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Recht & Verwaltung09 Mai, 2023

Widerspruch und Beschwerde – Wie können sich Schüler:innen gegen Noten wehren?

Marco Bijok, Experte für Schulrecht

Lesezeit: ca. 10 Minuten

Wenn Schüler:innen oder deren Eltern mit der Notenvergabe nicht einverstanden sind, drohen sie immer häufiger mit „juristischen Schritten“ und dem Gang vors Gericht. Doch können Schüler:innen überhaupt gegen eine bestimmte Note klagen? Es kommt darauf an…

Das sagt das Recht

Genauer kommt es darauf an, ob es sich bei der jeweiligen Maßnahme der Schule im Zusammenhang mit einer Leistungsbewertung oder Prüfung um einen sog. Verwaltungsakt im Sinne von § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes handelt. Ist dies der Fall, so ist Rechtsschutz in Form eines Widerspruchs (vor der Behörde) und einer Verpflichtungsklage (vor Gericht) möglich. Für die Qualifizierung als „Verwaltungsakt“ ist erforderlich, dass es sich um eine Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme handelt, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Im schulischen Kontext ist dies bejaht worden für:

  • Die Entscheidung über die (Nicht-)Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe (Versetzungsvermerk)
  • Die (Nicht-)Zulassung zur Abiturprüfung oder sonstigen Abschlussprüfungen
  • Die Feststellung des (Nicht-)Bestehens der Abiturprüfung oder einer sonstigen Abschlussprüfung
  • Kursabschlussnoten aus der Qualifikationsphase in der gymnasialen Oberstufe
  • Abschluss- und Abgangszeugnisse
  • Einzelnoten auf Bewerbungszeugnissen mit möglichen nachteiligen Auswirkungen für die spätere berufliche Laufbahn


Wird also etwa die Versetzung verweigert, kann der Schüler Widerspruch und ggf. Verpflichtungsklage erheben. Überprüft werden dann die Versetzungsentscheidung als solche, ferner die dieser zugrunde liegenden Einzelnoten im Zeugnis und schließlich die Bewertungen der Einzelleistungen wie der Klausuren, auf denen die Zeugnisnoten beruhen. Auch die Bewertung mündlicher Leistungen kann dabei überprüft werden, was aber zumeist an praktischen Schwierigkeiten scheitert.

Außerhalb der o.g. Fälle sind bei einzelnen Noten – also etwa der Note für eine bestimmte Klassenarbeit – für sich genommen kein Widerspruch und auch keine Verpflichtungsklage möglich, da es sich hierbei in aller Regel nicht um Verwaltungsakte handelt. Nach dem Schulrecht der Länder besteht bei schulischen Bewertungen, die keinen Verwaltungsaktcharakter haben, ein sog. „Überdenkensanspruch“ (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 30.06.1994, 6 C 4/93). Schüler:innen bzw. deren Eltern haben einen Anspruch darauf, dass die jeweilige Lehrkraft ihre Bewertungsentscheidung im Wege einer verwaltungsinternen „Richtigkeitskontrolle“ überdenkt. Dieser Anspruch wird im Wege einer Beschwerde geltend gemacht, die bei der Schulleitung einzulegen ist, die die Sache der handelnden Lehrkraft zur erneuten Überprüfung vorlegt.

Bei dieser Beschwerde, um die es im Folgenden gehen soll, treffen den Schüler allerdings bestimmte Hinweispflichten. Sämtliche Einwände gegen die Benotung müssen konkret und nachvollziehbar begründet werden. Hierfür genügt es nicht, pauschal geltend zu machen, die Benotung sei „zu streng“ oder fehlerhaft gewesen. Fehlt der Beschwerde eine entsprechende Begründung, so besteht weder für die Schule noch die Schulaufsicht eine Veranlassung zu eigener Fehlersuche. Eine Ausnahme besteht insoweit für offensichtliche Bewertungsfehler (z.B. falsche Addition der für die Einzelaufgaben vergebenen Punkte).

Macht der Schüler geltend, eine als falsch bewertete Antwort sei in Wirklichkeit zumindest „vertretbar“, so ist dies unter Hinweis auf konkrete Literaturstellen (Fachliteratur, Schulbücher) näher darzulegen. Auch hier genügt die pauschale Behauptung nicht. Damit werden die Anforderungen an die Begründung der Beschwerde auch keineswegs überspannt. Denn die jeweilige Quelle aus der Literatur muss dem Schüler (oder seinen Eltern) ja vorgelegen haben, wenn er seine Behauptung „ernst meint“.

