Die Kündigung eines Vertrags kann nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden. In einer aktuellen Entscheidung zeigt das OLG Düsseldorf auf, wann ein in sich abgeschlossener Teil der Leistung gegeben ist (Urteil vom 08.12.2022 – 5 U 232/21).
RA Claus Rückert
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag in den dort genannten Fällen außerordentlich kündigen. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B kann die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden. Bezieht sich die Teilkündigung nicht auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung, ist sie unwirksam.
Dies hat z.B. zur Folge, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht auf Ersatz der Mehrkosten, die für die Fertigstellung der Leistungen durch einen Drittunternehmer anfallen, in Anspruch nehmen kann.
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) am 17.07.2013 nach einer öffentlichen Ausschreibung mit der Durchführung von Dachabdichtungsarbeiten beim Justizzentrum in Bochum. Bestandteil des Vertrages sind u.a. eine Leistungsbeschreibung vom 03.05.2013, das Angebot des AN vom 10.06.2013, ein Verhandlungsprotokoll vom 24.06.2013 sowie die VOB/B in der Fassung 2012.
Bei dem Justizzentrum handelt es sich um einen Komplex aus mehreren Gebäuden, die aneinander anschließen bzw. miteinander verbunden sind. Für die Bauphase waren die Teile des Komplexes als Bauteile A bis F bezeichnet.
Das Bauteil F, in dem sich u.a. die Wachmeisterei befindet, ist deutlich niedriger als die übrigen Bauteile. Es verbindet die Bauteile A, D und E miteinander; das Dach des Bauteils F schließt an die Fassaden der Bauteile A, D und E an.
Außerdem sind die Bauteile untereinander durch Verbindungsgänge verbunden. Unter anderem gibt es einen Verbindungsgang zwischen den Bauteilen A und B. Dieser Verbindungsgang ist wie ein Flur gestaltet, mit Seitenwänden aus Glas/Metall und einem begrünten Flachdach. Das Dach des Verbindungsganges ist niedriger als die Dächer der angrenzenden Bauteile A und B. Es schließt an die Fassaden dieser beiden Bauteile an.
Der gesamte Gebäudekomplex soll nach dem Vertrag einheitlich ausgeführt werden. Im Verhandlungsprotokoll ist unter Ziffer 6.1 die Möglichkeit vorgesehen, für bestimmte Leistungsabschnitte eine Teilabnahme zu vereinbaren. Das entsprechende Kästchen ist nicht angekreuzt.
In der Folgezeit führt der AN die Arbeiten auf den Bauteilen A bis E durch. Die Arbeiten auf dem Bauteil F wurden zunächst zurückgestellt.
Im Sommer 2016 kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern. Der AG rügt Mängel an den Bauteilen A bis E. Insbesondere bemängelt er ein zu geringes Gefälle der wasserführenden Ebene. Der AN äußerte die Auffassung, dass ohne weitere (im Leistungsverzeichnis nicht enthaltene) Maßnahmen auf dem Bauteil F nicht das verlangte Gefälle von 2,5 % erreicht werden könne. Außerdem meldet er unter dem 03.11.2016 Bedenken zur Wasserführung auf dem Verbindungsgang A/B an.
Mit Schreiben vom 02.12.2016 erklärt der AG eine auf § 8 Abs. 3 VOB/B gestützte Teilkündigung. Diese bezieht sich auf die noch ausstehenden Arbeiten auf dem Bauteil F sowie auf den Verbindungsgang zwischen den Bauteilen A und B. Der AG begründet die Kündigung damit, dass der AN die Arbeiten an dem Bauteil nicht wieder aufgenommen habe und eine Fertigstellung bis zum 23.12.2016 nicht mehr realisierbar sei. Außerdem bemängelt der AG eine unzureichende Kooperations- und Leistungsbereitschaft des AN.
Der AN hält die Kündigung für unwirksam. Er erhebt Feststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass ihm der Auftrag durch die Teilkündigung des AG mit Schreiben vom 02.12.2016 nicht wirksam im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B teilweise (hinsichtlich des Bauteils F und des Verbindungsgangs zwischen den Bauteilen A und B) entzogen worden ist. Das Feststellungsinteresse begründet der AN damit, dass der AG auf der Grundlage der Kündigung erhebliche Erstattungsansprüche wegen Mehrkosten durch die Inanspruchnahme von Drittfirmen geltend mache.
Das OLG Düsseldorf bestätigt die Auffassung des Auftragnehmers, dass die Teilkündigung vom 02.12.2016 unwirksam ist.
