Vergaberecht
Recht & Verwaltung10 Juni, 2024

Vergaberecht: Alles Wichtige zum Formblatt 223

Das Formblatt 223 ist bei Bietern unbeliebt, wird allerdings von öffentlichen Auftraggebern im-mer wieder gefordert und verwendet. Die rechtlichen Fallstricke, die dieses Formblatt beinhaltet, zeigt dieser Beitrag auf.

Was ist das Formblatt 223?

Das Formblatt 223 entstammt dem Vergabehandbuch des Bundes. Das Vergabehandbuch des Bundes ist eine Art „Muster-Formularsammlung“. Sie soll den öffentlichen Auftraggebern als Arbeitshilfe dienen, indem verschiedene Musterformulare für alle möglichen Stationen eines Vergabeverfahrens zusammengestellt werden. Öffentliche Auftraggeber greifen - meistens zur Arbeitserleichterung aber manchmal auch, weil sie fälschlicherweise glauben, hierzu verpflichtet zu sein - häufig auf Formular aus dem Vergabehandbuch zurück.

Das Formblatt 223 kommt insbesondere bei Bauaufträgen zum Tragen. Hier ist es - zum Missfallen der Bieter - weit verbreitet. Bei Aufträgen, die Liefer- oder Dienstleistungen betreffen, hat das Formblatt 223 praktisch keine Relevanz; dies zeigt schon die Tatsache, dass es im Formblatt nur ein Feld „Baumaßnahme“ gibt, in dem die Bieter das betreffende Verfahren bezeichnen sollen.

Es steht neben den Formblättern 221 und 222. Die Formulare 221, 222 und 223 - von denen das Formblatt 223 das praxisrelevanteste ist - sind Formulare, in denen die Bieter pauschale Gesamtpreisangaben weiter aufschlüsseln. Die Formblätter 221 und 222 betreffen hierbei die Ermittlung und Zusammensetzung der Gesamtangebotssumme aus verschiedenen Kostenblöcken wie Personalkosten, Baustellenkosten und Wagniszuschlägen.

Formblatt 223 betrifft die positionsbezogene Aufgliederung der Einheitspreise

Es ist tabellarisch aufgebaut und baut auf den einzelnen Positionen (Ordnungsziffern genannt) eines Leistungsverzeichnisses für eine Baumaßnahme auf. Für jede Position des Leistungsverzeichnisses ist eine Zeile vorgesehen, die unter der Überschrift „Teilkosten einschl. Zuschläge in Euro“ in weitere Spalten für „Löhne“, „Stoffe“ (d.h.: Materialien), „Geräte“ und „Sonstiges“ aufgeteilt ist.

Hintergrund des Formblatts 223 ist, dass Leistungsverzeichnisse in Bauausschreibungen in aller Regel so aufgebaut sind, dass die Bieter für die einzelnen Positionen eines Leistungsverzeichnisses jeweils gesonderte Einheitspreise anbieten müssen.

Ein Leistungsverzeichnis über den Neubau einer Grundschule könnte beispielsweise aus vielen hundert Einzelpositionen bestehen, von denen jede Einzelposition eine Einzelleistung, die der Auftragnehmer zu erbringen hat, beschreibt: Angefangen von „Baustelleneinrichtung“, „Vorhaltung von Baukran für die nachfolgenden Gewerke“, „Aufstellen Chemie-Toilette für die Baustelle“, „Baugerüst aufstellen“ über „Baustromanschluss“, „Fundamentaushub für die Baugrube“, „Verfüllen der Baugrube“, „Baugrundsohle verdichten“ bis hin zu „Einbau Fenster“ und „Einbau elektrische Leitungen“. Je komplexer eine Bauleistung, umso komplexer ist in aller Regel auch das Leistungsverzeichnis.

Für alle diese Positionen sind einzelne Einheitspreise anzugeben, die am Ende zu einem Gesamtpreis addiert werden. Auch wenn in aller Regel nur der Gesamtpreis wertungsrelevant ist, ist es für den öffentlichen Auftraggeber vielfach von großer Wichtigkeit, auch die einzelnen Einheitspreise für die einzelnen Positionen nachvollziehen zu können. Denn er muss aus vergaberechtlicher Sicht die Angemessenheit von Angebotspreisen prüfen (können) und er muss auch ausschließen, dass Bieter eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation vorgenommen und Preisbestandteile aus einzelnen Positionen in andere Positionen verschoben haben. Und diesem Zweck dient das Formblatt 223.

