Die Modelle und Konzepte von Medienkompetenz bzw. digitaler Kompetenz klären in den meisten Fällen nicht, welchen theoretischen Ansatz von Kompetenz sie verwenden. Die Übersicht über die verschiedenen Begrifflichkeiten, ausgehend von Medienkompetenz über Medienbildung und Informationskompetenz hin zu digitaler Kompetenz im deutschsprachigen Raum hat deutlich gemacht, dass es zwar eine Vielzahl von Ansätzen und Konzepten dazu gibt, fast alle aber vollkommen untheoretisch den Kompetenzbegriff übernehmen, ohne diesen näher bestimmt zu haben. Schaut man sich die einzelnen Komponenten der Konzepte an, dann lässt sich oft zweifeln, ob diese überhaupt als eine Kompetenz beschrieben werden können, wie etwa bei der Anschlusskommunikation bei Groeben (Groeben, 2002) oder Identitätssuche und Orientierung bei Schelhowe (Schelhowe, 2009).
Zwar gehen alle Ansätze davon aus, dass auf Medien bezogene Kompetenzen erlernbar sind, aber diese Kompetenzen zentrieren meist auf kognitive und handhabbare Aspekte, weniger bis kaum dagegen auf motivationale, volitionale, soziale oder Verantwortungsaspekte. Auch findet nicht immer eine Abstufung ab. Zudem lässt sich fast immer direkt oder auch indirekt eine Zentrierung auf Kinder und Jugendliche und weniger auf Erwachsene und ältere Menschen ausmachen. Auch werden die Ansätze häufig stark im Zusammenhang mit Bildungsinstitutionen bzw. ‚digitaler Bildung‘ angesprochen, wogegen andere Domänbereiche wie etwa im Kontext der Arbeitswelt oder Ökonomie fast kaum thematisiert werden. Insgesamt betrachtet, besteht also der Bedarf einer differenzierteren Ausarbeitung der Modelle von Medienkompetenz besonders in Bezug auf Erweiterung über kognitive Aspekte hinausgehend, einer Abstufung von Kompetenzen bezüglich unterschiedlicher Niveaus sowie einer theoretischen Begründung des Kompetenzbegriffs. Der Begriff ‚Digitale Kompetenz‘ wird zwar häufig verwendet, in der Literatur lässt sich jedoch keine ausreichende wissenschaftliche Auseinandersetzung dazu finden, die sich zudem noch an dem Kompetenzmodell von Weinert orientiert.
Aber auch die internationalen besonders bezogen auf anglo-amerikanische sowie europäische Ansätze zeigen ähnliche Defizite auf. Sie erweitern zwar die engen Aspekte von Medienkompetenz in den deutschsprachigen Ansätzen um Begriffe wie Verantwortung und Ethik, lassen aber eine kompetenztheoretische Basis vermissen. Jedoch erweisen sie sich in dem Sinne brauchbar, dass sie ein abgestuftes System von Kompetenzen einführen.
Eine Problemsituation? Zu bewältigende Aufgaben durch Kompetenz lösen
Was allen vorliegenden Ansätzen von Medienkompetenz, digitaler Kompetenz oder mit ähnlichen Begriffen versehenen Ansätzen fehlt ist die explizit bei Weinert (Weinert, 2001) formulierte Aufgaben- bzw. Lösungsorientierung, auf die hin Kompetenzen ausgerichtet sind. Dies bedeutet, dass eigentlich vor einer Auflistung von Kompetenzbereiche oder –domänen eine Analyse von Problemsituation vorzunehmen wäre, die deutlich macht, dass die zu bewältigende Aufgabe erst durch eine Kompetenz zu bewältigen ist. Die gerade in deutschsprachigen Ansätzen vorfindbare Behauptung, man sollte im Umgang mit digitalen Medien dies und das wissen und können ist in diesem Sinne wissenschaftlich bzw. empirisch nicht fundiert.