Die VOB/B geht grundsätzlich von einer Vollkündigung aus. D. h., dass ggf. der gesamte Vertrag gekündigt werden muss. Nur im Ausnahmefall ist eine Teilkündigung möglich. Voraussetzung hierfür ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B, dass sich die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung beziehen muss. Der Begriff des in sich abgeschlossenen Teils einer Leistung ist eng auszulegen. Bei der Auslegung sind die Ziele des § 12 Abs. 2 VOB/B, in welchem der Begriff ebenfalls verwendet wird, zu beachten. Nach den durch den BGH aufgestellten Auslegungsgrundsätzen ist ein Begriff, der innerhalb eines AGB-Klauselwerks (wie der VOB/B) mehrfach verwendet wird, grundsätzlich für alle Klauseln einheitlich auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 212/07, NJW 2009, 3717).
Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 VOB/B (Teilabnahme) ist das hohe Interesse des Auftraggebers zu berücksichtigen, zusammengehörende Leistungsteile nicht dadurch zu zergliedern, dass für sie unterschiedliche Abnahmewirkungen eintreten. Hierdurch soll z.B. grundsätzlich vermieden werden, dass es zu unterschiedlichen Gewährleistungsfristen oder Gefahrübergängen kommt. Diese Auslegung ist auch für § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B maßgeblich.
Aus dieser engen Auslegung folgt, dass einzelne Teile eines Rohbaus, wie z.B. eine Betondecke oder ein Stockwerk, keine in sich abgeschlossene Teile der Bauleistung sind. Grundsätzlich können Leistungsteile innerhalb eines Gewerks nicht als abgeschlossen angesehen werden. Es fehlt ihnen regelmäßig an der Selbstständigkeit, die eine eigenständige Beurteilung der Teilleistung ermöglicht. Bei klarer räumlicher oder zeitlicher Trennung der Leistungsteile eines Gewerks kann dies ausnahmsweise anders zu beurteilen sein. Eine solche klare Trennung liegt z.B. vor, wenn mehrere voneinander klar getrennte Einzelhäuser errichtet worden sind. Entscheidend ist hierbei, ob eine funktionale und in sich selbstständig beurteilbare Teilleistung vorliegt. Außerdem kann es bei der Frage der Abgeschlossenheit auch auf die Vertragsgestaltung ankommen.
Auf Basis dieser Grundsätze ergibt sich, dass es sich bei den Dächern des Bauteils F und des Verbindungsganges nicht um räumlich von den übrigen Dächern klar getrennte Bauwerke handelt. Denn die Dächer sind Teile eines einheitlichen Gebäudekomplexes. Das Dach des Bauteils F schließt an die Fassaden der Bauteile A, D und E an. Das Dach des Verbindungsgangs zwischen den Bauteilen A und B schließt an die Fassaden dieser beiden Bauteile an.
Auch in zeitlicher Hinsicht ergibt sich nicht, dass es sich um in sich abgeschlossene Teilleistungen handelt. Nach dem Vertrag sollten die Leistungen einheitlich ausgeführt werden.
Schließlich ist vertraglich nicht vorgesehen, dass einzelne Teile der Gesamtleistung gesondert abgenommen werden sollen. Das entsprechende Kästchen unter Ziffer 6.1 des Verhandlungsprotokolls ist nicht angekreuzt.
Somit erfüllt die Teilkündigung vom 02.12.2016 nicht die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B. Sie ist somit unwirksam.
Unerheblich ist die Frage, ob die Kündigung jenseits der Kündigungsgründe der §§ 4 Abs. 7 und 8 sowie 5 Abs. 4 VOB/B auch auf weitere Gründe gestützt werden kann, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten. Denn bei einem VOB/B-Vertrag kommt es aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarung zur Ausgestaltung der Kündigung auf die Regelungen der VOB/B an. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der nur eingeschränkten Möglichkeit einer Teilkündigung.
Es kommt den Auftraggeber teuer zu stehen, wenn er eine unzulässige Teilkündigung ausspricht. Eine wirksame Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B ist Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer für die Mehrkosten in Anspruch nehmen kann, die dadurch anfallen, dass er die gekündigten Leistungen durch ein Drittunternehmen fertigstellen lässt.
Sofern nicht die VOB/B Vertragsgrundlage ist, gelten die Regelungen des BGB-Werkvertragsrechts. Für die ab dem 01.01.2018 geschlossenen Verträge besteht für den Besteller die Möglichkeit, eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund nach § 648a Abs. 2 BGB auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks zu beschränken, § 648a Abs. 2 BGB.
