Anwaltliche Sorgfaltspflichten bei fristgebundenen Schriftsätzen per beA
Recht & Verwaltung22 Juni, 2022

Anwaltliche Sorgfaltspflichten bei fristgebundenen Schriftsätzen

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Wenn ein Rechtsanwalt in einem arbeitsrechtlichen Verfahren fristwahrende Schriftsätze wie eine Berufungsbegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht versendet, so muss er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend belehren, dass immer der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 S. 2 ArbGG zu kontrollieren ist. Er muss außerdem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchführen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 01.07.2021 sowie um Entgeltdifferenzen für Juli 2021
Das ArbG Berlin hat nach einem vorangegangenen Versäumnisurteil gegen die beklagte Arbeitgeberin mit Urteil vom 04.11.2021 das Versäumnisurteil vom 07.10.2021 aufrechterhalten und die Beklagte verurteilt, an den klagenden Arbeitnehmer, 3.400,00 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 1.542,94 Euro netto zuzüglich Zinsen zu zahlen. Dies hat es damit begründet, dass die Beklagte die betriebsbedingte Kündigung nicht ordnungsgemäß begründet habe.

Gegen dieses Anerkenntnisteil- und Schlussurteil richtet sich die beim LAG Berlin-Brandenburg am 21.12.2021 eingegangene und am 21.02.2022 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.02.2022 begründete Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, dass die vorzutragenden Tatsachen als vom ArbG zu streng betrachtet anzusehen seien.

Mit Schriftsatz vom 21.02.2022 hat die Beklagte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Begründung

Mit dem vorliegenden Urteil vom 14.03.2022 - 2 Sa 1699/21 - hat das LAG Berlin-Brandenburg zu den Überwachungspflichten eines Rechtsanwalts bei einer Berufungseinlegung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) Stellung genommen.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen war, da die Beklagte die Frist zur Begründung der eingelegten Berufung versäumt hat und ihr auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren war.

Die Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht, sie sei ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der Berufung verhindert gewesen.

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprächen den per Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier sei es notwendig, den Versandvorgang selbst zu überprüfen. Dies könne durch eine Kontrolle der dem Telefax-Sendeprotokoll vergleichbaren automatisierten Eingangsbestätigung gemäß § 46c Abs. 5 S. 2 ArbGG erfolgen.

Im konkreten Fall habe die beklagte Arbeitgeberin nicht schlüssig dargelegt, dass sie eine ordnungsgemäß gestaltete Fristen- und Ausgangskontrolle eingerichtet und angewendet habe. Die Beklagte habe nicht ausgeführt, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine Anweisung bestanden habe, dass die Frist zur Berufungsbegründung im Fristenkalender erst nach Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift an das Gericht unter Berücksichtigung der Eingangsbestätigung gestrichen werden dürfe.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte jedoch vielmehr das zuständige Personal dahingehend belehren müssen, dass bei der Übermittlung von Daten per beA immer der Erhalt der Eingangsbestätigung zu kontrollieren sei, und er hätte diesbezüglich zumindest stichprobenweise eine Überprüfung durchführen müssen. Dieses Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei der Beklagten zuzurechnen.

Außerdem habe sich hier die Berufung nur unzureichend mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinandergesetzt. Die Berufung sei daher auch aus diesem Grund als unzulässig zu verwerfen. 

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Praktische Bedeutung

Mit dem vorliegenden Urteil hat LAG Berlin-Brandenburg umfassend zu den Überwachungspflichten bei einer Berufungseinlegung über das beA Stellung genommen.

Das LAG macht in diesem Urteil deutlich, dass hierbei stets durch den Prozessbevollmächtigten der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist. Nach Auffassung des LAG soll die Eingangsbestätigung dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen des Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Wenn der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten hat, besteht nach Auffassung des LAG Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Wenn diese ausbleibt, muss der Rechtsanwalt aus Sicht des Gerichts gegebenenfalls eine erneute Übermittlung veranlassen.

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