von Prof. Dr. Armin Schneider | Herausgeber der KiTa aktuell für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Direktor des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB)
Geld ist genug da! … aber nicht für Kinder und Jugendliche
Mehr Geld für Masken als für die Kinderbetreuung
Nein, es geht mir nicht um Verschwörungstheorien, Sozialneid, „die da oben“ oder Gejammer und Forderungen nach mehr Geld. Nein, ich möchte einfach nur einige Zahlen kommentieren, die ich, sehr verwundert, in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgeschnappt habe. Diese Zahlen haben mir gezeigt, welche Werte in Wirtschaft und Gesellschaft zählen und wie politische Mechanismen funktionieren. Dabei scheint es mir angebracht, gerade für den Bereich der Kindertagesbetreuung, deren gesellschaftliche Leistung nicht nur in Sonntagsreden herauszustellen (wie z.B. auch die Pflege in Einrichtungen des Gesundheitswesens), sondern die Sorge, um den jeweils anderen in ein anderes Licht zu rücken. Weg vom „Gedöns“ am „Rande des Geschehens“ hin zur Bühne mit entsprechendem Scheinwerferlicht. Eigentlich geht es im Folgenden nur um drei Zahlen: 2.000.000.000 (in Worten: 2 Milliarden), 5.500.000.000 (in Worten: 5,5 Milliarden) und 40.000.000.000 (in Worten: 40 Milliarden) und die Verhältnismäßigkeit dieser für „normale Menschen“ so unvorstellbare Zahlen. Es lohnt sich aber, mit diesen Zahlen zu rechnen.
Dass es immer wieder schwarze Schafe gibt, die sich auch in Krisenzeiten persönlich bereichern ist das Eine, das Andere ist die Tatsache, dass auf Kosten der Steuerzahlenden für die über 60-Jährigen 2 Milliarden Euro ausgegeben wurden. FFP-2 Masken wurden für 1,50 € eingekauft und Apotheken erhielten für jede Maske 6 € vom Bund erstattet. Die Apotheken verdienten also sehr gut an den Masken (vgl. Kampf et al. 2021). Nur zum Vergleich: In jahrelangen Runden, aus denen am Ende das Gute-Kita-Gesetz herauskam, wurde darum gerungen, dass der Bund 5,5 Milliarden Euro (vgl. Cappelan 2018) (im Zeitraum von 3 Jahren) in die Qualität der Kindertageseinrichtungen investiert. Selbst wenn man großzügig davon ausginge (was so nicht der Fall ist), dass z.B. für das Land Rheinland-Pfalz die dort fließenden 80 Millionen Euro pro Jahr direkt den 2.600 Kindertageseinrichtungen zu Gute kämen, wären dies pro Einrichtung zwar mit ca. 30.000 € schon ordentliche Summen, gemessen an den tatsächlichen Kosten der Kindertagesbetreuung machen die 5,5 Milliarden jedoch bundesweit nur einen kleinen einstelligen Prozentsatz aus. Rechnet man noch die Kosten der Verwaltung, des Monitoring, der Evaluation und des dadurch geschaffenen Berichtswesens für die Bundesländer ab, wird deutlich, dass der Nettonutzen für die Kita vor Ort als noch geringer zu beziffern ist.
Dennoch ist das Engagement des Bundes für die Kindertagesbetreuung deutlich zu begrüßen. Ein „Quantensprung“ ist dies allerdings bei weitem noch nicht. Die Gelder können allenfalls zarte Impulse geben. Zudem ist derzeit bei weitem nicht geklärt, ob diese Gelder auch nach 2022 noch vom Bund fließen. Wohlgemerkt: Bei den 5,5 Milliarden geht es um die Zukunft der Kinder in unserer Gesellschaft, nicht um das Wohl eines einzelnen Berufsstandes. Gewiss, es werden und wurden Fehler gemacht, aber waghalsige Entscheidungen zulasten der Allgemeinheit kommen halt teuer zu stehen.
