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Recht & Verwaltung16 September, 2024

Verzicht auf Zugewinn und Schenkungsteuer

Dr. Christof Münch, Notar, Kitzingen

Der vorliegende Inhalt ist ein Vorabauszug der 6. Auflage von Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, die Sie hier bestellen können.

Der spätere Verzicht auf eine zunächst geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung soll Schenkung sein, sofern er nicht entgeltlich etwa im Rahmen von Kompensationen geschieht.1619 Dies kann insb. infrage kommen, wenn nach der Beendigung des Güterstandes noch Regelungen getroffen werden.

Hinweis: Der Verzicht auf eine geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung kann Schenkung sein!

Ein vorheriger Verzicht wird nach § 517 BGB nicht als Schenkung angesehen,1620 zumal es sich um ein familienrechtliches Geschäft eigener Art handelt, das einen Bereicherungswillen ausschließt.

Der Verzicht auf künftigen Zugewinn, für den eine Gegenleistung erbracht wird, war nach der Rechtsprechung des BFH ebenso der Schenkungsteuer unterworfen, wie der Verzicht auf einen etwaigen künftigen Unterhaltsanspruch gegen Gegenleistung, weil der Verzicht nur im Hinblick auf eine Erwerbschance abgegeben worden sei.1621 An anderer Stelle1622 wurde bereits ausführlich dargestellt, dass die zivilrechtliche Notwendigkeit von Kompensationsleistungen zur Vermeidung einer Sittenwidrigkeit i.R.d. Inhaltskontrolle sehr gegen die Rechtsprechung des BFH spricht. Ehegatten schenken sich bei vorsorgenden Eheverträgen i.d.R. nichts, sondern verhandeln hart um entsprechende Kompensationen für Verzichte.1623 Zudem leistet die Kompensation ehevertraglich die inzwischen in der Literatur vehement geforderte Wertschätzung der Familienarbeit1624 und gleicht hierdurch entstehende Nachteile aus. Mehr und mehr bezweifeln familienrechtliche Stimmen, dass solche vertraglichen Abreden oder überhaupt Zuwendungen unter Ehegatten als schenkungsteuerlich relevante Zuwendungen qualifiziert werden dürfen und sprechen sich für eine Harmonisierung zwischen Familienrecht und Steuerrecht aus und gegen eine Disprivilegierung von Zuwendungen, die während der Ehe erfolgen, gegenüber den bei Scheidung zu leistenden Zahlungen.1625 Auch der BGH hat sich für eine Zuwendung bei gleichzeitigem Erbverzicht für eine Entgeltlichkeit ausgesprochen.1626 Mit seiner Entscheidung vom 01.09.2021 nun beschritt der BFH1627 neue Wege. Ohne auf die Vorentscheidungen oder die zivilrechtliche Diskussion einzugehen, schuf der BFH ein völlig neues Begriffspaar für die Schenkungsteuer:1628 Pauschalabfindung versus Bedarfsabfindung.1629 Als Pauschalabfindung bezeichnet der BFH eine Zahlung gegen Verzicht auf mögliche künftige Zugewinnausgleichsansprüche vor Eingehung der Ehe. Diese sieht der BFH weiterhin als unentgeltlich an. Bei der Bedarfsabfindung hingegen verneint der BFH eine Unentgeltlichkeit. Sie hat zur Voraussetzung,

  • dass es sich um eine umfassende individuelle Regelung der Scheidungsfolgenansprüche abweichend von den gesetzlichen Leitbildern handelt;
  • dass die Zahlung erst für die Beendigung der Ehe vereinbart ist und auch dann erst zu zahlen ist, daher »Bedarfsabfindung«; wenn die Abfindung gänzlich aus der Schenkungsteuerbarkeit herausfällt, käme es nicht mehr darauf an, ob die Zahlung vor oder nach Rechtskraft der Scheidung erfolgt.1630
  • dass es sich um eine »Gesamtpaket« handelt, aus dem keine Einzelleistung ohne Gegenleistung isoliert werden kann und das einem umfassenden Interessenausgleich dient.

Einen sehr deutlichen Hinweis auf diese Bedarfsabfindung vermag der Vertragsgestalter zu geben, wenn die Abfindung in ihrer Höhe auch von der Dauer der Ehe abhängt oder auf die Leistungen Bezug nimmt, die der Begünstigte seinerseits für die Familie erbringt.1631 Die Entscheidung des BFH bringt erste Begründungsansätze, die sicher noch weitere Erläuterungen benötigen.1632 So wird etwa vertreten, dass die Grundsätze auch für Vereinbarungen gelten, die während der Ehe geschlossen wurden.1633

Der Charakter eines Gesamtpaketes wird nach der anderweitigen Kommentierung des Autors1634 nicht dadurch in Frage gestellt, dass für die einzelnen Scheidungsfolgen getrennte Gegenleistungen ausgeworfen werden oder dass der Vertrag – wie üblich – eine salvatorische Klausel enthält.

Fraglich wird sein, wenn die zivilrechtliche Regelung alleine des Güterstandes entsprechend dem Ratschlag »weniger ist mehr« erfolgt, um nicht die Unwägbarkeiten der Inhaltskontrolle etwa im Unterhaltsrecht auf die zentrale Güterrechtsfolge durchschlagen zu lassen, ob dies für ein »Vertragskonvolut« ausreicht. Möglicherweise sollten dazu die anderen Ansprüche durchgegangen und als passend bestätigt werden. Jedenfalls ist es ratsam, die Zahlung erst bei Scheidung vorzusehen, wobei eine vorherige Sicherheit für die erst dann geschuldete Abfindung nicht schädlich sein sollte.

