Dr. Katrin Lattner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am AB Pädagogik der frühen Kindheit der Universität Leipzig.
Prof. Dr. Petra Strehmel
Professorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.
Prof. Dr. Susanne Borkowski
Professorin für Kindergesundheit an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Die Herausforderungen unserer Zeit könnten nicht komplexer sein: Stichwort Klimawandel, Fachkräftemangel, Corona, Ukraine-Krieg usw. Sie alle treten als sog. „Stapelkrisen“ auf und zeichnen die eue „Normalität“ aus. Speziell die Corona-Pandemie prägt(e) nachhaltig das Aufwachsen von Kindern, das Zusammenleben von Familien, genauso wie den Alltag des pädagogischen Fachpersonals in Kitas. Die damit verbundene starke Arbeitsverdichtung und der massive Druck durch immer neue, teils kaum praktikable Vorschriften (Kemper et al., 2022; Harbecke et al. 2022), führten bei den Fach- und Leitungskräften u.a. zu Erschöpfungszuständen (Autorengruppe Corona-KiTa-Studie, 2021) und psychosomatischen Beschwerden (wie z. B. Kopf- und Rückenschmerzen, das Gefühl des Ausgelaugt-seins, Müller, 2021).
Wenn es darum geht zu klären, was dabei hilft solche krisenhaften Zeiten zu bewältigen und nicht von den negativen Gefühlen übermannt zu werden oder gar zusammen zu brechen, dann wird oft der Begriff der Resilienz ins Feld geführt. In diesem Beitrag erfahren Sie, was darunter verstanden wird, welche Herausforderungen für die Kita-Beschäftigten in der Corona-Pandemie zu bewältigen waren und wie schließlich die Resilienz der Teams gestärkt werden kann.
Begriffliche Bedeutung von Resilienz
Resilienz bedeutet so viel wie „Elastizität“ oder „Spannkraft“. In psychologischen Fachkreisen bezeichnet der Begriff eine psychische Widerstandfähigkeit gegenüber Stress sowie die Fähigkeit, sich schnell an Veränderungen anzupassen, von starkem Stress zu erholen und die Handlungsfähigkeit wieder zu erlangen. Dabei kommen resilienten Menschen bspw. ihre ausreichend vorhandenen Problemlösestrategien, ihre hohen Selbstregulationskompetenzen, genauso wie ihr ausgeprägtes Selbstvertrauen, ihre emotionale Stabilität sowie Humor in Verbindung mit der Fähigkeit, bei Bedarf Hilfe zu erbitten zu Gute (Bengel, Meinders-Lücking & Rottmann, 2009). Jedoch wird Resilienz erst beim bei Auftreten eines Risiko- oder Belastungsfaktors sichtbar. Dies ist vergleichbar mit unserer Immunität z.B. durch eine Impfung: Die Immunisierung führt nicht allgemein zu einer Steigerung des Wohlbefindens, verändert aber die Auseinandersetzung mit dem spezifischen Krankheitserreger in eine positive Richtung.
Eine erste Verwendung des Begriffs der Resilienz findet sich bei Emmy Werner. Unter ihrer Leitung startete 1955 auf der Insel Kauai (Hawaii) eine der bedeutendsten entwicklungspsychologischen Längsschnittstudien (Werner & Smith, 2001). Ziel war es, den Lebensverlauf der Kinder von Geburt bis ins Erwachsenalter zu verfolgen und langfristige Konsequenzen vorgeburtlicher Komplikationen, risikoreiche Entwicklungsbedingungen für die individuelle Entwicklung sowie die Anpassungsfähigkeit zu erfassen. Im Ergebnis zeigte sich, dass sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene trotz widriger Bedingungen (wie z.B. Armut, Arbeitslosigkeit, Sucht und psychische Erkrankungen der Eltern) positiv entwickelten. Als besonders bedeutsam sind z.B. für Kinder eine vertraute Bezugsperson, die sie fördert, an sie glaubt und sie in ihrem Selbstvertrauen stärkt (das müssen nicht die Eltern sein). Resilienz ist demnach nicht von der Veranlagung abhängig, sondern entwickelt sich im Zuge der Sozialisation in der Kindheit, kann aber auch im späteren Leben bspw. durch positive Selbstwirksamkeitserfahrungen (u.a. bei der Arbeit) und entgegengebrachtes Vertrauen gefördert werden.