Impfweltmeister sind andere Staaten
Ein Blick in die Statistiken der Impfungen gegen Corona zeigt, das sei den Ländern gegönnt, dass Deutschland bei weitem nicht an der Spitze steht. Gemessen an der Zahl der Impfdosen pro 1.000 Einwohnern liegt Israel mit 1.180 Dosen ganz klar vorne (Stand: 09.04.2021), dahinter die Seychellen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bhutan und Chile. Deutschland liegt mit 205 Dosen pro 1000 Einwohner auf Platz 30, hinter den Ländern Uruguay, Marokko etc. (vgl. ZDF 2021). Hier stellt sich die Frage, ob die Zuordnung von hochentwickelten Staaten und Entwicklungsländern noch zutreffend ist.
Kinder und Jugendliche sind, zumindest in großen Teilen, die Verlierer der Pandemie.
Auch europäische Staaten wie Dänemark, Ungarn und Österreich liegen weiter vorne, vor Deutschland. Ob es an der deutschen gründlichen Bürokratie, dem Gerangel von Verantwortungsträgern oder was auch immer liegt: die Einsicht, dass Deutschland diesbezüglich noch Potenziale hat, bewahrt uns vor einer gewissen Überheblichkeit gegenüber anderen Ländern. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist sicherlich gut, es zeigt aber auch deutliche Schwächen in der Pandemie. Daran gilt es gerade nach der Pandemie zu arbeiten.
Neben diesen nackten Zahlen muss weiter befürchtet werden, dass Kinder in Kitas unzureichend vor dem Virus geschützt werden oder aber dass die Lockdowns zu gravierenden seelischen und sozialen Problemen für Kinder und deren Familien führen. In diesen Zeiten ist es nicht immer einfach die richtigen Entscheidungen zu treffen, in die Kinder kaum einbezogen werden. Kinder und Jugendliche sind, zumindest in großen Teilen, die Verlierer der Pandemie. Ob und wann Kinder in den (hoffentlich!) Genuss einer Impfung kommen, ist derzeit noch nicht klar. Es ist zu befürchten, dass Deutschland auch hier nicht an der Spitze liegen wird.
Die Dividenden bringen Geld und verteilen um – in die falsche Richtung
Trotz Corona schütten deutsche Unternehmen für das Geschäftsjahr 2020 40 Milliarden Dividenden aus ihren Gewinnen an die Aktionäre aus (Tagesschau 2021). Insgesamt, so ist zu vernehmen, sind die Superreichen die Gewinner der Krise. Dividenden kommen all denen zu, die Aktien besitzen und das sind für gewöhnlich Menschen mit einem Vermögen, ärmere Familien profitieren davon ebenso wenig wie Kinder oder Jugendliche.
Es ist schon erschreckend, wie in Zeiten einer Krise die Kluft zwischen Arm und Reich weiter zu wachsen scheint.
Kämen all diese Gewinne der Allgemeinheit zu Gute oder würden hieraus entsprechende Steuereinnahmen generiert werden, wären die finanziellen Lasten der Pandemie sicherlich leichter zu bewältigen. Demgegenüber sind die zaghaften Erleichterungen für ärmere Familien durch Kindergeld kaum von großer Bedeutung. Es ist schon erschreckend, wie in Zeiten einer Krise die Kluft zwischen Arm und Reich weiter zu wachsen scheint.
Fazit
So sehr man auch bemüht ist, angesichts nur dieser drei eher zufällig herausgegriffenen Zahlen zu jammern und zu klagen, so sehr zeigt sich doch, dass hier ein Aufwachen, ein Einmischen, eine Darstellung der Leistungen von Nöten sind. Auch sind Aktionen und politische Initiativen in diesem Superwahljahr gefragt, die dreierlei erforderlich machen:
- Investitionen in die Zukunft sind wichtiger als kurzatmige Aktionen,
- Gesundheitsinvestitionen müssen schneller und wirksamer erfolgen, gerade für Kinder und Jugendliche,
- Gelder sind ausreichend vorhanden, es kommt immer auf die Verteilung an und diese lässt sich politisch beeinflussen.