Synopse zur Schulrechtsreform 2022
Recht & Verwaltung19 Juli, 2022

Gendergerechte Stellenausschreibungen nach dem AGG

Denise Schwarz, Rechtsanwältin bei SKW Schwarz in München
Bei Stellenausschreibungen gelten die Grenzen der Diskriminierungstatbestände des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ob sich Personen jeglichen Geschlechts angesprochen fühlen dürfen, wenn ein Unternehmen „coole Typen“ sucht, entschied das Arbeitsgericht Koblenz.

Grundsatz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes  

Generell gilt: Arbeitgebende müssen sicherstellen, dass Stellenausschreibungen so formuliert sind, dass sich niemand aus dem potenziellen Adressatenkreis diskriminiert fühlt. Es gelten die Grenzen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Danach sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder wegen der sexuellen Identität verboten. Andernfalls drohen Entschädigungsansprüche. Die Regelungen des AGG schützen auch Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis – über allem wacht das Verbot benachteiligender Stellenausschreibungen gemäß § 11 AGG.

In den meisten Stellenanzeigen hat es sich beispielsweise durchgesetzt, nach dem Titel der ausgeschriebenen Rolle den Zusatz „(m/w/d)“ anzuführen. Hierzu sind Arbeitgebende zwar gemäß AGG nicht ausdrücklich verpflichtet. Auf diese Weise bringt man jedoch zum Ausdruck, dass sich Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit angesprochen fühlen sollen.

Die Diskriminierungstatbestände des AGG sind weit gefasst. Ihre rechtliche Bewertung richtet sich maßgeblich nach den vorherrschenden gesellschaftlichen Maßstäben. Hierzu zählt auch der allgemeine Sprachgebrauch. Gerade mit Blick auf das stark wachsende Bewusstsein für gendergerechte Sprache lohnt sich ein Blick auf die Rechtsprechung. Ob beispielsweise die Formulierung „Wir suchen coole Typen“ in einer Stellenanzeige diskriminierenden Charakter aufweist, hatte im Februar 2022 das Arbeitsgericht Koblenz zu entscheiden.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.02.2022 (Az. 7 Ca 2291/21)

Die Klägerin ist transsexuell und ihrem biologischen Geschlecht nach ein Mann.  Die Beklagte hatte im Internet eine Stellenanzeige veröffentlicht, in der es unter anderem hieß:

„Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer ...“

Hierauf bewarb sich die Klägerin und unterfertigte ihre Bewerbung mit „Frau Markus X“. Der Geschäftsführer der Beklagten leitete die Bewerbung per WhatsApp an eine gemeinsame Kundin weiter. Zudem kommentierte er „Was läuft da nur falsch?“ und verwendete einen Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Die Klägerin erhielt eine Absage für die ausgeschriebene Stelle. 
Mit ihrer Klage machte die Klägerin unter anderem Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und des Alters sowie wegen der Weitergabe ihrer Unterlagen an Dritte geltend. 

Sie war der Meinung, der Ausdruck „coole Typen“ würde verdeutlichen, dass die Beklagte lediglich junges Personal suche. Die Verwendung der maskulinen Formen „Typen“, „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ zeige, dass die Beklagte ihre Stellenanzeige ausschließlich an Männer gerichtet habe. Dies zeige ihre Ablehnung gegenüber Personen weiblichen oder diversen Geschlechts.
Die Beklagte hingegen vertrat die Ansicht, die Stellenausschreibung beinhalte keine Altersdiskriminierung, da der Begriff „cool“ keinen Altersbezug aufweise. Das Wort „Typen“ stelle keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, weil der Begriff geschlechtsunspezifisch zu verstehen sei. 

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Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin im Ergebnis eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts und wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung aufgrund der unbefugten Weitergabe der Bewerbungsunterlagen zu. Eine Altersdiskriminierung lehnte es hingegen ab.

Das Gericht befand, dass der Begriff „coole Typen“ weder eine Benachteiligung wegen des Geschlechts noch wegen des Alters darstelle. Dies, weil der Ausdruck „cool“ gesellschaftlich verbreitet sei und nicht auf ein vornehmlich junges Alter schließen lasse. Soweit die Beklagte coole „Typen“ sucht, sei der Begriff „Typ“ grammatikalisch zwar ein maskulines Substantiv, inhaltlich jedoch geschlechtsunspezifisch. Eine feminine Form des Wortes (etwa „Typin“) existiere in der deutschen Sprache nicht und würde im allgemeinen Sprachgebrauch auch nicht verwendet.

