevertraglichen Regelungen
Allgemeine Voraussetzungen
Die Beurteilung von Regelungen in Eheverträgen bzw. Scheidungsfolgenvereinbarungen ist keineswegs auf die rechtliche Prüfung nach den §§ 138, 242 BGB beschränkt. Vielmehr sind die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen in eine „Vorprüfung“ einzubeziehen. Diese nehmen neben den gesetzlichen Scheidungsfolgen umfassend die familiäre Rechtsbeziehung in den Blick (z.B. Rechtswahl, kindschaftsrechtliche Fragen, erbrechtliche Regelungen). Darüber hinaus kommt auch der Auslegung von Vertragsklauseln eine zentrale Bedeutung zu. Weiterhin sind die allgemeinen Anfechtungsregelungen sowie spezielle familienrechtlich geregelte gesetzliche Verbote i.S.v. § 134 BGB zu beachten.
Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung des BGH
Anhand einer aktuellen OLG-Entscheidung werden die unterschiedlichen Aspekte der Inhaltskontrolle vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH vertieft und problematisiert. Während im Mittelpunkt der Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2004 die Kernbereichslehre sowie die Unterscheidung zwischen der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle gestanden hatten, wurde spätestens ab 2013 neben den objektiven Voraussetzungen einer evident einseitigen Lastenverteilung die subjektiven Aspekte einer individuellen Unterlegenheit eines Ehegatten betont. Dies führte dazu, dass zunehmend eine Gesamtwürdigung der ehevertraglichen Regelungen in den Blick genommen wurde. Dabei hat der BGH in den Entscheidungen zum Ehevertrag eines „Versicherungsvertreters“ sowie zur „Unternehmer- Ehe“ zentrale Punkte der Verhandlungsparität bzw. einer Disparität herausgearbeitet. Eine Betonung bzw. Hervorhebung der Verhandlungsphase einerseits und der Beurkundungssituation andererseits könnte zu der Einschätzung verleiten, dass den Elementen der Kernbereichslehre nur noch eine geringe Bedeutung zukommen könnte.
Was geht beim nachehelichen Unterhalt? Was geht beim Versorgungsausgleich?
Ob dies zutrifft, wird anhand der zentralen Scheidungsfolgen zum nachehelichen Unterhalt sowie zum Versorgungsausgleich näher untersucht. Dabei differenziert der BGH sowohl beim Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB als auch zum Versorgungsausgleich im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle auch nach den konkret geplanten bzw. später gelebten Ehemodellen. Die Umsetzung dieser Begründungselemente wird anhand der OLG-Entscheidung weiter veranschaulicht. Diese stimmen im Ergebnis mit einer (seit kurzem) in der Literatur vertretenen Auffassung zum Globalverzicht überein. Demgegenüber erweisen sich ehevertragliche Klauseln zum Güterrecht weitgehend als wirksam, sodass Ansprüche zum Zugewinnausgleich nur dann in Betracht zu ziehen sind, wenn eine Gesamtwürdigung des Ehevertrages zu dessen Gesamtnichtigkeit führt, wobei wiederum die subjektiven Begründungselemente erforderlich sind. Die vom BGH verschiedentlich in Erwägung gezogene Fallgruppe der sog. Funktionsäquivalenz bietet hingegen für einen benachteiligten Ehegatten kaum effektiven Rechtsschutz.
Verfahrensrechtliche Hinweise
Von erheblicher praktischer Bedeutung sind die Möglichkeiten, in welcher Weise die Inhaltskontrolle im familiengerichtlichen Verfahren konkret durch den/die Verfahrensbevollmächtigte/n eines Ehegatten erfolgen kann bzw. sollte. Hierbei wird in der gerichtlichen Praxis häufig eine inzidente Beurteilung vorgenommen, ohne weitere spezifische verfahrensrechtliche Möglichkeiten zu nutzen, die auch im Scheidungsverbundverfahren zur Geltung kommen können. Die Besonderheiten des Verbundverfahrens ziehen konkrete Folgen für die Formulierung der Anträge in den einzelnen Folgesachen nach sich.Autor