Da der BFH von der Beendigung der Ehe spricht, ohne dies auf den Scheidungsfall zu beschränken, müssten die Gedanken der Entscheidung auch für den Todesfall nutzbar sein, so dass man auch hier eine steuerfreie Bedarfsabfindung sehen kann.1635 Dies würde dann anstelle einer Modifizierung der Zugewinngemeinschaft mit einem verbleibenden – ggf. aber modifizierten – Zugewinn beim Tod eine Gütertrennung mit Bedarfsabfindung erlauben.1636

Die Finanzverwaltung hat auf diese Entscheidung prompt mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.1637 Dieser Nichtanwendungserlass genügt angesichts der Weiterentwicklung der Rechtsprechung durch den BFH mit der Neueinführung des Begriffes der Bedarfsabfindung nicht den Mindestanforderungen an die Begründung eines solches Erlasses und ist daher – wie an anderer Stelle ausführlich gezeigt wurde1638 – unzulässig. Nichtsdestotrotz gibt es ja kein Moratorium für Eheverträge bis dies geklärt ist. So ist darauf zu hoffen, dass der BFH weitere bei ihm anhängige Verfahren1639 dazu nutzt, seine Rechtsprechung zu verfestigen und dem Nichtanwendungserlass den Boden zu entziehen.

Gerade angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit aufgrund des geschilderten Nichtanwendungserlasses versucht die Gestaltungspraxis die Leistung der Abfindung in jedem Fall in einen Zeitraum zu legen, der noch zur Steuerklasse I gehört.1640 So schlägt etwa Ihle vor, die Leistung vor Rechtskraft der Scheidung zu erbringen und einen Rückgewähranspruch festzuschreiben, wenn es nicht zur Scheidung kommt.1641 Dann wird sich freilich das Problem stellen, wie dieser Rückgewähranspruch gesichert werden kann. Letztlich geht aus dem bisherigen Urteil des BFH nicht hervor, ob eine Zahlung bei Trennung vom BFH auch als Bedarfsabfindung eingestuft wird.1642

Eine Leseprobe aus der neuen Auflage des Werkes finden Sie hier.

Fußnoten:
1619 R E 5.2. Abs. 1 Satz 2 ErbStR.
1620 Sontheimer/Kollmar, E Rn. 243; Viskorf, NWB Fach 10, 1243, 1252 (2001); Schlünder/Geißler in
C. Münch, Familienrecht, § 18, Rn. 237 m.w.N. Weber, FamRZ 2023, 1682, 1686. Z.T. wird aber
auch geraten, hier in wichtigen Fällen verbindliche Auskünfte einzuholen, Sontheimer, NJW 2001,
1315, 1319.
1621 BFH, DStRE 2007, 1516; BFH, DStR 2008, 348 ff .
1622 C. Münch, DStR 2008, 26 ff .; C. Münch, FPR 2012, 302 ff .; zustimmend Geck, DNotZ 2008, 347, 355,
Weber, FamRZ 2023, 1682, 2686; C. Münch in Amend-Traut, Familie und Recht, S. 153 ff .
1623 Vgl. C. Münch, ZEV 2007, 501; Wälzholz, FR 2007, 638, 644; Geck, DNotZ 2008, 355.
1624 Hierzu C. Münch, FamRB 2018, 247 ff
1625 So eindrücklich Brudermüller, FF 2012, 280, 283; in ähnliche Richtung Grziwotz in FS Hahne, 153 ff .
1626 BGH, NJW 2016, 324.
1627 BFH v. 01.09.2021 – II R 40/19 – DStR 2022, 148 m. Anm. Kugelmüller-Pugh = ZEV 2022, 163 m. Anm. Münch; zu dieser Entscheidung eingehend Münch, DStR 2022, 781 ff.; anders die Vorentscheidung des FG München, ZEV 2020, 448.
1628 Dass die Vorgehensweise als moderne Variante des Brautkaufs bezeichnet wird, so dass die Zahlung der Einkommensteuer unterliege, sei an dieser Stelle unkommentiert nur als Hinweis aufgenommen; so Bonefeld/Daragan, RFamU 2022, 263 f.
1629 Eine neue Wortschöpfung, die zuvor auch Suchmaschinen im Internet nicht entdecken. Kritik an der Begrifflichkeit von Weber, FamRZ 2023, 1682, 1687, weil Bedarf eine unterhaltsrechtliche Kategorie sei.
1630 So Ihle, notar 2023, 39, 40.
1631 So Kugelmüller-Pugh, DStR 2022, 150.
1632 So auch Schlünder/Geißler, FamRZ 2022, 596, 598; Milzer, Kap. 2, Rn. 35 spricht davon, dass diese Rechtsprechung mehr Fragen aufwirft, als sie löst. 1633 Geck, DNotZ 2023, 13, 20.
1634 Münch, DStR 2022, 781, 784
1635 Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 7, Rn. 496: »könnte so zu verstehen sein«.
1636 Dem folgend Bonefeld/Daragan, RFamU 2022, 263, 266.
1637 Oberste Finanzbehörden der Länder v. 13.10.2022, BStBl. 2023 I, 203 = DStR 2023, 524.
1638 Münch, DStR 2023, 2321 ff .
1639 Etwa II R 48/21, Vorinstanz FG Hamburg, EFG 2023, 564.
1640 Milzer, NZFam 2023, 246.
1641 Ihle, notar 2023, 39, 48.
1642 Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 7, Rn. 496 unter Berufung auf den Autor.

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