Durch die Verwendung der ausschließlich maskulinen Formen „Bauhelfer“ und „Anlagenmechaniker“ bringe die Beklagte jedoch zum Ausdruck, dass sie ihre Stellenausschreibung nur an Männer und nicht an Personen anderen Geschlechts richten wolle. Zwar sei die Klägerin biologisch gesehen als Mann einzuordnen, sie fühle sich jedoch diesem Geschlecht nicht mehr zugehörig. Nach der Rechtsprechung des BAG verstehe das Antidiskriminierungsrecht das Geschlecht nicht als rein biologische Bestimmung. Entscheidend sei, es jeder Person zu ermöglichen, sich so zu entfalten, wie sie es möchte. Ganz unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht. Indem die Klägerin ihre Bewerbung als „Frau Markus X“ unterfertigte, habe die Beklagte ob des maskulinen Erscheinungsbildes gewusst, dass die Klägerin als Frau angesehen und behandelt werden möchte. 

Schließlich sprach das Gericht der Klägerin eine Entschädigung dafür zu, dass die Beklagte die Bewerbung Dritten zugänglich gemacht hatte. Den Arbeitgeber treffe die vorvertragliche Pflicht, die Bewerbungsunterlagen nicht angenommener Bewerber an diese zurückzusenden oder zu vernichten. In jedem Fall seien die Daten vertraulich zu behandeln und nicht externen Dritten zu offenbaren. Im hiesigen Fall kam erschwerend hinzu, dass die Beklagte die Unterlagen nicht nur weitergeleitet, sondern auch mit einem negativen Kommentar versehen hatte.


Fazit und Tipps, um benachteiligende Stellenausschreibungen zu vermeiden 

Arbeitgebende sollten ihre Stellenausschreibungen genau auf mögliche Diskriminierungsfallen prüfen. Dies gilt vor allem, wenn man die Anzeige so gestalten will, dass sie sich von anderen abhebt und „Catch Phrases“ verwendet. Denn was aus der Masse an Stellenanzeigen heraussticht, vermag auch Potenzial für Streitfälle zu bieten. In diesem Einzelfall urteilte das Arbeitsgericht Koblenz, dass die Bezeichnung „coole Typen“ geschlechtsunspezifisch und „Coolness“ letztlich keine Frage des Alters sei. Der Ausdruck „Typin“ existiere in der deutschen Sprache nicht und werde im allgemeinen Sprachgebrauch auch nicht verwendet. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts dürfen sich also auch Frauen oder non-binäre Personen von dem Ausdruck „coole Typen“ angesprochen fühlen. 

Das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz zeigt, dass der allgemeine Sprachgebrauch letztlich die Grundlage für die Auslegung der Diskriminierungstatbestände des AGG bildet. Wie sich diese Auslegung gerade mit Blick auf das im Allgemeinen stark wachsende Bewusstsein für gendergerechte Sprache entwickelt, bleibt abzuwarten. 

Vor diesem Hintergrund darf auch erwartet werden, dass die Gerichte das Thema Diskriminierung und gendergerechte Sprache im Arbeitsumfeld zukünftig vermehrt beschäftigen wird. Dies unterstreicht der folgende Fall: 
Kürzlich verhandelte das Landgericht Ingolstadt über Audis Gender-Leitfaden (Az. 83 O 1394/21). Im März 2021 hatte Audi einen Leitfaden für gendergerechte Sprache herausgegeben, um innerhalb des Unternehmens für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Sprachlich hat sich Audi für den „Gender Gap“ entschieden und aus „Audianern“ nunmehr „Audianer_innen“ gemacht. Ein Mitarbeiter hatte gegen die Verwendung dieses Gender Gaps geklagt. Der Kläger verlangt, dass das Unternehmen es unterlasse, die Nutzung der Kommunikationsregeln vorzuschreiben. Hierzu berief er sich auf die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Der Vorsitzende Richter schlug zur gütlichen Einigung vor, Audi könne den Kläger künftig in herkömmlicher Weise anschreiben. Doch Audi lehnte diesen Vorschlag als nicht praktikabel ab. Es müsse sonst eine Liste angefertigt werden, wer wie angesprochen werden wolle. Dies sei nicht umsetzbar. Das Urteil will die Kammer Ende Juli verkünden.
Denise Schwarz
Denise Schwarz
Rechtsanwältin bei SKW Schwarz in München
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