ESG ergänzt klassische Faktoren bei der Kreditvergabe
ESG (Environmental Social Governance) spielt für Banken und Versicherungen in zweifacher Hinsicht eine wichtige Rolle. Zum einen müssen die Unternehmen natürlich darauf achten, die Richtlinien selbst umzusetzen und zu „leben“. Es geht also beispielsweise darum, eigene Emissionen zu reduzieren, Prozesse nachhaltig zu gestalten, sich für Gleichstellung und faire Bildungs- und Aufstiegschancen zu engagieren oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fördern.
Eine noch deutlich entscheidendere Rolle spielen zum anderen aber die sogenannten finanzierten Emissionen, also die Emissionen, an denen Finanzdienstleister indirekt beteiligt sind, in der Regel im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Kreditvergabe und Versicherungsaktivitäten. Im Fokus steht hier der Blick auf die ESG-Umsetzung bei den Kunden der Finanz- und Versicherungsdienstleister.
Banken und Versicherungen und den mit ihnen verbundenen Zahlungsströmen und Risiko-Absicherungen kommt schon aus politischer Sicht eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der Klima- bzw. Energiewende zu. Der Grad der Umsetzung von ESG-Richtlinien wird etwa bei der Kreditvergabe immer mehr zum Faktor und ergänzt klassische Kriterien wie die Bonität.
Hinsichtlich der Berichtspflichten der Finanzdienstleister kommt darüber hinaus die EU-Taxonomie ins Spiel. Hier scheint sich die sogenannte Green Asset Ratio (GAR) zu einer neuen zentralen Kennzahl zu entwickeln, was im Zuge der Offenlegung sehr komplexe Datenanforderungen und Datenaggregationen erfordert. All dies wirkt sich auf Bereiche wie Finanzierungen und Kapitalanlagen aus und wird in den Finanzinstituten und Versicherungen in der Bedeutung weiter steigen. Gleichzeitig entsteht hier der Bedarf nach passenden Softwarelösungen und Plattformen, mit denen sich die erforderlichen Daten und KPIs überhaupt effizient und vollständig erheben, aggregieren und offenlegen lassen.
Der Wissensstand in der Branche ist noch unterschiedlich
Aktuell ist ESG für die Finanz- und Versicherungsbranche noch ein relativ junges Thema, das sich fortlaufend weiterentwickelt. Das spiegelt sich auch in einem teilweise noch unterschiedlichen Wissensstand wider – zu beobachten ist beispielsweise, dass es häufig eher jüngere Beschäftigte sind, die das Thema innerhalb ihrer Unternehmen vorantreiben.
Auch die Sichtweisen differieren je nach Segment. In Banken beispielsweise wird ESG häufig als Chance angesehen, an der Finanzierung des erforderlichen Wandels zu partizipieren und als Berater der Kunden im Bereich der Transition zu agieren. Für Asset Manager stehen häufig Beratungsleistungen rund um ESG sowie neue Produkte im Vordergrund – wichtige Aspekte sind hier Möglichkeiten, das ESG-Rating positiv zu beeinflussen. Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch Ansätze, die in Richtung eines reinen „Greenwashings“ ohne echte Verankerung in den Prozessen und in der Unternehmenskultur gehen.
Innerhalb der Versicherungsbranche sind es vor allem Rückversicherer, die beim Thema ESG schon seit Jahren mit besonderer Dynamik vorgehen, was auch mit den damit verbundenen – und für Rückversicherer sehr relevanten – Klimarisiken zusammenhängt.
Insgesamt ist zu erkennen, dass ESG mit deutlich größerer Ernsthaftigkeit behandelt wird. Die verpflichtende Offenlegung wird dies nochmals stark befeuern. Ein wichtiger Faktor wird dann die Exposure-Messung, Steuerung und Performance Management sein. Es wird weiterhin viele durch NGOs getriebene Standards geben und weitere wie von den G20 vorangetriebene, von IFRS (ISSB) umgesetzte, kommen hinzu. Excel wird nicht ausreichen insbesondere, wenn es um Steuerung, Konsistenz, Prüfungssicherheit und prozessualer Industrialisierung geht. Die Datenanforderungen alleine sind und werden außergewöhnlich hoch sein.