Spiegelbildlich müssen Lehrkräfte ihre Bewertungen von Prüfungsleistungen hinreichend begründen. Denn anderenfalls ist Schüler:innen ein Hinweis auf etwaige Irrtümer und Rechtsfehler naturgemäß nicht möglich. Dieser Zweck bestimmt auch Inhalt und Umfang der Begründung. Sie muss es erlauben, die grundlegenden Gedankenzüge des Prüfers, die zu einer bestimmten Bewertung geführt haben, nachzuvollziehen. Unproblematisch sind schriftliche Arbeiten, bei denen eine bestimmte Fehlerzahl eine bestimmte Note auslöst. Hier reichen im Allgemeinen die die Fehler aufzeigenden Randbemerkungen und die entsprechende Umrechnungstabelle. Schon wesentlich problematischer ist etwa die Bewertung eines Deutsch-Aufsatzes. Hier sind deutlich ausführlichere Begründungen erforderlich.

Zum Zwecke einer wirksamen Rechtsverfolgung besteht zudem ein Recht der Schüler:innen sowie ihrer Sorgeberechtigten auf Einsicht in etwaige einschlägige Unterlagen, etwa in getrennt niedergeschriebene Korrekturbemerkungen oder Protokolle (insb. bei mündlichen Prüfungen).

Wer überprüft die Bewertung?

In einem ersten Schritt hat grundsätzlich diejenige Lehrkraft die Leistung erneut beurteilen, die die ursprüngliche Bewertung vorgenommen hat. Das gebietet der das Prüfungs- und Bewertungsrecht bestimmende Grundsatz der Chancengleichheit. Die Überprüfung durch die bereits zuvor befasste Lehrkraft stellt am ehesten sicher, dass dieselben Maßstäbe, Erwartungen und Erwägungen wie bei der ersten Benotung und wie bei allen anderen Kandidaten der Vergleichsgruppe zugrunde gelegt werden. Nur der ursprüngliche Prüfer ist in der Lage, seine eigenen Erwägungen durch Überdenken der dagegen gerichteten Einwendungen in Frage zu stellen (Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 30.06.1994, 6 C 4/93).

Um einem möglichen Einwand von Elternseite gleich zu begegnen: Aus dem Umstand allein, dass die konkrete Lehrkraft schon einmal mit der Benotung der Arbeit befasst war, kann nicht geschlossen werden, sie sei nunmehr befangen. Eine Befangenheit kommt allerdings in Betracht, wenn sich etwa aus Äußerungen des ursprünglichen Prüfers ergibt, dass dieser sich bereits darauf festgelegt hat, eine Änderung der Note komme nicht in Betracht. In diesem Fall hat die Neubewertung ausnahmsweise durch neue Prüfer zu erfolgen (Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 24.02.1993, 6 C 38/92). Unterschiedlich wird dabei gesehen, ob vor Bewertung durch die neuen Prüfer die Korrekturbemerkungen der ausgeschiedenen Prüfer zu entfernen sind. M.E. ist das zu bejahen. Eine von Grund auf neue, unvoreingenommene Gesamtbewertung ist nur dann sichergestellt, wenn der neue Prüfer nicht bereits durch die Anmerkungen des Vorkorrektors (ggfs. auch nur unbewusst) in eine bestimmte, gedankliche Bahn gelenkt wird.

Verbleibt die Lehrkraft bei ihrer Bewertung, hilft also der Beschwerde nicht ab, so wird der Vorgang in einem zweiten Schritt der Schulaufsichtsbehörde vorgelegt, es sei denn der Beschwerdeführer akzeptiert die Bewertung nunmehr. Der Umfang dieser fachaufsichtlichen Überprüfung ist in den Ländern unterschiedlich ausgestaltet. In Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dürfen pädagogische Bewertungen durch die Aufsichtsbehörde nur korrigiert werden, wenn Verfahrens- oder Rechtsvorschriften verletzt wurden, bei Annahme falscher Voraussetzungen, sachfremden Erwägungen oder bei einem Verstoß gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe. Hier unterliegt die fachaufsichtliche Überprüfung demnach im Wesentlichen denselben Einschränkungen wie eine gerichtliche Überprüfung.