Insgesamt muss der Diskussion um Kompetenzen in Bezug auf digitale Medien vorgeworfen werden, dass der schon länger vorliegender Ansatz von Kompetenzen von Weinert als Grundlage ihrer Konzeptionen nicht aufgegriffen und in Bezug auf digitale Medien nicht angewandt wird. Der Kompetenzbegriff wird in allen aufgeführten sowie auch in der Literatur vorfindbaren Ansätzen untheoretisch und undifferenziert verwendet. Dies ist ein großes Manko der gesamten Diskussion um digitale Kompetenz.
Darauf müssen Sie bei der Förderung von Medienkompetenz achten
Müssen Kinder dies denn alles können? Sicher nicht alles, aber es ist wichtig dass sie die verschiedenen Aspekte, die Medien ansprechen, kennen und mit ihnen kompetent umgehen können. Nun ist es nicht nur so dass Kinder mit den Medien kompetent sein sollten, sondern auch wir Erwachsene müssen lernen in den genannten Bereichen mit den Medien angemessen umzugehen. In dieser Hinsicht ist Medienkompetenz eine Fähigkeit, die wir alle in der Mediengesellschaft erwarten sollten. Je früher wir diese erwerben, desto eher kann man davon ausgehen, dass Medienkompetenz uns hilft, in der Medienwelt zurecht zu kommen.
Der erste Ort Familie:
Die ersten Erfahrungen dazu können Kinder schon in der Familie sammeln, denn dort ist der Ort, in dem sie die ersten Erfahrungen mit Medien machen. Sind die Eltern ein gutes Vorbild, dann können Kinder schon recht früh lernen, angemessen und verantwortlich mit Medien umzugehen. Aber dazu müssen auch die Eltern erst befähigt werden. Deswegen ist es wichtig, im Rahmen von Eltern- bzw. Familienbildung entsprechende Angebote zu machen. Auch lassen sich Eltern gut über die pädagogischen Einrichtungen wie Kindergarten und Schule erreichen. Elternabende oder Projekte mit Eltern können ihnen zum einen helfen, den Medienumgang ihrer Kinder besser zu verstehen. Zum anderen können sie unter Anleitung von Pädagoginnen und Pädagogen Strategien kennen lernen, wie sie selbst und auch ihre Kinder angemessen mit Fernsehen, Video und Computer umgehen. Wie vielfältige Untersuchungen jedoch zeigen, sind nur die wenigsten Eltern auf diese Rolle vorbereitet bzw. zeichnen sich selbst als medienkompetente Mediennutzer/-in aus. Hier besteht also eine besondere medienpädagogische Herausforderung, Eltern so zu qualifizieren, dass sie ihre medienerzieherischen Aufgaben kompetent wahrnehmen können. Dies kann zum einen darin bestehen, dass sie selbst erst einmal medienkompetent gemacht werden, was heißt, ihnen einen Einblick in Medienentwicklungen zu geben und sie zu befähigen, mit neuen Medien auch umgehen zu können. Zum anderen müssen ihnen medienpädagogische Konzepte vermittelt werden, wie sie angemessen auf den Kindern und Jugendliche Erfahrungsräume für den Umgang und die Nutzung neuer Medien eröffnen und wie sie mit problematischen Situationen, in denen die Medien über andere Aktivitäten dominieren, reagieren.
Medienpädagogische Konzepte und Hilfestellungen entwickeln:
Der Umgang mit den neuen Medien wie Computer und Internet ist im Verhältnis zum Fernsehen ebenfalls noch nicht dramatisch, wobei jedoch gesehen werden muss, dass es Gruppen von Kindern gibt, die recht häufig und ausufernd vor den Bildschirmen sitzen. Medienpädagogik und damit verbundene öffentliche Diskussionen sollten deshalb differenzierender argumentieren und sich besonders mit dieser Gruppe auseinandersetzen. Für sie müssen medienpädagogische Konzepte und Hilfestellungen entwickelt werden. Insgesamt sollten wir jedoch den Medienkonsum von Kindern in heutiger Zeit distanzierter betrachten und dabei auch nach den positiven Aspekten fragen und nicht immer nur auf die negativen schauen. Damit werden wir der Bedeutung von Medien im Leben von Kindern im 21. Jahrhundert nicht gerecht.
