Am 01.12.2020 tritt das neue Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz in Kraft. § 48 WEG n.F. enthält sowohl prozessuale als auch materiell-rechtliche Übergangsvorschriften. Soweit keiner der in dieser Übergangsvorschrift geregelten Fälle greift, treten alle materiell-rechtlichen Neuregelungen des Wohnungseigentumsgesetzes mit dem 01.12.2020 in Kraft. Das gilt selbst in bereits anhängigen Verfahren, für die noch das alte Prozessrecht gilt. Lediglich bei Anfechtungsklagen gelten Ausnahmen.
Auswirkungen der WEG-Reform 2020 auf die am 01.12.2020 anhängigen Verfahren
In den Verfahren, die bereits am 01.12.2020 anhängig sind, wird weiterhin das derzeit alte Prozessrecht, aber teilweise bereits neues materielles WEG-Recht anzuwenden sein.
Diese typischen Probleme und Fallkonstellation können sich dann aus der WEG-Reform 2020 ergeben:
1. Mahnverfahren
Bei einen vorangegangenen Mahnverfahren ist gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO ein Rechtsstreit i.S.d. § 48 Abs. 5 WEG n.F. anhängig, wenn die Akte noch am 01.12.2020 beim Prozessgericht eingeht.
2. Zahlungsklagen der Wohnungseigentümergemeinschaft
Nach bisheriger Rechtslage war ein Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft nur berechtigt, wenn er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer ermächtigt worden war (§ 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG a.F.). Dieses Problem stellt sich nun auch in „Altverfahren“ nicht mehr, da § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG n.F., der dem Verwalter im Außenverhältnis eine (fast) unbeschränkte Vertretungsmacht einräumt, sofort in Kraft trat und somit auch in „Altverfahren“ unmittelbar zur Anwendung kommt.
3. Anfechtungsklage
Beispiel: In der Eigentümergemeinschaft wird beschlossen, dass bei der Erneuerung von Fenstern künftig die Kosten stets von dem jeweiligen Wohnungseigentümer zu tragen sind. Der Beschluss wird angefochten.
Nach bisheriger Rechtslage war die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, den Kostenverteilungsschlüssel zu ändern, bei baulichen Maßnahmen auf einen Einzelfall beschränkt (§ 16 Abs. 4 WEG a.F.). Zukünftig können die Wohnungseigentümer losgelöst vom Einzelfall über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Kostenarten eine abweichende Kostenverteilung beschließen (§ 16 Abs. 2 WEG n.F.).
Deshalb war der Beispielsbeschluss nach bisheriger Rechtslage mangels Beschlusskompetenz nichtig. Nach neuem Recht ist er aber zulässig. Bei der Beurteilung, ob ein Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, kommt es jedoch auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung an. Ein Beschluss entspricht also nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn er im Einklang mit der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Rechtslage steht. Eine spätere Rechtsänderung macht also einen anfechtbaren oder nichtigen Beschluss nicht zu einem wirksamen. Somit kommt - auch in Verfahren, die nach dem 01.12.2020 anhängig werden - die bisherige Rechtslage zur Anwendung. Trotz der neuen Beschlusskompetenz muss der Beschluss also nicht für nichtig erklärt werden.
4. Anfechtungsklage verbunden mit einem Verpflichtungsantrag
Beispiel: Der gehbehinderte Wohnungseigentümer A beantragt in der Eigentümerversammlung, ihm den Einbau eines Treppenliftes im Treppenhaus zu genehmigen. Der Antrag wird abgelehnt. A ficht den Negativbeschluss an und klagt auf Zustimmung.
Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. kann jeder Wohnungseigentümer eine angemessene bauliche Veränderung verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dient. Dieser neue Anspruch des A ist - aus den dargelegten Gründen - für die Anfechtung des Negativbeschlusses unbeachtlich.
Auf die Klage auf Zustimmung, die nicht einer Rechtmäßigkeitskontrolle in der Vergangenheit dient, sondern auf die Zukunft bezogen ist, kommt die Neuregelung dagegen zur Anwendung, so dass A den geltend gemachten Anspruch besitzt. Zu beachten ist jedoch, dass über die Umsetzung einer solchen privilegierten Maßnahme die Wohnungseigentümer zu entscheiden haben (§ 20 Abs. 2 Satz 2 WEG n.F.) Der Antrag muss aber erneut in einer Eigentümerversammlung behandelt werden, damit die Wohnungseigentümer in Kenntnis der neuen Gesetzeslage ihr Ermessen ordnungsgemäß ausüben können. Geschieht dies nicht, scheitert der Antrag an mangelnder Vorbefassung.