Würde ein Bieter in dem genannten beispielhaften Vergabeverfahren des Neubaus einer Grundschule zur Aufgliederung der Einheitspreise nach dem Formblatt 223 aufgefordert, müsste er für alle Positionen aufschlüsseln, wie sich der für die betreffende Position angebotene Einheitspreis in Bezug auf Löhne“, „Stoffe“, „Geräte“ und „Sonstiges“ zusammensetzt.

Bei Bietern ist das Formblatt 223 äußerst unbeliebt

Wie alle Musterformulare hat auch das Formblatt 223 den Nachteil, dass es sich eben um ein „Muster“ handelt, das häufig nicht auf den Einzelfall abgestimmt sind und auch häufig nicht auf den Einzelfall passt. Zudem kann das Ausfüllen des Formblattes 223 mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, zumal auch die Preise für die Leistungen aufgegliedert werden müssen, die Nachunternehmer erbringen.

Eine Fußnote des Formblatts weist insoweit ausdrücklich darauf hin, dass die Einzelkosten bei allen Teilleistungen anzugeben sind, und zwar unabhängig davon, ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird. Der Bieter muss daher nicht nur seine eigenen Preise aufschlüsseln, sondern er muss auch - häufig innerhalb einer Frist von wenigen Werktagen - seine Nachunternehmer auffordern, dies zu tun und ihm zur Verfügung zu stellen.

Daher ist das Ausfüllen des Formblatts 223 mit erheblichem Aufwand verbunden, was Bieterunternehmen häufig als unverhältnismäßig betrachten. Dies etwa dann, wenn und weil Bieter und Nachunternehmer mit verschiedenen Löhnen und Zuschlägen kalkuliert haben, was in der auszufüllenden Vorlage schwer darzustellen ist.

Darüber hinaus scheuen sich Bieter und nicht zuletzt auch Nachunternehmer im Verhältnis zu „ihrem“ Auftraggeber, dem Bieter im Vergabeverfahren, häufig davor, ihre Einheitspreise aufzuschlüsseln. Dies ist, gerade im Verhältnis zwischen Bieter und Nachunternehmer auch nachvollziehbar, denn häufig sind beide in anderen Bereichen Wettbewerber.

Das Formblatt 223 im Vergaberecht

Hat der öffentliche Auftraggeber also Zweifel daran, dass ein Bieter einzelne Preispositionen auskömmlich kalkuliert hat oder vermutet er eine Mischkalkulation- etwa, weil sie sich preislich erheblich von anderen Angeboten unterscheiden - kann er vom Bieter die Aufschlüsselung der Preisangaben im Formblatt 223 verlangen.

Das Formblatt 223 ist also - ebenso wie die Formblätter 221 und 222, die aber in der Praxis weniger Relevanz haben - in erster Linie ein Instrument zur vergaberechtlichen Preisprüfung nach § 16d Abs. 1 Nr. 1 VOB/A und VOB/A-EU und zur weiteren Prüfung der Angebote.

Der Auftraggeber ist allerdings frei darin, wie er die vergaberechtliche Preisprüfung vornimmt. Er muss also von dem Bieter nicht das ausgefüllte Formblatt 223 fordern, sondern kann dem Bieter auch eine andere Art und Weise der Erläuterung von Preisangaben aufgeben. Fordert er aber das ausgefüllte Formblatt 223, muss der Bieter dieser Aufforderung nachkommen und seine Preise auf diesem Wege, d.h. durch Ausfüllen des Formblatts 223, erläutern. Dies gilt nicht nur für seine Preise, sondern auch für die des Nachunternehmers. Die vergaberechtliche Rechtsprechung geht einheitlich davon aus, dass die Anforderung eines vollständig ausgefüllten Formblatts 223 vergaberechtlich zulässig ist und dass die Aufschlüsselung der Einheitspreise auch für Nachunternehmerleistungen gefordert werden kann (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. Mai 2021, VII-Verg 13/21 sowie VK Bund, Beschl. v. 19. Oktober 2023, VK2-78/23).

