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Recht & Verwaltung05 April, 2023

Einschulung in die Grundschule: Zurückstellung möglich?

Marco Bijok, Experte für Schulrecht

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Nicht alle Kinder weisen vor ihrer Einschulung schon die nötige körperliche, geistige oder soziale Reife auf, um den Unterricht in der Grundschule erfolgreich zu meistern. Die Schulgesetze sehen hierfür das Instrument der „Zurückstellung vom Schulbesuch“ vor. Ein Überblick:

Das sagt das Recht

Die Zurückstellung ist in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder geregelt. Eine Ausnahme bildet Schleswig-Holstein, wo diese Möglichkeit nicht besteht. Dort können Schulen jedoch zweijährige „Schuleingangsphasen“ einführen, wodurch den Schülern die Möglichkeit gegeben wird, die ersten beiden Jahre der Grundschule in ein, zwei oder drei Jahren zu absolvieren.

Die Voraussetzungen einer Zurückstellung unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern. Im Wesentlichen kommt sie in Betracht bei Kindern, die körperlich, geistig oder in ihrem sozialen Verhalten nicht genügend entwickelt sind, um mit Aussicht auf Erfolg am Unterricht der Grundschule oder der Förderschule teilzunehmen.

In Bremen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ist eine Zurückstellung nur aus erheblichen gesundheitlichen Gründen möglich.

Die Zurückstellung erfolgt für ein Jahr ohne Wiederholungsmöglichkeit. Sie soll eine seltene Ausnahme bleiben. Nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 24.10.1997 („Empfehlungen zum Schulanfang“) soll sie nur noch erfolgen, „wenn zu erwarten ist, daß eine Förderung im schulischen Rahmen keine für die Entwicklung des Kindes günstigeren Voraussetzungen schafft.“ Dabei soll die Entscheidung über die Zurückstellung eines Kindes vom Schulbesuch möglichst in zeitlicher Nähe zum Schuljahresbeginn getroffen werden.

Mangelnde Sprachkenntnisse reichen für eine Zurückstellung i.d.R. nicht aus, da diesem Defizit vorrangig mit besonderer Förderung in der Schule begegnet werden muss. Zunehmend gehen die Länder dieses Problem bereits vorschulisch an. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und weiteren Ländern erfolgt für alle Kinder ein bis zwei Jahre vor Beginn der Schulpflicht eine Sprachstandserhebung. Werden dabei unzureichende Sprachkenntnisse festgestellt, besteht die Pflicht, einen Sprachförderkurs zu besuchen. Diese Pflicht wird gesondert durch Verwaltungsakt ausgesprochen.

Wer ist zuständig für die Entscheidung?

Zuständig für die Entscheidung über die Zurückstellung ist in den meisten Ländern der Schulleiter. Dieser holt i.d.R. ein schulärztliches oder schulpsychologisches Gutachten ein. Die Entscheidung trifft er nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind Sinn und Zweck der Zurückstellung zu berücksichtigen. Diese soll der Herstellung der Schulfähigkeit dienen. Daher darf sie nur ausgesprochen werden, wenn sie angesichts der Art des festgestellten Entwicklungsrückstandes geeignet ist, die noch nicht vorhandene Schulfähigkeit herzustellen. Es muss zumindest die begründete Erwartung bestehen, dass das Kind nach Ablauf des Zurückstellungszeitraumes im neuen Schuljahr am Unterricht der ersten Jahrgangsstufe der Grundschule wird erfolgversprechend teilnehmen können. D.h. die Zurückstellungsentscheidung setzt insoweit eine einzelfallbezogene Eignungs- bzw. "Nachreife"-Prognose voraus, dass die Zurückstellung auch den gewünschten Erfolg zeitigt und die bestehenden Leistungs- und/oder Reifedefizite zumindest in der Weise abgebaut werden, dass das Kind - ggf. unterstützt durch eine (weitere) Förderung an der Grundschule oder an der Förderschule - mit Aussicht auf Erfolg teilnehmen kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.08.2012, 3 M 672/12).

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten gibt es?

Die Zurückstellung ist als Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz einzustufen. Demnach kann sie mit Widerspruch und der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Var. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angegriffen werden. Eilrechtsschutz ist nach § 80 Abs. 5 VwGO möglich. Da die Entscheidung nach pädagogischen und schulfachlichen Maßstäben zu treffen ist, steht der Schulleitung ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser kann gerichtlich im Wesentlichen nur darauf überprüft werden, ob bei der Beurteilung des Entwicklungsstands von einer unrichtigen oder unvollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen worden ist oder ob sachfremde Erwägungen eingestellt worden sind.

Was geschieht nach der Zurückstellung?

Die von der Zurückstellung betroffenen Kinder besuchen nach Möglichkeit einen „Schulkindergarten“ oder eine ähnliche die Entwicklung fördernde Einrichtung. Verbleiben nach Ablauf der Zurückstellungszeit Zweifel, ob das Kind nunmehr mit Aussicht auf Erfolg am Unterricht der Grundschule teilnehmen kann, so wird geklärt, ob sonderpädagogischer Förderungsbedarf besteht.

Fazit

Bei Ihrer Ermessensentscheidung haben Sie sich stets zu fragen, ob trotz der bestehenden Defizite eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht nicht auch durch schulische Fördermaßnahmen gewährleistet werden kann. In der Praxis erfolgt die Zurückstellung gegen den Willen der Eltern selten. Übrigens: Auch nach Beginn des Schuljahres ist eine Zurückstellung unter Umständen noch möglich. Dass der Amtsarzt bei der Schulfähigkeitsprüfung vor der Einschulung keine Bedenken geäußert hat, steht einer solchen, späteren Zurückstellung nicht zwingend entgegen.

Bildnachweis: New Africa/stock.adobe.com

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