Im Kindergarten stehen Kinder selbst im Mittelpunkt der Bemühungen, Medienkompetenz zu vermitteln. So können sie schon in kleinen Projekten lernen was die Stärken und die Schwächen der einzelnen Medien sind. Auch der Computer kann hier schon eine Rolle spielen, da er viele Angebote zum kreativen Arbeiten und Gestalten eröffnet.
Der entscheidende Ort ist die Schule:
Ein entscheidender Ort zum Erwerb von Medienkompetenz stellt jedoch die Schule dar. Hier bekommen vor allem die Lehrer/-innen eine besondere Aufgabe, indem sie zum einen Medien in ihren Unterricht einbeziehen, um deutlich zu machen, dass man mit Medien kommunizieren und informieren kann. Zum anderen können an den Medien selbst im Unterricht die wesentlichen Aspekte von Medienkompetenz deutlich gemacht und erworben werden. Doch genau an dieser Stelle besteht ein großes Defizit in unserer Gesellschaft. Denn viele Lehrer/-in haben in ihrer Ausbildung selbst nicht gelernt, angemessen mit Medien, besonders mit den neuen Medien, umzugehen. Doch sind in den letzten Jahren vermehrt Fortbildungsangebote gemacht worden, um Lehrer/-in Medienkompetenz zu vermitteln. Nur so, in dem in der Schule und im Unterricht selbst Medien auch eingesetzt und verwendet werden, können Kinder und Jugendliche jene Erfahrungen sammeln, die wichtig sind, um Medienkompetenz zu erwerben.
Lehrer/-in können diese Aufgabe am Besten bewältigen, wenn sie selbst ihren Medienumgang reflektieren, sich auch den neuen Medien und ihren Potenzialen gegenüber öffnen und sich kritisch, aber konstruktiv mit diesen auseinandersetzen. Medien sind ein großer Teil der Lebenswelt heutiger Kinder und sollten nicht so einfach aus der Schule ausgeschlossen werden.
Nicht zu Letzt spielt aber auch der außerschulische Bereich eine bedeutsame Rolle, da hier Kinder und Jugendliche erreicht werden können, die entweder aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder wegen mangelnder Unterstützung in der Schule keine Möglichkeit bekommen, sich für den Umgang mit Medien zu qualifizieren. Entsprechende Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit sollten vor allem die kreativen und sozialen Möglichkeiten der Medien in den Mittelpunkt stellen und dabei die Chancen eröffnen, Medienkompetenz zu erwerben.
Reicht dies aber alleine schon aus? Natürlich nicht! Auch die Medien selbst tragen eine große Verantwortung, indem sie versuchen sollten zum einen den Umgang mit ihnen so einfach wie möglich zu gestalten, zum anderen aber auch ihre Inhalte so zu transportieren, dass Kinder und Jugendliche davon nicht beeinträchtigt werden. Das heißt, dass wir in der Gesellschaft eine Diskussion darüber führen müssen, welche Rolle die Medien dort spielen und welche Grenzen sie einhalten müssen. Nur wenn hier ein Konsens darüber besteht, dass Medien einerseits eine interessante und wichtige Erweiterung unserer Kommunikationsmöglichkeiten darstellen, andererseits damit aber auch neue Probleme entstehen können, mit denen wir lernen müssen umzugehen, kann Medienkompetenz einen bedeutenden Raum in unserer Gesellschaft und im Bildungssystem einnehmen.
Ziel sollte es sein, die Medienkompetenz nicht als eine besondere Qualifikation auszuzeichnen, sondern in diese allgemeinen Kompetenzen zu integrieren. Erziehung und Bildung bzw. pädagogisches Handeln kann heute nicht mehr davon abstrahieren oder den Umstand ignorieren, dass wir in einer Mediengesellschaft aufwachsen bzw. leben. In diesem Sinne sind alle Kompetenzen, um gesellschaftlich angemessen und kritisch Handeln zu können in dieser Mediengesellschaft notwendig.