Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer "differenzierten Preisabrede" bei einem Vorkaufsrecht des Mieters.
Die Klägerin war seit dem Jahr 2011 Mieterin einer kleineren, unsanierten Wohnung in Berlin, die sich in einem Mehrparteienhaus befand. Die Beklagte war die Eigentümerin des Hauses und Vermieterin. Sie teilte dieses im Jahr 2015 in Wohnungseigentumseinheiten auf. Die Beklagte verkaufte mit notariellem Vertrag vom Dezember 2016 die an die Klägerin vermietete Wohnung an die Erstkäuferin. Der Kaufvertrag enthielt folgende Vereinbarung:
"Der Kaufpreis für den vorbezeichneten Grundbesitz beträgt 163.266,67 Euro (…). Die Parteien gehen davon aus, dass Bemessungsgrundlage des Wohnungskaufpreises in Höhe von 163.266,67 Euro die Lieferung des Wohnungseigentums ohne Mietverhältnis mit einem Dritten ist. Der Kaufgegenstand ist derzeit vermietet. (...) Wird das Wohnungseigentum entgegen vorstehender Beschreibung mit dem laufenden oder einem anderen Mietverhältnis geliefert, mindert sich der Kaufpreis um 10 % auf 146.940,00 Euro für das Wohnungseigentum."
Der Kaufvertrag enthielt außerdem eine "salvatorische Klausel".
Die Klägerin übte das ihr als Mieterin zustehende Vorkaufsrecht aus. Sie betonte, dass sie die getroffene Kaufpreisregelung für unwirksam halte, da der vorkaufsberechtigte Mieter einen um 10 % höheren Kaufpreis zahlen solle als der Erstkäufer. Sie bezahlte 163.266,67 Euro unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückforderung an die Beklagte.
Das LG hat der auf Rückzahlung von 16.326,67 Euro nebst Zinsen gerichteten Klage mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat im vorliegenden Urteil vom 23.02.2022 - VIII ZR 305/20 - herausgestellt, dass der Klägerin als vorkaufsberechtigter Mieterin aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos über den Betrag von 146.940 Euro hinaus geleisteten Kaufpreises, also in Höhe von 16.326,67 Euro zusteht.
Die teilweise Unwirksamkeit der Preisabrede ergebe sich allerdings nicht aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschrift des § 577 Abs. 5 BGB, die sich nur auf eine hier nicht vorliegende unmittelbar mit dem Mieter getroffene Vereinbarung beziehe. Die Unwirksamkeit folge vielmehr aus § 577 Abs. 1 S. 3, § 464 Abs. 2 BGB sowie aus dem Verbot, einen Vertrag zu Lasten Dritter zu schließen.
Die Klägerin habe der Beklagten für den Erwerb der Eigentumswohnung nur Bezahlung eines Kaufpreises in Höhe von 146.940 Euro geschuldet, sodass sie die Zahlung der 16.326,67 Euro ohne Rechtsgrund erbracht habe.
Der Klägerin habe ein Vorkaufsrecht in Bezug auf die von ihr seinerzeit als Mieterin genutzte Eigentumswohnung zugestanden, welches sie rechtswirksam ausgeübt habe.
Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses wäre der Kaufpreis für die Erstkäuferin um 16.326,67 Euro geringer ausgefallen als für die Mieterin bei Ausübung des Vorkaufsrechts. Diese Kaufpreisabrede zwischen der Beklagten und der Erstkäuferin sei unwirksam, da es sich bei dieser Teilabrede um eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter handele.
Solche Vereinbarungen, durch die die Rechtsposition eines Dritten ohne dessen Mitwirkung verkürzt werden soll, seien in der Regel unwirksam.
Daher sei die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Erstkäufer als Drittem getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, in Bezug auf den höheren Preis unzulässig.
Dies gelte auch dann, wenn der Erstkäufer, wie hier in der Preisabrede vorgesehen, den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise unter bestimmten engen Voraussetzungen zu entrichten habe, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts immer schulde. Denn auch in diesem Fall liege eine Verkürzung der ihm gesetzlich eingeräumten Rechtsposition vor.
Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision der Beklagten keinen Erfolg hat.
Praktische Bedeutung
Mit dem vorliegenden Urteil hat der BGH zu der umstrittenen Frage einer Zulässigkeit von "differenzierten Preisabreden" in Kaufverträgen über eine mit einem Mietervorkaufsrecht belastete Wohnung Stellung genommen.
Der BGH weist hierbei darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des gesetzlichen Mietervorkaufsrechts für den Fall des erstmaligen Verkaufs einer in Wohnungseigentum umgewandelten Mietwohnung einerseits den Schutz des Mieters vor einer Verdrängung aus seiner Wohnung infolge einer Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung durch einen Dritterwerber bezweckt. Andererseits er aber auch das Ziel verfolgt, das Interesse des Mieters an einem Erwerb der Wohnung zu schützen, insbesondere wenn dieser aus seiner Sicht günstig ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2015 - VIII ZR 51/14).
Der Gesetzgeber hat es nach Ansicht des BGH hingenommen, dass der Mieter in den Fällen, in denen die Vermietung an ihn zu der Vereinbarung eines entsprechend niedrigeren Kaufpreises zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Erstkäufer geführt hat, bei Ausübung seines Vorkaufsrechts - wirtschaftlich betrachtet - von diesem Umstand profitiert.