Was unterscheidet individuelle Resilienz von Teamresilienz?
Der Begriff der Resilienz bezieht sich aber nicht nur auf Individuen, sondern wird auch im Zusammenhang mit Teams verwendet. Resiliente Teams sind in der Lage, ihre Handlungsfähigkeit in Situationen, die von Veränderung und Unsicherheit geprägt sind, aufrechtzuerhalten, indem sie gemeinsam Probleme lösen, sich flexibel an Veränderungen anpassen und improvisieren (Stoverink et al., 2020). Rückschläge werden eher als Herausforderungen oder Wachstumschancen (Eustress) und nicht als Bedrohung (Distress) verstanden (Hobfoll, 2002). Sie bewältigen Stresssituationen durch die Bündelung vielfältiger Erfahrungen, Wissensbestände und Perspektiven im Umgang mit der Krise. Dadurch sind sie in der Lage, sich nach Krisensituationen vergleichsweise schnell(er) zu erholen sowie ihre Gesundheit und ihre Ressourcen wiederherzustellen (Hartwig et al., 2020; Meneghel, Salanova & Martinez, 2016).
Widerstandsfähige Teams profitieren folglich in kritischen Ausnahmesituationen von einem Resilienzklima (Lundberg & Ranking, 2014). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass sich das Team „blind“ versteht, alle Teammitglieder über die Ziele bzw. (veränderte) Aufgaben Bescheid wissen, Erwartungen geklärt, aber auch die teaminternen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten bekannt sind. Besonders eine klare Kommunikationskultur bzw. offene Fehlerkultur, die an eine Bereitschaft des Teams gekoppelt ist, sich auf neue und kreative Wege und Lösungen auch unter schwierigen Bedingungen einzulassen, scheint eine belastbare Basis bzw. wichtige Ressource zu sein (Rolfe, 2019).
In der Pandemie wurde die Bedeutung der Resilienz der Kita-Teams besonders deutlich: Teams, die vor der Pandemie schon gut zusammengearbeitet hatten und damit vertraut waren, gemeinsam Problemlösungen zu entwickeln, kamen besser durch die Krise als Kita-Teams mit bereits vorher ungelösten Konflikten („Matthäus-Effekt“). Außerdem halfen in dieser Zeit bestehende Unterstützungssysteme (z.B. Träger, Kita-Leitung, Fachberatung), praktische Hilfen (u. a. Arbeitsvorlagen, Corona-Hotline) und vorhandene – individuelle und teambezogene – Ressourcen (wie z.B. Optimismus, Gelassenheit, Kommunikationsstärke) den pädagogischen Teams, mit der Vielzahl und Vielfalt an parallel zu bewältigenden Anforderungen umzugehen. Allerdings ist das Thema der Teamresilienz in Coronazeiten bisher nicht systematisch untersucht worden. Erste Anhaltspunkte lassen sich aber aus den vorliegenden Daten zur Fachkräftegesundheit während der Pandemie ableiten.