Des OLG Düsseldorf hebt am Ende seines Urteils hervor, dass der Begriff der abgrenzbaren Leistung weiter ist als der Begriff der in sich abgeschlossenen Leistung nach der VOB/B.
Für das Kriterium der Abgrenzbarkeit ist demnach entscheidend, dass die Vertragspartner eine klare Abgrenzung der von der Teilkündigung erfassten und der danach noch von einem anderen Werkunternehmer zu erbringenden Leistungen vornehmen können und der von der Kündigung betroffene Unternehmer in der Lage ist, die von ihm noch geschuldeten Leistungen ohne Beeinträchtigung zu erbringen. Abgrenzbare Leistungen im Sinne von § 648a Abs. 2 BGB können daher auch innerhalb eines Gewerks vorliegen. Dies ist bei in sich abgeschlossenen Leistungen im Sinne von § 8 Abs. 3 VOB/B grundsätzlich nicht der Fall.
Für den Auftraggeber empfiehlt es sich, im Zweifel die komplette Leistung nach § 8 Abs. 3 VOB/B zu kündigen, um Rechtsnachteile wegen einer unzulässigen Teilkündigung zu vermeiden.
Eine Alternative hierzu ist der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem Auftragnehmer über Teile des Vertrages. Im Rahmen dieser Aufhebungsvereinbarung sollte dann auch geregelt werden, inwiefern der Auftraggeber noch Schadensersatzansprüche (z.B. Fertigstellungsmehrkosten) geltend machen kann und inwieweit dem Auftragnehmer ggf. Entschädigungsansprüche wegen der Vertragsaufhebung zustehen. Aufgrund der erheblichen Risiken, die mit dem Abschluss einer solchen Vereinbarung verbunden sind, sollten sich Auftraggeber und Auftragnehmer hierzu vorab durch einen Rechtsanwalt beraten lassen.
RA Claus Rückert
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag in den dort genannten Fällen außerordentlich kündigen. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B kann die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden. Bezieht sich die Teilkündigung nicht auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung, ist sie unwirksam.
Dies hat z.B. zur Folge, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht auf Ersatz der Mehrkosten, die für die Fertigstellung der Leistungen durch einen Drittunternehmer anfallen, in Anspruch nehmen kann.
Der Fall
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) am 17.07.2013 nach einer öffentlichen Ausschreibung mit der Durchführung von Dachabdichtungsarbeiten beim Justizzentrum in Bochum. Bestandteil des Vertrages sind u.a. eine Leistungsbeschreibung vom 03.05.2013, das Angebot des AN vom 10.06.2013, ein Verhandlungsprotokoll vom 24.06.2013 sowie die VOB/B in der Fassung 2012. Bei dem Justizzentrum handelt es sich um einen Komplex aus mehreren Gebäuden, die aneinander anschließen bzw. miteinander verbunden sind. Für die Bauphase waren die Teile des Komplexes als Bauteile A bis F bezeichnet.
Das Bauteil F, in dem sich u.a. die Wachmeisterei befindet, ist deutlich niedriger als die übrigen Bauteile. Es verbindet die Bauteile A, D und E miteinander; das Dach des Bauteils F schließt an die Fassaden der Bauteile A, D und E an.
Außerdem sind die Bauteile untereinander durch Verbindungsgänge verbunden. Unter anderem gibt es einen Verbindungsgang zwischen den Bauteilen A und B. Dieser Verbindungsgang ist wie ein Flur gestaltet, mit Seitenwänden aus Glas/Metall und einem begrünten Flachdach. Das Dach des Verbindungsganges ist niedriger als die Dächer der angrenzenden Bauteile A und B. Es schließt an die Fassaden dieser beiden Bauteile an.
Der gesamte Gebäudekomplex soll nach dem Vertrag einheitlich ausgeführt werden. Im Verhandlungsprotokoll ist unter Ziffer 6.1 die Möglichkeit vorgesehen, für bestimmte Leistungsabschnitte eine Teilabnahme zu vereinbaren. Das entsprechende Kästchen ist nicht angekreuzt.
In der Folgezeit führt der AN die Arbeiten auf den Bauteilen A bis E durch. Die Arbeiten auf dem Bauteil F wurden zunächst zurückgestellt.
Im Sommer 2016 kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern. Der AG rügt Mängel an den Bauteilen A bis E. Insbesondere bemängelt er ein zu geringes Gefälle der wasserführenden Ebene. Der AN äußerte die Auffassung, dass ohne weitere (im Leistungsverzeichnis nicht enthaltene) Maßnahmen auf dem Bauteil F nicht das verlangte Gefälle von 2,5 % erreicht werden könne. Außerdem meldet er unter dem 03.11.2016 Bedenken zur Wasserführung auf dem Verbindungsgang A/B an.
