BAG klärt Rechtsweg bei Geltendmachung der Fortsetzung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens
Recht & Verwaltung06 April, 2022

Geltendmachung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens

von Torsten Herbert, Geschäftsführer des KAV NRW

Sachverhalt

Die Verfügungsklägerin verlangt, dem verfügungsbeklagten Land im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, ein abgebrochenes Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen. 

Die Klägerin war bei dem beklagten Land bis zum 11.08.2020 aufgrund neun befristeter Arbeitsverträge als Vertretungslehrkraft im Schuldienst beschäftigt. Ende Juli 2020 schrieb das beklagte Land eine für die Zeit vom 12.08.2020 bis zum 31.01.2021 befristete Stelle aus. Am 03.08.2020 erhielt die Klägerin, die sich auf die Stelle beworben hatte, von der zuständigen Schulleitung die Mitteilung, die Ausschreibung werde aus unvorhergesehenen Gründen beendet; eine neue Ausschreibung werde erfolgen. 

Auch auf die neu ausgeschriebene Stelle bewarb sich die Klägerin. Mit Schreiben vom 27.08.2020 teilte die Schulleitung mit, dass das Stellenbesetzungsverfahren erneut abgebrochen worden sei, weil die Ausschreibung näher bezeichnete Formfehler aufweise. 

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt die Klägerin die Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens. Für einen Abbruch des Bewerbungsverfahrens liege kein sachlicher Grund vor, sodass dieser rechtswidrig sei. 

Das ArbG hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht verwiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde für die Parteien zugelassen. 

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin zum BAG hatte Erfolg. 

Entscheidung

Das BAG hat im vorliegenden Beschluss vom 27.04.2021 - 9 AZB 93/20 - den Rechtsweg bei Geltendmachung der Fortsetzung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geklärt. 

Soweit das LAG (wie bereits das ArbG) zur Begründung der Verweisung an das Verwaltungsgericht ausgeführt habe, das Verfahren falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen, sondern sei als öffentlich-rechtliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden, da die Klägerin ihren aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch, der aus dem öffentlichen Recht herrühre, sichern wolle und dass Art. 33 Abs. 2 GG für den Bewerber ein subjektives Recht begründe, das sich lediglich gegen Träger der öffentlichen Verwaltung richte, halte dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand -  so das BAG. 

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nach § 2 Abs. 1 Nr.3 Buchst. c ArbGG eröffnet.  

Bei dem Verfahren handele es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO, sondern um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses. 

Die Klägerin begehre vorläufigen Rechtsschutz, um die Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens zu erwirken. Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletze den aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerbenden könnten daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitze, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen. Ungeachtet seiner Herleitung aus dem Verfassungsrecht (Art. 33 Abs. 2 GG) sei der Bewerbungsverfahrensanspruch, wenn die Stelle mit Arbeitnehmenden besetzt werden solle, bürgerlich-rechtlicher Natur.  

Der öffentliche Arbeitgeber sei daher an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht in seiner Funktion als öffentlicher Verwaltungsträger, sondern als privatrechtlicher Arbeitgeber gebunden. 

Das Rechtsverhältnis der Parteien werde maßgeblich durch das Begehren der Klägerin geprägt, durch privatrechtlichen Vertrag ein dem bürgerlichen Recht zugehöriges Arbeitsverhältnis (neu) zu begründen: 

Mit der Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens strebe die Klägerin die Durchsetzung ihres subjektiven Privatrechts auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren an.

  • Ziel ihrer Bewerbung sei der Abschluss eines Arbeitsvertrags. 
  • Das betreffende „öffentliche Amt“ i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG solle damit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.  
  • Das beklagte Land trete der Klägerin deshalb im Vorfeld des Vertragsschlusses nicht als Hoheitsträger, sondern als Arbeitgeber des Privatrechts gegenüber. 

Art. 33 Abs. 2 GG gestalte dabei das zivilrechtlich geprägte Auswahlverfahren lediglich inhaltlich aus, ohne dass dadurch dessen Rechtscharakter berührt wird. Dies gelte unabhängig davon, dass die Klägerin geltend mache, durch den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens in ihrem Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden zu sein. 

Praktische Bedeutung

Das BAG klärt mit dieser Entscheidung, dass es für den zutreffenden Rechtsweg für die Verfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs maßgeblich darauf ankommt, ob die ausgeschriebene Stelle mit einem Beschäftigten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses besetzt werden soll. 

In diesem Fall sind die Arbeitsgerichte zuständig, auch wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch seinerseits im öffentlichen Recht (Verfassungsrecht) wurzelt. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz gestaltet das zivilrechtlich geprägte Auswahlverfahren lediglich inhaltlich aus, ohne dadurch dessen Rechtscharakter zu berühren. 

Bildnachweis: contrastwerkstatt/stock.adobe.com
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