"Sale and rent back": Vorliegen eines nach § 34 Abs. 4 GewO verbotenen Rückkaufshandels?
Sachverhalt: Kombinierter Kauf- und Mietvertrag
Die Beklagte, die bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus betreibt, kauft im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Kraftfahrzeuge an und überlässt diese den Verkäufern aufgrund eines Mietverhältnisses zur weiteren Nutzung ("sale and rent back"). Am Ende des Mietverhältnisses verwertet sie die Kraftfahrzeuge.
Mit Kaufvertrag vom 07.01.2020 veräußerte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug, einen F., Erstzulassung im September 2017, zum Preis von 3.000 Euro an die Beklagte.
Daneben schlossen die Parteien den im Kaufvertrag genannten Mietvertrag, nach dem die Klägerin das Kraftfahrzeug für eine Mietzeit ab dem Tag des Vertragsschlusses bis zum 07.07.2020 weiternutzen durfte.
Mit Schreiben vom 19.04.2020 kündigte die Beklagte den Mietvertrag aufgrund ausstehender Zahlungen, forderte die Klägerin auf, ihr das Fahrzeug auszuhändigen, und kündigte zudem die Abholung des Kraftfahrzeugs an.
Die Klägerin gab das Fahrzeug nicht an die Beklagte heraus.
Entscheidung der Instanzen
Das Landgericht hat festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge unwirksam seien und die Beklagte zur Zahlung von 693 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Kraftfahrzeug nicht an die Beklagte verloren habe.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil im Wesentlichen zurückgewiesen. Die Klägerin wurde auf eine erst in der Berufungsinstanz erhobene und auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Hilfswiderklage der Beklagten verurteilt, an diese den Kaufpreis in Höhe von 3.000 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zweitschlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II, zu zahlen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die Verurteilung zur Rückzahlung des Kaufpreises.
Begründung: Weder direkte noch analoge Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 GewO auf vorliegenden Sachverhalt
Mit dem vorliegenden Urteil vom 16.11.2022 - VIII ZR 290/21 - hat der BGH zur Zulässigkeit eines gewerbsmäßigen Ankaufs von Kraftfahrzeugen und deren anschließender Vermietung an den Verkäufer - "sale and rent back" - Stellung genommen.
Nach Auffassung des BGH sind (entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts) die zwischen den Parteien geschlossenen Kauf- und Mietverträge nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 34 Abs. 4 GewO nichtig. Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO ist auf die vorliegende Konstellation weder direkt noch analog anwendbar.
Nach dieser Vorschrift ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen verboten, wenn er mit Gewährung eines Rückkaufsrechts erfolgt.
Im konkreten Fall hat das beklagte Pfandleihhaus zwar das Fahrzeug der Klägerin in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit angekauft und dieser faktisch einen Weg zu dessen Rückerlangung eröffnet. Der Klägerin wurde hierdurch kein Recht zum Rückkauf im Sinne von § 34 Abs. 4 GewO gewährt. Sie hatte infolge der vereinbarten Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit im Wege öffentlicher Versteigerung nur die Möglichkeit, dieses später wieder (zurück) zu erwerben. Dies stellt noch nicht die Gewährung eines Rückkaufsrechts gemäß § 34 Abs. 4 GewO dar.
Der Begriff des Rückkaufs in § 34 Abs. 4 GewO muss ausgelegt werden. Unter einem Rückkauf lässt sich nicht nur ein Kaufvertrag verstehen, sondern auch jeder andere auf einer Willenserklärung des Verkäufers beruhende Rückerwerb, der zur Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentums- und Besitzverhältnisse hinsichtlich des Kaufgegenstands führt.
Die Auslegung und Anwendung der bußgeldbewehrten Verbotsnorm des § 34 Abs. 4 GewO muss sich außerdem an den aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG resultierenden Grenzen einer zulässigen richterlichen Interpretation ausrichten.
Der Wortsinn der Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO erfordert eine Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers zum Rückerwerb der Sache. Ein solches Recht hat der Verkäufer auch dann (noch), wenn ihm zwar kein Rückkaufsrecht, jedoch ein Gestaltungsrecht in Form eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts gewährt wird. Denn in beiden Fällen hat es allein der Verkäufer in der Hand, durch eine eigene Willenserklärung den Rückerwerb der Sache unmittelbar (Rückkaufsrecht) oder zumindest mittelbar (Rücktrittsrecht) zu vorab festgelegten Voraussetzungen - insbesondere zur Höhe des (zurück) zu zahlenden Kaufpreises - herbeizuführen.
Im konkreten Fall hat die Klägerin jedoch keine solche Rechtsposition des Verkäufers nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der Beklagten.
Im Hinblick auf den aus Sicht des Normadressaten zu bestimmenden Wortsinn der "Gewährung des Rückkaufsrechts" bedarf es jedenfalls der mit dem (An-)Kaufvertrag verbundenen, nicht notwendigerweise darin enthaltenen Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers zum Rückerwerb der Kaufsache. Eine solche Vereinbarung fehlt hier.
Die Beklagte gewährt ihren Kunden kein - in der Ausübung allein von deren Willen abhängiges - Recht auf Rückerwerb der Fahrzeuge. Vielmehr vereinbaren die Vertragsparteien eine Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit durch eine öffentliche Versteigerung. Auch wenn diese Vereinbarung die Möglichkeit für den Kunden eröffnet, das Fahrzeug zurück zu erwerben, ist ein solcher Rückerwerb nicht sichergestellt.
Außerdem fehlt es hier auch an der Festlegung eines Rückkaufspreises zwischen den Parteien.
Die maßgebliche Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO kann auf den vorliegenden Fall auch nicht analog angewendet werden. Einer analogen Anwendung auf den vorliegenden Fall steht die Bestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen.
Praktische Bedeutung des Urteils vom 16.11.2022, VIII ZR 290/21
Der BGH hat in diesem Urteil klargestellt, dass ein Ankauf von Kraftfahrzeugen und deren anschließende Vermietung an den Verkäufer - "sale and rent back" - nach der jeweiligen Vertragsgestaltung zulässig sein kann.
Der BGH verweist zur Begründung auf seine ältere Rechtsprechung, wonach allerdings auch dann ein verbotener Rückkaufshandel im Sinne von § 34 Abs. 4 GewO vorliegt, wenn dem Verkäufer zwar kein Rückkaufsrecht im eigentlichen Sinn, jedoch ein - befristetes - Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag eingeräumt worden ist und er sich (daher) das Eigentum durch Rückzahlung des Kaufpreises sowie Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2009 - I ZR 179/07).