Pandemiebedingte Herausforderungen in Kitas
Der politische Maßnahmenkatalog zur Eindämmung der Pandemie führte in der praktischen Umsetzung in den Kitas zu vielfältigen – je nach räumlichen, technischen und personellen Gegebenheiten variierenden – „Realisierungsproblemen“, einer monatelangen „Arbeit auf Distanz“ im Team und einem erlebten „Bruch“ mit der vertrauten Normalität im pädagogischen Alltag (Lattner et al., 2022). Pädagogisch-konzeptionelle Leitlinien, Austauschmöglichkeiten zwischen den Fachkräften (wie z. B. Dienstbesprechungen), die Kommunikation mit Eltern (sog. Tür-und-Angel-Gespräche) sowie die Beziehungsgestaltung mit den Kindern wurden in der bisherigen Form durch immer wieder neue Verordnungen und Vorgaben (Einrichtung fester Bezugsgruppen, Betretungsverbot für Eltern, Tragen von Alltagsmasken etc.) infrage gestellt (Lattner et al., 2022). Anstelle dessen rückten andere Themen in den Fokus des Kita-Alltags: Das Management ständig neuer Abläufe (u.a. bedingt durch das Abstandsgebot, Betretungsverbot der Eltern), die Organisation und Kontrolle der Umsetzung der Test- und Dokumentationspflichten, Umverteilung von Aufgaben im Team (u.a. bedingt durch krankheits- oder quarantänebedingte Personalausfälle bei fehlenden Springer-Fachkräften), Durchführung eines digitalen Informationsmanagements im Zuge der Elternzusammenarbeit genauso wie die Aufgabe, die Ängste von Eltern und Kolleg:innen aufzufangen und nicht zuletzt die Kompensation kurz- und langfristiger Folgewirkungen (u.a. psychische Auffälligkeiten, Defizite im sprachlichen und sozial-emotionalen Bereich der Kinder, Lattner et al., 2022). Insgesamt zeigt sich die Notwendigkeit der Stärkung der Resilienz des pädagogischen Fachpersonals hier sehr deutlich.
Stärkung der Resilienz der pädagogischen Fachkräfte und Teams
An dieser Stelle sind u.a. Kita-Leitungen oder Fachberatungen gefragt, pädagogische Fachkräfte in ihrer professionellen (Weiter-)Entwicklung zu fördern. Neben Übungs- und Reflexionsräumen bspw. in Fort- und Weiterbildungen, Supervisionen und Coachings bedarf es auch einer Anerkennung für Erfolge. Gleichzeitig gilt es das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken und positive Emotionen im Team zu kultivieren (Stichworte: Teamkultur, Stärkung des WIR-Gefühls, salutogener Führungsstil, vgl. Strehmel, 2020), z.B. indem der Aufbau enger kollegialer Beziehungen (Aufstockung der Teamtage für eine kontinuierliche Teamentwicklung etc.) unterstützt und für kreative Exploration und Entspannungspausen im Arbeitsprozess gesorgt wird. Dadurch kann ein unterstützendes soziales Netz entstehen, das – ergänzt um gegenseitige fachliche Beratungen – für Entlastung sorgt und die Selbstwirksamkeit bzw. Handlungskompetenz der Beteiligten durch Partizipationsmöglichkeiten stärkt (Lattner et al., 2022). Damit alle pädagogischen Fachkräfte in einer Kita handlungsfähig sind bzw. bleiben, sind ebenfalls funktionierende Informationswege und Transparenz im Arbeitsalltag notwendig. Nützlich hat sich dabei eine unterstützende, ermutigende und wertschätzende Form der Kommunikation erwiesen, die letztlich die (Team-)Resilienz stärkt.
Resilienz der Teams in Kitas fördern können Fachkräfte und auch Leitungskräfte nicht allein. Vielmehr müssen Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen den anspruchsvollen Qualitäts- und Leistungsanforderungen (festgeschrieben in den Bildungsprogrammen der Bundesländer) angepasst werden, was insbesondere den Handlungsbereich der Fachpolitik und Träger berührt. Eine Entlastung der Kita-Leitungen in ihrem Aufgaben- und Verantwortungsspektrum durch den Träger, z.B. durch zusätzliche Kräfte für (krisenbedingte) nicht-pädagogische Zusatzaufgaben (wie z.B. verwaltungstechnische Aufgaben und bei der Umsetzung der Hygienemaßnahmen), sog. Alltagshelfer:innen, könnten hier erste Schritte sein (Lattner et al., 2022).
