Closeup arbeiten am Tablet
Recht & Verwaltung08 Oktober, 2024

Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz im Insolvenzverfahren

Author:in: Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Ahrens, Georg-August-Universität Göttingen

Das Bild der Justiz ist eher von schwarzen Roben und alten Zöpfen als von Modernität geprägt. Aber auch hier bewegt sich inzwischen Vieles. Dabei machen diese Entwicklungen auch nicht vor dem Insolvenzverfahren halt. Vielleicht noch keinen Aufbruch zu ganz neuen Ufern, aber immerhin doch einen beachtlichen Fortschritt schafft das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12.7.2024 (BGBl. I, Nr. 234). Die Neuerungen gelten prinzipiell in den ab dem 17.7.2024 eröffneten Insolvenzverfahren.

Zu den markanten Einrichtungen dieses Gesetzes gehört die verpflichtende Einführung von Gläubigerinformationssystemen in sämtlichen Insolvenzverfahren nach § 5 V, VI InsO. Außerdem können nach § 8 III InsO Zustellungen auf elektronischem Weg i.S.d. § 171 ZPO erfolgen. Im Eröffnungsbeschluss muss gem. § 28 IV InsO künftig ein Hinweis enthalten sein, wonach Gläubiger die elektronischen Dokumente über sichere elektronische Übermittlungswege empfangen und ihre Zustimmung erklären können. Außerdem kann die Forderungsanmeldung gem. § 174 IV 1 und 2 InsO künftig auch durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, für die der Insolvenzverwalter einen sicheren Übermittlungsweg i.S.v § 130a ZPO anbieten muss.

Im Mittelpunkt der Novellierung stehen die künftig in sämtlichen Insolvenz- und Eigenverwaltungsverfahren einzuführenden Gläubigerinformationssysteme. Bislang waren lediglich in größeren Insolvenzverfahren derartige elektronische Systeme verpflichtend. Seit dem 17.7.2024 erstreckt sich diese Verpflichtung auf jedes kleinste Insolvenzverfahren. Damit hält die elektronische Kommunikation umfassenden Einzug in sämtliche Insolvenzverfahren. Bereits nach dem klaren Wortlaut der Regelung muss im Eröffnungsverfahren, bei dem lediglich ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist, kein Gläubigerinformationssystem eingerichtet sein. Für das eigentliche Restschuldbefreiungsverfahren, also die Treuhandperiode, ist keine Verpflichtung vorgesehen. Dennoch wird hier ein Gläubigerinformationssystem zu erwarten sein, weil der Insolvenzverwalter typischerweise mit dem Treuhänder Personen identisch sein wird.

Datenschutzrechtlich soll die Verpflichtung aus § 5 V, VI InsO eine Erlaubnisnorm i.S.v. Art. 6 I UAbs. 1 lit. c) DSGVO bilden und damit die Verarbeitung rechtfertigen. Dies erscheint nicht unproblematisch, wie zwei Beispiele belegen mögen. Gerade in den Insolvenzverfahren natürlicher Personen ergehen Entscheidungen über die pfändungsschutzrechtlichen Wirkungen und damit über höchstpersönliche Aspekte des Schuldners. Eine allgemeine Veröffentlichung dieser Entscheidungen im Gläubigerinformationssystem beeinträchtigt höchstpersönliche Rechte (Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 5. Aufl., § 5 Rn. 59, 66). Auch die Veröffentlichung von Vergütungsbeschlüssen muss weiterhin Beschränkungen unterliegen (BGH NZI 2018, 235).

Zugangsberechtigt für das Gläubigerinformationssystem sind Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht darauf an, ob die Forderungen bestritten worden sind. Es genügt eine substantiierte Anmeldung. Nachrangige Gläubiger erhalten erst mit der Aufforderung zur Anmeldung ihrer Forderungen einen Zugang. Aussonderungsberechtigte sind ausgeschlossen, ebenso absonderungsberechtigte hinsichtlich ihres Absonderungsrechts. Ob Massegläubiger einen Zugang erhalten können ist jedenfalls nicht selbstverständlich (Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 5. Aufl., § 5 Rn. 61). Einsichtsberechtigt ist im Rahmen seiner Aufsichtspflicht auch das Insolvenzgericht.

In dem Gläubigerinformationssystem sollen jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, sämtliche Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle Rechtsmittelentscheidungen, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen unverzüglich in einem gängigen Dateiformat zum elektronischen Abruf zur Verfügung gestellt werden. Erfasst werden prinzipiell sämtliche Entscheidungen des Insolvenzgerichts, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sind. Nicht eingeschlossen sind mit dem Insolvenzverfahren im Zusammenhang stehende Entscheidungen anderer zivilgerichtlicher Abteilungen oder Kammern, wie über Feststellungsprozesse oder Insolvenzanfechtungen. Vorzuhalten sind auch Berichte, nicht aber Sachverständigengutachten. Fraglich ist die Reichweite bei Entscheidungen der Gläubigerorgane. Sie sollte sich jedenfalls auf die Protokolle der Gläubigerversammlung erstrecken. Auch Rechtsmittelentscheidungen sind einzustellen, wobei der Begriff nicht technisch zu verstehen ist, sondern sämtliche Rechtsbehelfsentscheidungen im Insolvenzverfahren erfasst (Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 5. Aufl., § 5 Rn. 68).

Die Kosten für ein Gläubigerinformationssystem des Insolvenzverwalters gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten. Ein besonderer Kostenerstattungsanspruch besteht nicht. Ein Rechtsmittel gegen die Einstellung oder die unterlassene Einstellung von Angaben in das Gläubigerinformationssystem ist nicht vorgesehen. Dies ist folgerichtig. Eine Kontrolle befindet deswegen lediglich über das Aufsichts- und Haftungsrecht statt. Für datenschutzrechtliche Verstöße ist zunächst der Insolvenzverwalter und im Rahmen seiner Aufsichtspflicht auch das Insolvenzgericht verantwortlich.

Bildnachweis: Gehard Seybert Medien&Presse Service/stock.adobe.com

Back To Top