Keine Sonderregeln im Kindschaftsrecht
Besondere Einschränkungen oder Vorgaben für die Wahrnehmung des elterlichen Sorgerechts oder des Umgangsrechts sind bislang nicht zu verzeichnen. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, konkrete Regelungen der elterlichen Rechte/Pflichten angesichts der Pandemielage vorzunehmen. In den anstehenden Reformvorhaben (Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts; Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes) sind keine Sondervorschriften für Pandemiesituationen enthalten. Die Familiengerichte haben von einer Pandemie-Rechtsprechung nahezu abgesehen. Ein Corona-Familienrecht ist nicht entstanden.
Fortgeltung bestehender Regeln
Daher gelten sämtliche gesetzlichen oder zwischen den Eltern vereinbarten Regelungen unverändert fort. Allenfalls die praktische Umsetzung dieser Regeln ist naturgemäß durch die Pandemielage und die entsprechende Vorgaben der Landesgesetzgeber eingeschränkt. Dies birgt insbesondere die Problematik, dass die Eltern bei der Umsetzung gerade des Umgangsrechtes im Falle ihrer Trennung unter Umständen zwei landesrechtliche Regelungen zu beachten haben, so sie in unterschiedlichen Bundesländern leben.
Sorgerecht
Die Pandemie hat an dem Grundsatz, dass gemeinsam sorgeberechtigte Elternteil sich bei Entscheidungen für das Kind grundsätzlich gemeinsam einigen müssen, nichts geändert. Getrennt lebende Eltern behalten dagegen lediglich für alltägliche Entscheidungen ein alleiniges Entscheidungsrecht. Praktische Auswirkungen hat die Pandemielage aber insoweit, als die konkrete Gefahrenlage – auch gerade außerhalb Deutschlands – dazu führen kann, dass vormals alltägliche Bereiche nunmehr nicht mehr als alltäglich einzustufen sind und daher einer gemeinsamen elterlichen Entscheidung bedürfen. Gleichwohl haben die Mehrzahl der Familien damit verbundene Probleme durch solidarisches Verhalten entschärft.
Umgangsrecht
Die sich mit der Pandemielage befassenden familiengerichtlichen Entscheidungen hatten im Wesentlichen das Umgangsrecht zum Gegenstand. Naturgemäß war gerade dieses von den Kontaktbeschränkungen betroffen, weil der Wechsel von Kindern aus dem Haushalt des Obhuts in denjenigen des Umgangsberechtigten und auch der dabei zurückgelegte Weg den Kontakt-/Bewegungsbeschränkungen widerspricht. Gleichwohl bestand hier schnell eine politische und im Übrigen auch rechtliche Einigkeit, dass die Wahrnehmung des Umgangsrechtes im Grundsatz einschränkungslos zu erfolgen hatte. Die sog. Kernfamilie, die auch getrennt lebende Eltern erfasst, blieb unangetastet. Als Problem stellte sich dann eher heraus, inwieweit einzelne Umgänge von konkreten pandemiebedingten Umständen (z. B. Erkrankung eines Elternteils oder des Kindes) betroffen waren. Es zeigte sich insoweit, dass gerade der obhutsberechtigte Elternteil seinen Widerwillen in der Gewährung des Umgangsrechtes mit Hinweisen auf die Pandemielage zum Ausdruck brachte. Die Familiengerichte haben dem schnell ein Gegenzeichen gesetzt.
Familiengerichtsbarkeit
Die Familiengerichtsbarkeit war durch den Lockdown des Frühjahrs zunächst auf ein Minimum heruntergefahren, nahm nach Beendigung desselben die Tätigkeiten wieder in gewohnten Umfang auf und befindet sich nunmehr erneut in einer Phase erheblicher Einschränkungen. Gleichwohl ist zu verzeichnen, dass es bislang in keiner Phase zu einem pandemiebedingten Stillstand der Familienrechtspflege oder zu unangemessenen Verfahrensverzögerungen gekommen ist. Die Pandemie-Auswirkungen betreffen (neben der Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen) eher einzelne Verfahrensmaßnahmen wie die Anhörungen von Beteiligten.
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