Fazit
Um die Krisenfestigkeit der Kitas für die Zukunft zu gewährleisten, sind alle Ebenen im System der frühkindlichen Bildung gefragt: Fach- und Leitungskräfte, Träger, aber auch die Fachpolitik tragen zu einer guten pädagogischen Qualität bei und können Überforderungen der Fachkräfte vermeiden helfen. Gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen, soziale Unterstützung innerhalb der Einrichtung und im Sozialraum unterstützen die Kita-Beschäftigten in Zeiten erhöhter Anforderungen und Verantwortung im Umgang mit Widrigkeiten und ermöglichen darüber hinaus eine Stärkung der (Team-)Resilienz.
Literatur
Autorengruppe Corona-KiTa-Studie (2021). 5. Quartalsbericht der Corona-KiTa-Studie (III/2021). München: DJI, online unter: https://corona-kita-studie.de/quartalsberichte-der-corona-kita-studie [Zugriff am 27.09.2022].
Bengel, J., Meinders-Lücking, F. & Rottmann, N. (2009). Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen – Stand der Forschung zu psychosozialen Schutzfaktoren für Gesundheit. Band 35. Köln: BZgA, online unter: https://shop.bzga.de/pdf/60635000.pdf [Zugriff am 08.12.2022].
Harbecke, L., Dederer, V. & Broda-Kaschube, B. (2022). Kita-Leitung in Zeiten von Corona. Studie im Rahmen des Projekts „Landesweite Befragung von Leitungen in Kindertageseinrichtungen: Leitungsprofile und Bedarfe“. IFP-Projektbericht 40/2022. München.
Hartwig, A., Clarke, S., Johnson, S. & Willis, S. (2020). Workplace team resilience: A systematic review and conceptual development. Organizational Psychology Review, 10 (3-4), 169–200.
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Kemper, T., Colbasevici, L. & Espenhorst, N. (2022). Kita-Bericht 2022 des Paritätischen Gesamtverbandes. Berlin: Der Paritätische Gesamtverband, online unter: https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/broschuere_kitabericht-2022.pdf [Zugriff am 28.09.2022].
Lattner, K., Otto, A., Strehmel, P. & Borkowski, S. (2022): Fachkräftegesundheit in Kitas in Zeiten von Corona. Was sagt „die Forschung“? FORUM Jugendhilfe, 4/2022 (Hg. Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ), 56–61.
Lundberg, J. & Rankin, A. (2014). Resilience and vulnerability of small flexible crisis response teams: Implications for training and preparation. Cognition, Technology & Work, 16, 143–155.
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Müller, I. (2021). Ergebnisse der Umfrage in den Kindertagesstätten im DRK Kreisverband Parchim e.V. zur Analyse der psychischen Gesundheit pädagogischer Fachkräfte unter der Belastung der Auswirkungen in der Coronapandemie. DRK Kreisverband Parchim e.V.
Rolfe, M. (2019). Resiliente Teams: Flexibel, konfliktfähig und tolerant in der Zusammenarbeit. Berlin, Heidelberg: Springer.
Stoverink, A. C., Kirkman, B. L., Mistry, S. & Rosen, N. (2020). Bouncing back together: Toward a theoretical model of work team resilience. Academy of Management Reviews, 45 (2), 395–422.
Strehmel, P. (2020). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen: Personalmanagement. In P. Strehmel & D. Ulber (Hrsg.), Kitas leiten und entwickeln. Ein Lehrbuch zum Kita-Management (2., aktualisierte Auflage, S. 135-194). Stuttgart: Kohlhammer.
Werner, E. „E. & Smith, R. (2001). Journeys from Childhood to Midlife. Risk, Resilience and Recovery. London: Cornell University press.