von Michael G. Peters, Rechtsanwalt
Faire Verbraucherverträge: Warum das Gesetz zur richtigen Zeit kommt
Verbraucherschutz wird in Deutschland groß geschrieben. Ab sofort sogar noch etwas größer. Am 01.10.2021 ist das neue „Faire Verbraucherverträge-Gesetz“ zum Teil in Kraft getreten. Es soll Verbraucher vor aufgedrängten Verträgen und zu langen Vertragslaufzeiten schützen. Die Regelungen kommen gerade recht.
Energiekrise: Wie Verbraucher ab sofort bei Strom- und Gasverträgen geschützt sind
Deutschland steckt in der Energie-Krise. Die Preise für Strom und Gas steigen und steigen. Bei vielen Verbrauchern klingelt deshalb gerade immer wieder das Telefon. Am anderen Ende: Ein Strom- oder Gasanbieter, der zu einem Wechsel des Energielieferanten bewegen will. Selbst dann, wenn der Angerufene keine solche Vereinbarung abschließen möchte. Doch wenn das Telefonat endet, ist der Vertrag trotzdem oft geschlossen. Das ändert das neue Gesetz für faire Verbraucherverträge.
Ab sofort können Verbraucher keine Lieferverträge für Strom und Gas mehr eingehen, wenn der Vertragsschluss allein am Telefon erfolgt. Hierzu wurde eigens das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geändert. Danach bedürfen Verträge, die mit Endverbrauchern abgeschlossen werden, seit dem 01.10.2021 zu ihrer Wirksamkeit der Textform (§ 41 Abs. 1 Satz 1 EnWG).
Das bedeutet, dass sämtliche neue Verträge, die Energieverbraucher jetzt mit Endverbrauchern schließen, mindestens per
- E-Mail,
- SMS oder
- Fax
Für die anwaltliche Praxis bedeutet das: Aus fernmündlich getroffenen Liefervereinbarungen können Strom- und Gasanbieter nun keine direkten Ansprüche mehr herleiten. Damit ändert sich aber auch das Kündigungsrecht bei solchen Verträgen: Verbraucher können jetzt bereits bestehende Verträge ebenfalls in Textform, also per E-Mail, Fax oder SMS, kündigen.
Die neuen Gesetzesregelungen gelten übrigens nicht nur für Liefervereinbarungen mit Strom- und Gasanbietern, sondern grundsätzlich für alle Verbraucherverträge, die eine regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Inhalt haben. Dazu zählen zum Beispiel auch
- Zeitungs- und Zeitschriften-Abos,
- Verträge mit privaten Fernsehanbietern und
- Fitnessstudio-Verträge.
Bei Verbraucherverträgen ändert sich nicht nur das Kündigungsrecht
Auf das Kleingedruckte kommt es an: Bei Verbraucherverträgen werden viele Vertragsinhalte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festgehalten. In solchen AGBs wird nicht selten von gesetzlichen Vorschriften abgewichen. Das kann AGB-Klauseln, die zum Beispiel
- kurzfristige Preiserhöhungen bei Lieferverträgen über bestimmte Waren,
- ein Aufrechnungsverbot oder
- einen Mangelausschluss
Infolge des Gesetzes für faire Verbraucherverträge werden die Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in § 309 BGB nun um fünf Neuheiten – eine davon betrifft die Kündigungsfrist – ergänzt:
Das neue Kaufrecht in der Praxis
5 Neuheiten: Diese AGB-Klauseln sind jetzt unwirksam
Neuheit Nr. 1
Die Laufzeit von Verträgen mit Verbrauchern über regelmäßige Warenlieferungen oder Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen darf nicht länger als zwei Jahre betragen (§ 309 Nr. 9 Buchstabe a, aa BGB).
Neuheit Nr. 2
Bei einer Vertragslaufzeit zwischen ein und zwei Jahren muss dem Verbraucher auch ein Ein-Jahres-Vertrag angeboten werden, wenn der kurze Vertrag nicht um mindestens 25 % teurer ist als der Vertrag mit der längeren Laufzeit (§ 309 Nr. 9 Buchstabe a, bb BGB).
Neuheit Nr. 3
Eine stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um mehr als ein Jahr wird ausgeschlossen (§ 309 Nr. 9 Buchstabe b, aa BGB).
Neuheit Nr. 4
Auch eine stillschweigende Verlängerung des Vertrages um mehr als drei Monate bis zu einem Jahr ist nicht mehr zulässig, wenn der Anbieter nicht spätestens zwei Monate – aber auch nicht früher als vier Monate – vor Ablauf der Vertragslaufzeit auf
- das Datum des Vertragsendes,
- die Zeit, um die sich der Vertrag bei nicht rechtzeitiger Kündigung verlängert, und
- das Datum, zu dem die Kündigung spätestens eingehen muss,
hinweist (§ 309 Nr. 9 Buchstabe b, bb BGB).
Neuheit Nr. 5
Die Kündigungsfrist wird ab dem 01.03.2022 von drei auf einen Monat verkürzt (§ 309 Nr. 9, Buchstabe c BGB).
Wichtiger Hinweis! Diese fünf Neuheiten gelten nicht für Versicherungsverträge und Verträge über die Lieferung zusammengehöriger Sachen.
Für die anwaltliche Praxis bedeutet das: AGB-Klauseln, die künftig diese fünf Neuheiten nicht berücksichtigen, sind unwirksam.
Telefon-Werbung: Nur noch unter dieser Voraussetzung
Neue Vertragsabschlüsse per Anruf: Viele Firmen setzen weiterhin auf Telefon-Werbung bei Verbrauchern. Die war bisher schon an strikte Voraussetzungen geknüpft. Jetzt ist eine weitere Voraussetzung hinzugekommen:
Für Telefonwerbung bei Verbrauchern benötigen Unternehmen jetzt nicht nur deren vorherige ausdrückliche Zustimmung. Die Einwilligung muss vielmehr künftig auch in angemessener Form dokumentiert und nach jeder Verwendung mindestens 5 Jahre aufbewahrt werden (§ 7a Abs. 1 und 2 UWG).
Ausschluss von Abtretungen: Das war einmal
In vielen AGB finden sich Ausschlussklauseln, die Verbrauchern untersagen, eigene finanzielle Ansprüche gegen das Unternehmen an Dritte abzutreten. Solche Ausschlussklausel gehören infolge des Gesetzes für faire Verbraucherverträge ab sofort der Vergangenheit an (§ 308 Nr. 9 Buchstabe a BGB).
Wichtiger Hinweis! Dies gilt auch für andere – nicht finanzielle – Ansprüche und Rechte, solange das Unternehmen kein schützenswertes Interesse hat oder berechtigte Ansprüche des Verbrauchers überwiegen (§ 308 Nr. 9 Buchstabe b BGB).
Einfache Kündigung: Ab dem 01.07.2022 reicht schon ein Klick
Einen Vertrag im Internet abschließen – das geht schnell. Länger und komplizierter war bisher die Kündigung solcher Verträge. Das wird sich ab dem 01.07.2022 ändern. Ab diesem Stichtag
wird es für Verbraucher einfacher, solche im Internet abgeschlossenen Verträge zu kündigen. Klauseln, die eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Verbraucher erschweren, indem zum Beispiel nur eine schriftliche Kündigung zugelassen ist, werden unwirksam.
Die Unternehmen werden bei dauernden Schuldverhältnissen verpflichtet, im Internet nicht nur einen Bestell-, sondern auch gleich einen Kündigungs-Button einzurichten, der es Verbrauchern erlaubt, den Vertrag ganz einfach per Klick zu kündigen.
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