Datenanforderungen und ganzheitliche Herangehensweise
Die aktuell größten ESG-Herausforderungen für Unternehmen im Bereich Financial Services liegen entsprechend darin, die Datenanforderungen zu erfüllen und die ESG-Thematik nachhaltig im gesamten Unternehmen zu verankern. Die Anforderungen, z.B. für die EU-Taxonomie zu erhebende Daten, sollten keinesfalls unterschätzt werden, denn teilweise sind extrem detaillierte Richtlinien und Kriterien zu erfüllen. Ein Beispiel hierfür sind etwa die DNSH-Bewertungskriterien („Do No Significant Harm") beim Neubau von Immobilien. Hierbei handelt es sich um technische Bewertungskriterien, die auf die sechs zentralen Umweltziele der EU-Taxonomie abgestimmt sind – also vom Klimaschutz über den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft bis hin zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Am praktischen Beispiel gezeigt, sind sogar Informationen über den Einsatz von wassersparenden Toilettenspülungen erforderlich – und wir setzen hier erst Teilbereiche von „E“ um, ohne „S“ und „G“.
Ein anderer oft entscheidender Punkt ist, ESG nicht als punktuelle, isolierte Aufgabe zu betrachten, sondern im gesamten Unternehmen zu berücksichtigen und umzusetzen. Ob Strategie, Unternehmenskultur, HR, IT, Finance, Risikomanagement – alle Bereiche müssen einbezogen werden. Auf Mikro-Ebene reicht das bis hin zu der Frage, wie energieeffizient, klimafreundlich und ESG-gerecht produziert die von Beschäftigten eingesetzten Endgeräte sind oder mit welchen Verkehrsmitteln der Weg zur Arbeit erfolgt.
Green Asset Ratio rückt vermehrt in den Fokus der Finanzdienstleister
Vielfach kommt die Frage auf, welche Auswirkungen ESG auf andere Unternehmen und letztlich auch Verbraucher haben kann – ob also beispielsweise damit zu rechnen ist, dass Kredite aufgrund von ESG generell teurer werden. Hiermit ist (mit Betonung auf dem Wort „generell“) allerdings nicht zu rechnen. Dies liegt beispielsweise daran, dass die Banken mit Blick auf ihre eigene Green Asset Ratio ein Interesse daran haben, vorrangig „Taxonomie-konforme“ Aktivitäten zu finanzieren und so mit niedrigeren Zinssätzen für solche Finanzierungen reagieren. Gleichzeitig ermöglichen „grüne Anleihen“ den Instituten im Gegenzug eine kostengünstigere Möglichkeit der Refinanzierung. Dies kann eher dazu führen, dass die Schere zwischen Anleihen mit guten ESG-Ratings und anderen weiter auseinandergeht. Wichtig ist hier, nicht nur auf das „E“ in ESG – also vereinfacht ausgedrückt auf die Umwelt- und Klimaaspekte – zu achten, die derzeit häufig noch im Vordergrund stehen. Auch Aspekte, die unter „S“ und „G“ fallen, werden künftig im Rahmen der EU-Taxonomie auch bei Finanz- und Versicherungsprodukten eine immer wichtigere Rolle spielen.
Fazit
Auch in der Finanz- und Versicherungsbranche stecken ESG und die damit verbundenen Offenlegungs- und Reporting-Umsetzungen vielfach noch in den Kinderschuhen, die hohen und steigenden Anforderungen sind meist schon bekannt. Die Entwicklung schreitet aber schnell voran und auch Wissen und Know-how nehmen kontinuierlich zu. Die Bedeutung Taxonomie-konformer Aktivitäten und Nachhaltigkeitsberichte wird sich für Banken und Versicherer und als Konsequenz des nötigen Kapitalzuganges für Nichtfinanzunternehmen weiter massiv erhöhen. Die Professionalisierung der Nachhaltigkeitsoffenlegung und des Reportings ist ein strategisches Thema für Fachbereiche und IT, das nun in das Zentrum von Branchen rückt.
Im kürzlich aufgezeichneten CPM FactCast: Was Sie über ESG wissen sollten erörterte eine Runde aus Experten von 4C Group, ifb und KPMG unter Moderation von Wolters Kluwer, was ESG genau für die Unternehmensführung bedeutet.
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