BVerwG: Immaterieller Schadensersatz wegen Mobbings?
Recht & Verwaltung24 Oktober, 2023

BVerwG zu Ansprüchen einer Beamtin auf immateriellen Schadensersatz wegen „Mobbings“

Von Redaktion eGovPraxis Personal

Zum Sachverhalt

Die Klägerin begehrt immateriellen Schadensersatz wegen "Mobbings". Sie stand bis zu ihrer Versetzung zu einem anderen Dienstherrn im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde. Seit 2007 war sie mit der Leitung des Fachbereichs III "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, mit der eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei einherging. In der Folge wurde die Klägerin auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt.

Die Klägerin war im Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihrer Umsetzung krankheitsbedingt nicht im Dienst. Daher wurde ihr bisheriges Dienstzimmer - nach Anhörung - geräumt und die darin befindlichen Gegenstände vorübergehend in ein anderes Büro verbracht, das auch früher schon von ihr genutzt worden war. Die der Klägerin und den ihr zugeordneten Mitarbeitern zugewiesenen Dienstzimmer befanden sich im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses. Die dorthin führenden "sehr steilen Treppen" waren aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht bereits im Jahr 2010 beanstandet worden. Im Juni 2015 erhielten die im Dachgeschoss untergebrachten Bediensteten andere Dienstzimmer.

Der Personalrat der Beklagten stellte eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der u. a. ausgeführt wurde: "Was nicht zur Verhandlung vor Gerichten, egal welcher Instanz, stehen wird, ist die auf der Strecke gebliebene Moral. Sich über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit' zu flüchten, weil man persönlich der Ansicht ist, arbeitsseitig unterfordert zu sein, sollte man den vielen fleißigen Beschäftigten, Beamten unserer Stadt einmal versuchen zu erklären."

Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes "Mobbing" des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben.

Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, hat sie zunächst Untätigkeitsklage erhoben. Das VG hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der in den Jahren 2014 bis 2016 durch die Beklagte begangenen Verletzungen des Beamtenverhältnisses noch entstehen werden und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 23.000 Euro zu zahlen. Die Klägerin sei Opfer eines "Mobbings" durch den Oberbürgermeister geworden.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OVG die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.


Zur Entscheidung

Das BVerwG hat entschieden, dass das Berufungsgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab für die Prüfung der als "Mobbing" gerügten Maßnahmen der beklagten Gemeinde ausgegangen ist. "Mobbing" sei weder eine Anspruchsgrundlage noch ein Rechtsbegriff. Der von der klagenden Beamtin vorgetragene Sachverhalt müsse daher in rechtsförmige Kategorien eingeordnet werden. Mögliche Anspruchsgrundlage für das von der Klägerin geltend gemachte Begehren sei der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht.

Unter den Voraussetzungen einer Verletzung der Fürsorgepflicht könne mit dem beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch auch ein Ersatz für immaterielle Schäden gewährt werden. Dies gilt nach Auffassung des BVerwG auch dann, soweit durch eine gezielte Unterbeschäftigung die Fürsorgepflicht verletzt worden ist.

Mit der Bezeichnung als "Mobbing" solle hierbei ein bestimmtes Gesamtverhalten als Verletzungshandlung im Rechtssinne qualifiziert werden.

→ Unter "Mobbing" sei ein "systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren"
    zu verstehen.

Diesen Maßstab habe das Berufungsgericht hier verkannt, da es nicht das Gesamtgeschehen betrachtet habe. Hierdurch habe es das Berufungsgericht versäumt, die Möglichkeit eines Gesamtsystems der vorgetragenen Einzelmaßnahmen in den Blick zu nehmen.


Die Berufungsentscheidung bezweifle nicht, dass die beklagte Gemeinde den Anspruch der Klägerin auf amtsangemessene Beschäftigung über einen erheblichen Zeitraum nicht erfüllt und sie so in ihren Rechten verletzt hat. Ob die Beklagte "die Nichtübertragung adäquater Aufgaben in einem Mobbingzusammenhang als Mittel eingesetzt hat, um die Klägerin zu schikanieren", kann nach Auffassung des BVerwG daher nur durch eine angemessene Gesamtschau aller Maßnahmen beurteilt werden. Auch sei die Möglichkeit einer Schikaneabsicht nicht ernsthaft erwogen worden.

Das BVerwG hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen.


Praktische Bedeutung

  • Mit dem vorliegenden Urteil verdeutlicht das BVerwG die Voraussetzungen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs wegen „Mobbings“.
  • Die rechtliche Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass nicht eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte zu einer Rechtsverletzung des Betroffenen führen kann.
  • Wesensmerkmal der als "Mobbing" bezeichneten Beeinträchtigung ist nach Worten des BVerwG die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung, wobei den einzelnen Handlungen bei isolierter Betrachtung eine rechtliche Bedeutung oft nicht zukommt (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 ARZ 709/06).
Bildnachweis: gernotkrautberger/stock.adobe.com
Expertenlösung
eGovPraxis Personal
Praxisorientierte Rechtsinformationen für Ihre Sachbearbeitung im Personalamt
Alle entscheidungsrelevanten Informationsquellen und das Wissen Ihrer Behörde auf einer digitalen Plattform gebündelt.
Back To Top