Autor:in Dr. Desiree Jung & Olaf-Gerd Gemein
Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung
Eine aktuelle Studie zeigt auf, dass Deutschland noch weit von einer nachhaltigen Beschaffungspraxis entfernt ist. Was sind die Gründe dafür? Und welche Lösungsansätze können die praktische Umsetzung verbessern?
Dr. Desiree Jung & Olaf-Gerd Gemein
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil moderner öffentlicher Beschaffung. Die kürzlich veröffentlichte Studie "Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung" beleuchtet eindrucksvoll die Herausforderungen in Deutschland und bietet zugleich auch einige Lösungsansätze, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft auf Seiten der öffentlichen Beschaffung aufzeigen.
Die Politik hat in den letzten Jahren vermehrt den Umwelt- und Klimaschutz bei politischen Entscheidungen in den Mittelpunkt gestellt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Forderung nach höherem Klimaschutz als Verpflichtung gegenüber nachkommenden Generationen bestätigt.
Die öffentliche Beschaffung hat einen hohen Marktanteil und damit ein großes Potential durch eine nachhaltige Beschaffung auf den Umwelt- und Klimaschutz einzuwirken. „Doch nur 13.7% der Aufträge auf kommunaler Ebene werden unter Einschluss von Nachhaltigkeitskriterien vergeben. Tendenz sinkend!“ so die Studienergebnisse. Laut Statista beträgt das Auftragsvolumen 2022 in Deutschland 131,7 Milliarden Euro. Deutschland vergibt damit eine große Chance positiver Lenkungswirkung.
Die aktuelle Studie zeigt deutlich auf, dass trotz zahlreicher Bemühungen ein signifikanter Intention-Action-Gap in der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung besteht. Das bedeutet, dass zwar ein starkes Bewusstsein und die Absicht für nachhaltige Beschaffung vorhanden sind, es jedoch oft an der praktischen Umsetzung mangelt.
Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von rechtlichen Unsicherheiten über mangelnde Professionalisierung bis hin zu strukturellen und prozessualen Defiziten.
Die Studie zeigt folgende Defizite auf:
- Rechtliche Unsicherheiten: Viele Vergabestellen sind unsicher, wie sie Nachhaltigkeitskriterien rechtssicher integrieren können.
- Professionalisierung: Es fehlt häufig an spezifischem Wissen und Ausbildung im Bereich der nachhaltigen Beschaffung.
- Strukturen und Prozesse: Die bestehenden Strukturen und Prozesse sind oft nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.
Hoffnungsmachende Lösungsansätze
Die Studie bietet auch konkrete Lösungsansätze, die bereits in vielen Bereichen erfolgreich umgesetzt wurden und als Vorbild dienen können. Beispielsweise:
- Training und Ausbildung: Eine verbesserte Schulung und Ausbildung der Beschaffungsverantwortlichen können das Wissen und die Kompetenz im Bereich der nachhaltigen Beschaffung erheblich steigern.
- Zentralisierung: Die Bündelung von Beschaffungen über zentrale Stellen kann Effizienzgewinne bringen und die Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien erleichtern.
- Verbindliche Regelungen: Die Einführung verbindlicher Regelungen schafft klare Rahmenbedingungen und erhöht die Verbindlichkeit nachhaltiger Beschaffungspraktiken.
Um den Intention-Action-Gap zu schließen und die öffentliche Beschaffung nachhaltiger zu gestalten, empfiehlt die Studie einen umfassenden Ansatz, der alle Ebenen einbezieht:
- Rechtliche Rahmenbedingungen stärken: Klare, verbindliche Regelungen schaffen Rechtssicherheit und fördern die konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien.
- Professionalisierung und Ausbildung fördern: Regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen für Beschaffungsverantwortliche sind essenziell, um das notwendige Wissen und die Kompetenzen zu vermitteln.
- Strukturen und Prozesse anpassen: Es müssen neue Strukturen und Prozesse entwickelt werden, die Nachhaltigkeit von Anfang an integrieren und bestehende Hürden abbauen.
- Interaktion und Kommunikation verbessern: Ein verstärkter Austausch zwischen den Akteuren im Beschaffungsprozess, einschließlich Lieferanten und externen Experten, kann Synergien schaffen und das Verständnis für nachhaltige Beschaffung verbessern.
Ausblick
Die nachhaltige öffentliche Beschaffung ist kein unerreichbares Ziel. Die in der Studie vorgestellten Lösungen und Empfehlungen bieten einen klaren Fahrplan, wie Nachhaltigkeit systematisch und erfolgreich in der öffentlichen Beschaffung integriert werden kann. Es erfordert Mut, Entschlossenheit und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die Zukunft der öffentlichen Beschaffung kann und muss nachhaltig sein, und mit den richtigen Maßnahmen können wir diese Vision Realität werden lassen.
Die öffentliche Hand hat die Macht und die Verantwortung, durch ihre Beschaffungspolitik einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam beschreiten und die nachhaltige Transformation mit der Unterstützung strategischer Beschaffung aktiv vorantreiben.
Dr. Desiree Jung, Fachanwältin für Vergaberecht, regelmäßige Referentin für die Aus- und Weiterbildung von Rechtsanwälten/innen im Vergaberecht, Frechen. Herausgeberin „Handbuch Nachhaltige Beschaffung“, Werner Verlag, 1. Auflage 2025
Olaf-Gerd Gemein, Business Architect, Kiel und Autor beim „Handbuch Nachhaltige Beschaffung“, Werner Verlag, 1. Auflage 2025
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