Die wesentlichen Neuerungen durch die sogenannte Omnibus-Richtlinie zum 28. Mai 2022
Widerrufsrecht bei Verträgen über die Bereitstellung von nicht auf körperlichen Datenträgern befindlichen digitalen Inhalten
Bei Verträgen über die Bereitstellung von nicht auf körperlichen Datenträgern befindlichen digitalen Inhalten erlischt das Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 5 Nr. 1 BGB bei einem Vertrag, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises (sondern als Gegenleistung zur Bereitstellung personenbezogener Daten) verpflichtet, wenn der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat.
Allgemeine Informationspflicht für Betreiber von Online-Marktplätzen
Art. 246d EGBGB normiert in § 1 neue Transparenzpflichten und modernisiert u.a. die Regelungen zu
- Informationen über Rankings,
- Anbietern von auf Vergleichsportalen aufgezeigten Suchergebnissen,
- eventuellen Verflechtungen zwischen Online-Marktplatz-Betreibern und darauf tätigen Anbietern,
- Unternehmereigenschaften von Anbietern,
- der Nichtanwendbarkeit von Verbraucherschutzvorschriften, wenn es sich bei den Anbietern nicht um Unternehmer handelt und
- wer tatsächlicher Vertragspartner des auf dem Online-Marktplatz geschlossenen Vertrags ist.
Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
In Umsetzung der sog. Omnibus-Richtlinie und in Anpassung an jüngere Rechtsprechung treten am 28.05.2022 wichtige Änderungen im UWG in Kraft.
1. Ein Online-Marktplatz ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ein Dienst (virtueller Marktraum), der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c BGB) mit anderen Unternehmern und Verbrauchern abzuschließen – Ranking ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln.
2. Die Vermarktung einer Ware (nicht einer Dienstleistung) als identisch mit einer in anderen EU-Mitgliedstaaten bereitgestellten Ware ist gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG unzulässig, wenn sich die Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist (Irreführung durch Verschleierung von Doppelqualität).
3. § 5a Abs. 4 S. 1 UWG erklärt das Unterlassen der Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks und § 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG das Fehlen einer Information über die Unternehmer-Eigenschaft auf Online-Marktplätzen als Irreführung durch Unterlassen – ebenso wie beim Ranking eines Angebots in den Ergebnissen einer Online-Suchanfrage das Fehlen der Hauptparameter zur Festlegung des Rankings der dem Verbraucher als Ergebnis seiner Suchanfrage präsentierten Waren oder Dienstleistungen sowie der relativen Gewichtung der Hauptparameter zur Festlegung des Rankings im Vergleich zu anderen Parametern. Irreführend sind nach § 5b Abs. 3 UWG auch gefälschte Verbraucherbewertungen.
4. § 9 Abs. 2 UWG gewährt Verbrauchern erstmals einen individuellen Schadensersatzanspruch gegen den Verletzer: Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen grundsätzlich zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
5. § 19 UWG ermöglicht zur Sicherstellung einer reibungslosen Zusammenarbeit der europäischen Verbraucherschutzbehörden in Bezug auf eine effektive Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unions-Dimension die Verhängung eines Bußgeldes im Rahmen koordinierter Aktionen.
6. Im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG (Schwarze Liste) erfolgen Neuregelungen:
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Nr. 11a - Verbot verdeckter Werbung in Suchergebnissen,
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Nr. 23a - Verbot des Wiederverkaufs von Eintrittskarten für Veranstaltungen,
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Nr. 23b - Verbot einer Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen,
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Nr. 23c - Verbot gefälschter Verbraucherbewertungen,
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Nr. 26 in Übernahme von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG - unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel und
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Nr. 32 - Aufforderung zur Zahlung bei unerbetenen Besuchen in der Wohnung eines Verbrauchers am Tag des Vertragsschlusses.
Das neue Kaufrecht in der Praxis
Alle Neuregelungen auf einen Blick: Ein grafisch aufbereiteter und praxisnaher Überblick über die Problempunkte und Lösungsansätze, die sich aus der Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie und der digitalen Dienste-Richtlinie ergeben.
Änderungen der Gewerbeordnung (GewO)
Zum Schutz von Verbrauchern vor aggressiven oder irreführenden Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Verkaufsfahrten normiert § 56a GewO eine Anzeigepflicht für „Wanderlager“ (z.B. Kaffeefahrten), wenn auf diese durch öffentliche Ankündigungen hingewiesen werden soll und die An- und Abreise der Teilnehmer zum Veranstaltungsort im Rahmen einer geschäftsmäßig erbrachten Beförderung durch den Veranstalter bzw. Personen im Zusammenwirken mit diesem erfolgen soll.Ausgenommen sind Veranstaltungen, die von Verbrauchern selbstständig erreicht und verlassen werden (bspw. mit eigenem PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln), d.h. bei selbstständiger Organisation der An- und Abreise zum Veranstaltungsort durch den Verbraucher. Verbraucher, die den Veranstaltungsort nach Belieben wieder verlassen können, befinden sich nämlich nicht in einer Abhängigkeitssituation (Zwangslage).
Die Ankündigung einer solchen Veranstaltung bedarf eines bestimmten Inhalts, um eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Veranstalter zu ermöglichen (einschließlich Telefonnummer und E-Mail-Adresse), und Informationen darüber, unter welchen Bedingungen dem Verbraucher bei Verträgen, die im Rahmen der Veranstaltung abgeschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht. Ein generelles Vertriebsverbot besteht wegen des Adressatenkreises (meist ältere Verbraucher) für Finanzanlagen, Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel.
Änderungen der Preisangabenverordnung (PAngV)
Nach den §§ 4 Abs. 1 (unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Grundpreisangabe) und 5 Abs. 1 PAngV muss in der Mengeneinheit „1 Kilogramm bzw. 1 Liter“ – auch bei Waren, deren Nenngewicht oder -volumen üblicherweise 250 Gramm oder 250 Milliliter nicht übersteigen – transparent angegeben werden.
Wenn wegen drohender Gefahr des Verderbs oder drohendem Ablauf der Haltbarkeit beim Verkauf leicht verderblicher Lebensmittel eine Herabsetzung des Gesamtpreises erfolgt, ist dies unter erleichterten Voraussetzungen möglich.
Die Höhe des Pfandbetrags ist separat anzugeben und darf nicht in den Gesamtpreis mit einbezogen werden (§ 7 PAngV).
Im Falle einer Preisermäßigung ist nach § 11 PAngV der zuvor geforderte Preis – d.h. der niedrigste Preis, der innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisreduzierung gefordert worden ist – mit anzugeben (sog. Streichpreis).
Vorläufiges Resumé
Der 28.5.2022 bringt eine Verbesserung des Verbraucherschutzes, insbesondere mehr Transparenz bei Online-Käufen, Rankings und auf Online-Marktplätzen.
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