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Recht & Verwaltung22 April, 2022

BGH Beschl. v. 02.03.2022, Az.: 5 StR 457/21: Kein Beweisverwertungsverbot bei Verwendung von EncroChat-Daten in Strafverfahren

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Die aus der Überwachung der Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst EncroChat durch französische Behörden gewonnenen Erkenntnisse sind in Strafverfahren verwertbar, wenn sie der Aufklärung schwerer Straftaten dienen.

Sachverhalt

Die Entscheidung befasst sich mit der Verwertbarkeit von EncroChat-Daten in Strafverfahren.

Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. 

In einigen Fällen waren zentrale Beweismittel SMS-Nachrichten des Angeklagten, die er über den Anbieter EncroChat zur Organisation des Drogenhandels versandt hatte. 

Der Angeklagte hat mit seiner Revision u.a. gerügt, dass diese von französischen Behörden 2020 erlangten und der deutschen Justiz übermittelten Daten nicht als Beweismittel hätten verwertet werden dürfen.

Mit seiner Revision macht der Angeklagte eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend.

Entscheidung

Der BGH hat im vorliegenden Beschluss vom 02.03.2022 - 5 StR 457/21 entschieden, dass die von Frankreich übermittelten Daten des Anbieters EncroChat als Beweismittel verwertbar sind, wenn sie wie hier im Fall der Aufklärung schwerer Straftaten dienen. 

Der BGH hat deshalb die Revision des Angeklagten auf Antrag des Generalbundesanwalts verworfen.

In Frankreich habe es 2017 und 2018 Hinweise darauf gegeben, dass Tatverdächtige organisierten Drogenhandel (bis zu 6 kg Heroin und 436 kg Marihuana) über besonders verschlüsselte Mobiltelefone ("Kryptohandys") des Anbieters EncroChat abwickelten. Die französischen Strafverfolgungsbehörden hätten herausgefunden, dass die verschlüsselte Kommunikation zwischen EncroChat-Nutzern über einen im französischen Roubaix betriebenen Server lief. Mit Genehmigung durch ein französisches Gericht hätten sie auf die Daten auf dem Server zugegriffen.

Auf Antrag der französischen Staatsanwaltschaft sei in Frankreich richterlich u.a. die Installation einer Abfangeinrichtung zu den über den französischen Server laufenden und auf den Telefonen gespeicherten Daten ab dem 01.04.2020 genehmigt worden. Staatsanwaltschaft und Gericht seien nach der Auswertung der erlangten Daten von einer "nahezu ausschließlich kriminellen Klientel" der EncroChat-Nutzer ausgegangen.

Dem Bundeskriminalamt seien daraufhin über Europol Erkenntnisse zugeleitet worden, dass in Deutschland eine Vielzahl schwerster Straftaten von EncroChat-Nutzern begangen worden seien. Es sei daher ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet worden. In diesem Verfahren sei im Juni 2020 eine an Frankreich gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Antrag ergangen, die Deutschland betreffenden EncroChat-Daten zu übermitteln und deren Verwendung in deutschen Strafverfahren zu gestatten. Dies habe ein französisches Gericht am 13.06.2020 genehmigt.

Die verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung in der Hauptverhandlung erhobener Beweise sei § 261 StPO. Dies gelte unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise - etwa im Wege der Rechtshilfe - erlangt worden seien.

Die auf die genannte Weise erlangten Daten von EncroChat-Nutzern seien verwertbar. Das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots sei hier nach nationalem Recht zu bestimmen. Ein solches ergebe sich weder aus rechtshilfespezifischen Gründen noch aus nationalem Verfassungs- oder Prozessrecht. Auch die Vorgaben der EMRK stünden einer Beweisverwertung nicht entgegen.

Die Voraussetzungen für eine Beweisverwertung der EncroChat-Protokolle lägen auch nach der gebotenen strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung im vorliegenden Verfahren vor. 
Es gehe um Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die auch im Einzelfall schwer wögen (In einem Fall: Angebot von 5 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 70 %; in einem anderen Fall: Vereinbarung eines Kaufs von 3 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 %, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war). Zudem sei die Erforschung des Sachverhalts ohne diese Beweismittel nicht möglich gewesen. Die Daten beträfen außerdem keine Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.

Praktische Bedeutung

Der BGH hat mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten in Strafverfahren bestätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2022 - 6 StR 639/21).

Nach Auffassung des BGH ist ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten nur in Fällen anzuerkennen, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09). Dies ist jedoch nach Ansicht des BGH bei der Kommunikation über die Planung und Durchführung von Straftaten in aller Regel nicht der Fall.

Darüber hinaus muss die Straftat für eine Verwertbarkeit nach Ansicht des BGH auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein.

Der BGH weist abschließend darauf hin, dass es für die Beweisverwertung der mittels der Europäischen Ermittlungsanordnung erlangten Informationen im deutschen Strafverfahren eine gesetzliche Grundlage in Form von § 261 StPO gibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2011 - 2 BvR 2500/09).

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