In den anderen Bundesländern bestehen demgegenüber nur geringfügige oder keinerlei Einschränkungen der Fachaufsicht. Die Prüfungskompetenz umfasst hier sowohl die Recht- als auch die Zweckmäßigkeit. Konkret bedeutet dies, dass die Schulaufsichtsbehörde im Rahmen einer Notenbeschwerde auch die pädagogische Zweckmäßigkeit, d.h. zum Beispiel das Anspruchsniveau einer Klassenarbeit oder die Strenge einer Bewertung, überprüfen darf.

In der juristischen Literatur und in der Rechtsprechung ist dies allerdings nicht unumstritten. Für diese umfassende Prüfungskompetenz wird angeführt, dass durch sie die Einheitlichkeit der Bewertungspraxis gefördert werden kann. Außerdem verfügen die Schulaufsichtsbeamten – anders als Verwaltungsrichter – über die nötige pädagogische und fachliche Kompetenz. Gegen eine derart weitgehende Prüfungsbefugnis wird demgegenüber Folgendes vorgebracht: Bei der Bewertung etwa einer Klassenarbeit oder der Vergabe einer Zeugnisnote handelt es sich um ein höchstpersönliches Fachurteil der Lehrkraft. Es beruht auf der Kenntnis der von allen Schülern einer Klasse oder eines Kurses erbrachten Leistungen und bezieht auch die Entwicklung der Leistungen des einzelnen Schülers sowie seiner Vergleichsgruppe über einen gewissen Zeitraum mit ein. Von der Lehrkraft wird ein persönliches Urteil in einer komplexen, nicht wiederholbaren Situation erwartet. Aus all diesen Gründen wird vertreten, dass das Urteil der Lehrkraft – auch außerhalb von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen – nicht durch eine eigene pädagogische Beurteilung der Fachaufsicht ersetzt werden darf. Im Übrigen sind einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde ohnehin bereits „natürliche“ Grenzen gesetzt: Mündliche Prüfungsleistungen sind nicht wiederholbar und auch nicht Wort für Wort protokolliert. Hier scheidet eine Überprüfung der pädagogischen Zweckmäßigkeit einer Bewertung grds. schon deshalb aus, weil der Schulaufsichtsbehörde die für eine eigene Urteilsbildung unverzichtbare unmittelbare Eindruck fehlt. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 01.12.1978, 7 C 68/77) hält dazu fest:

Eine Begrenzung verwaltungsinterner Kontrollmöglichkeiten mag sich (…) daraus ergeben, dass die Bewertung einer Leistung die volle Kenntnis der Leistung voraussetzt. Leistungen, die etwa im Prüfungsgespräch erbracht worden sind, wird eine übergeordnete Behörde, deren Organwalter der Prüfung nicht persönlich beigewohnt haben, im allgemeinen nicht mehr uneingeschränkt selbst bewerten können.

Mein Rat

Häufig führt der Austausch mit der Schulaufsicht zu einer nachgebesserten, nunmehr rechtssicheren Begründung und nicht zu einer Aufhebung der Erstbewertung.

Denken Sie noch an das Verbot der „reformatio in peius“ (Verschlechterungsverbot). Bittet Sie ein Schüler um nochmalige Korrektur seiner Klausur (die Sie z.B. mit „Drei Minus“ bewertet haben) und entdecken Sie nun bei der Durchsicht weitere Fehler in der Arbeit des Schülers, die eine schlechtere Benotung (Vier) rechtfertigen würden, dürfen Sie diese schlechtere Note nicht verteilen.

Praxistipp: Notenbeschwerden

  • Statthaft bei Beurteilungen, die keine Verwaltungsakte sind
  • Beschwerde einzulegen bei der Schulleitung
  • Einwände gegen Note müssen konkret und nachvollziehbar begründet werden
  • Voraussetzung: hinreichende Begründung der Bewertung und Akteneinsichtsrecht der Schüler
  • Zuständig für „Überdenken“ ist grds. der ursprüngliche Prüfer
  • Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, ist die Schulaufsichtsbehörde zuständig
  • Prüfungsumfang der Schulaufsichtsbehörde ist umstritten

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