Für die Preise der Nachunternehmerleistungen wird dies damit begründet, dass dann, wenn Leistungen durch Nachunternehmer erbracht werden, der Auftraggeber auch ein anerkennenswertes Interesse daran haben kann, nachprüfen zu können, ob auch dessen Preise auskömmlich kalkuliert sind. Zudem muss der Bieter vergaberechtlich gegenüber dem Auftraggeber für die von ihm eingesetzten Nachunternehmer einstehen und Ansprechpartner im Vergabeverfahren ist nur der Bieter, nicht aber der Nachunternehmer.

Füllt der Bieter das Formblatt 223 nicht vollständig aus, erbringt er den geforderten Nachweis nicht und kann vom Verfahren ausgeschlossen werden. Eine Nachforderung der fehlenden Angaben ist nicht zulässig, weil die im Vergaberecht vorgesehene Nachforderungsmöglichkeit nur in Bezug auf solche Unterlagen eröffnet ist, die mit dem Angebot einzureichen sind (§ 16a Abs. 1 Satz 2 VOB/A-EU).

Fazit

Wegen des enormen Aufwands, der mit dem Ausfüllen des Formblatts 223 verbunden ist, sollten öffentliche Auftraggeber in jedem Fall darauf verzichten, von allen Bietern mit Angebotsabgabe die Vorlage des ausgefüllten Formblatts 223 zu verlangen. Es ist ansonsten wahrscheinlich, dass potentiell interessierte Bieter von einer Angebotsabgabe absehen, weil sie sich diesen Aufwand ersparen wollen. Vielmehr sollten öffentliche Auftraggeber das Formblatt 223 nur anlassbezogen von dem Unternehmen, das für den Zuschlag vorgesehen ist, und nur dann fordern, wenn sie Anhaltspunkte dafür haben, dass die Preise bei einzelnen Positionen nicht ordnungsgemäß oder auskömmlich kalkuliert sind.

Teilweise geht die Rechtsprechung auch davon aus, dass nur eine anlassbezogene Abforderung des Formblatts 223 zulässig ist (OLG Koblenz, Beschl. v. 19. Januar 2015, Verg 6/14). Es empfiehlt sich auch, dass öffentliche Auftraggeber bereits in den Vergabeunterlagen darauf hinweisen, dass sie „im Falle des Falles“ die Vorlage des Formblatts 223 fordern werden, damit Bieter sich hierauf einstellen können.

Davon abgesehen ist die Verwendung des Formblatts 223 aber kein Muss, sondern nur eine Möglichkeit. Wenn es - wie in den meisten Fällen - um einzelne Preispositionen geht, die aufgeklärt werden sollen, sollten Auftraggeber erwägen, ob sie die entsprechenden Erläuterungen nicht formfrei vom Bieter verlangen.

Werden Bieter zur Vorlage eines ausgefüllten Formblatts 223 aufgefordert, müssen sie dem vollständig und innerhalb der gesetzten Frist nachkommen. Wenn Angaben fehlen oder unvollständig sind, gibt es keine zweite Chance. Bei komplexen Leistungsverzeichnissen empfiehlt sich aus Bietersicht die Nutzung einer Kalkulationssoftware, mit der die Urkalkulation des Angebots vorgenommen werden kann.

Dies kann den Aufwand der Aufgliederung der Einheitspreise erheblich verringern, weil diese hieraus in der Form des Formblatts 223 exportiert werden können. Setzt ein Bieter Nachunternehmer ein, so empfiehlt es sich, bereits in der Vereinbarung zwischen Bieter und Nachunternehmern, die diesem Nachunternehmereinsatz zugrunde liegt, eine entsprechende Verpflichtung des Nachunternehmers vorzusehen, an einer Preisangemessenheitsprüfung und dem Ausfüllen des Formblatts 223 mitzuwirken.

Henning Feldmann

Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln. Er berät Auftraggeber- und Auftragnehmer im Vergaberecht und im angrenzenden Wirtschaftsverwal-tungsrecht.

Bildnachweis: magele-picture./stock.adobe.com

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