Rupert Grübl Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
Unmittelbar mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wurden auch die Schulen vor die Aufgabe gestellt, sich des Themas – im Unterricht und darüber hinaus – anzunehmen. So wünschenswert es vielleicht wäre, junge Menschen vor den Bildern des Krieges und den möglichen psychischen Folgen zu bewahren, so unrealistisch ist doch dieses Ansinnen. Die Präsenz der Medien und der sozialen Netzwerke in unser aller Leben macht dies unmöglich.
Umso wichtiger ist es, dass die Schulen – ganz im Sinne des Art. 131 (3) der Bayerischen Verfassung (»Die Schüler sind im Geiste der Demokratie […] und im Sinne der Völkerverständigung zu erziehen.«) – die ihnen anvertrauten Schüler/-innen bei der intellektuellen und der psychischen Verarbeitung des uns so nahe gekommenen Themas Krieg zu begleiten. Nach einleitenden historisch-politologischen Grundüberlegungen sollen Ihnen und Ihren Kolleg/-innen praxisnahe Umsetzungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden.
Frieden – Krieg
Frieden ist Abwesenheit von Krieg und direkter Gewalt – dass diese zurecht als negativ bezeichnete und veraltete Definition des Begriffes ersetzt bzw. erweitert werden muss, ist nicht erst seit dem vom russischen Präsidenten Putin begonnenen Angriffskrieg auf die Ukraine offensichtlich. Selbstverständlich ist die Abwesenheit von Krieg ein erforderliches, aber nicht ausreichendes Merkmal für Frieden. Zudem kommen als positive Faktoren – daher der Begriff positiver Frieden – gute, harmonische Beziehungen zwischen Staaten nicht nur in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, sondern z.B. auch auf kultureller Ebene; ebenso eine gerechte Verteilung u.a. von Wohlstand, Bildungschancen, Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitssystem und auch Abwesenheit nicht nur von direkter, sondern auch von struktureller Gewalt.
»Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln« – so schrieb der preußische General Carl von Clausewitz in seinem in den 1830er Jahren erschienenen Buch »Vom Kriege«. Wenn überhaupt, dann kann eine solche Definition nur für Kriege gelten, die von Armeen auf einem vorher eigens bestimmten (Schlacht-)Feld ausgetragen werden.
Solche Arten von Kriegen aber gibt es schon seit langem nicht mehr. Sobald Nonkombatanten von kriegerischen Aktivitäten betroffen sind, wäre eine solche Definition nur zynisch. Und spätestens mit der Einführung jeglicher Art von Massenvernichtungswaffen ist Krieg nicht die »Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln«, sondern würde in letzter Konsequenz nach menschlichem Ermessen das Ende jeglicher Politik bedeuten. Kriege im 20. und vor allem im 21. Jahrhundert werden auch kaum noch zwischen zwei (oder mehreren) Staaten ausgetragen. Als Beispiele zu nennen wären hier u.a. die von Warlords zur eigenen Bereicherung in Teilen Afrikas untereinander ausgetragenen oder auch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Kriege. Zu nennen wären hier auch sog. Cyberkriege, bei denen versucht wird, mittels Computertechnik und Internet Infrastruktur – militärische wie zivile – lahmzulegen, um den Gegner so in jeglicher Hinsicht handlungsunfähig und somit wehrlos zu machen. Auch wenn Wladimir Putin erst am 24.02.2022 offizielle reguläre Truppen die Ukraine angreifen ließ, so befand sich der östliche Teil dieses Landes, der Donbass, bereits nach der gewaltsamen Annexion der Halbinsel Krim durch den russischen Diktator 2014 in einem Kriegszustand. Zusammen mit russischstämmigen ukrainischen Separatisten haben dort wohl auch getarnte russische Soldaten auf kriegerische Art die Loslösung dieses Landesteils von der Ukraine und evtl. den Anschluss an Russland betrieben.
Es liegt also auf der Hand, dass nicht nur Frieden, sondern auch Krieg einer modernen Definition bedürfen.