Mit Schreiben vom 02.12.2016 erklärt der AG eine auf § 8 Abs. 3 VOB/B gestützte Teilkündigung. Diese bezieht sich auf die noch ausstehenden Arbeiten auf dem Bauteil F sowie auf den Verbindungsgang zwischen den Bauteilen A und B. Der AG begründet die Kündigung damit, dass der AN die Arbeiten an dem Bauteil nicht wieder aufgenommen habe und eine Fertigstellung bis zum 23.12.2016 nicht mehr realisierbar sei. Außerdem bemängelt der AG eine unzureichende Kooperations- und Leistungsbereitschaft des AN.
Der AN hält die Kündigung für unwirksam. Er erhebt Feststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass ihm der Auftrag durch die Teilkündigung des AG mit Schreiben vom 02.12.2016 nicht wirksam im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B teilweise (hinsichtlich des Bauteils F und des Verbindungsgangs zwischen den Bauteilen A und B) entzogen worden ist. Das Feststellungsinteresse begründet der AN damit, dass der AG auf der Grundlage der Kündigung erhebliche Erstattungsansprüche wegen Mehrkosten durch die Inanspruchnahme von Drittfirmen geltend mache.
Das Urteil
Das OLG Düsseldorf bestätigt die Auffassung des Auftragnehmers, dass die Teilkündigung vom 02.12.2016 unwirksam ist. Die VOB/B geht grundsätzlich von einer Vollkündigung aus. D. h., dass ggf. der gesamte Vertrag gekündigt werden muss. Nur im Ausnahmefall ist eine Teilkündigung möglich. Voraussetzung hierfür ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B, dass sich die Kündigung auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung beziehen muss. Der Begriff des in sich abgeschlossenen Teils einer Leistung ist eng auszulegen. Bei der Auslegung sind die Ziele des § 12 Abs. 2 VOB/B, in welchem der Begriff ebenfalls verwendet wird, zu beachten. Nach den durch den BGH aufgestellten Auslegungsgrundsätzen ist ein Begriff, der innerhalb eines AGB-Klauselwerks (wie der VOB/B) mehrfach verwendet wird, grundsätzlich für alle Klauseln einheitlich auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 212/07, NJW 2009, 3717).
Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 VOB/B (Teilabnahme) ist das hohe Interesse des Auftraggebers zu berücksichtigen, zusammengehörende Leistungsteile nicht dadurch zu zergliedern, dass für sie unterschiedliche Abnahmewirkungen eintreten. Hierdurch soll z.B. grundsätzlich vermieden werden, dass es zu unterschiedlichen Gewährleistungsfristen oder Gefahrübergängen kommt. Diese Auslegung ist auch für § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B maßgeblich.
Aus dieser engen Auslegung folgt, dass einzelne Teile eines Rohbaus, wie z.B. eine Betondecke oder ein Stockwerk, keine in sich abgeschlossene Teile der Bauleistung sind. Grundsätzlich können Leistungsteile innerhalb eines Gewerks nicht als abgeschlossen angesehen werden. Es fehlt ihnen regelmäßig an der Selbstständigkeit, die eine eigenständige Beurteilung der Teilleistung ermöglicht. Bei klarer räumlicher oder zeitlicher Trennung der Leistungsteile eines Gewerks kann dies ausnahmsweise anders zu beurteilen sein. Eine solche klare Trennung liegt z.B. vor, wenn mehrere voneinander klar getrennte Einzelhäuser errichtet worden sind. Entscheidend ist hierbei, ob eine funktionale und in sich selbstständig beurteilbare Teilleistung vorliegt. Außerdem kann es bei der Frage der Abgeschlossenheit auch auf die Vertragsgestaltung ankommen.
Auf Basis dieser Grundsätze ergibt sich, dass es sich bei den Dächern des Bauteils F und des Verbindungsganges nicht um räumlich von den übrigen Dächern klar getrennte Bauwerke handelt. Denn die Dächer sind Teile eines einheitlichen Gebäudekomplexes. Das Dach des Bauteils F schließt an die Fassaden der Bauteile A, D und E an. Das Dach des Verbindungsgangs zwischen den Bauteilen A und B schließt an die Fassaden dieser beiden Bauteile an.
Auch in zeitlicher Hinsicht ergibt sich nicht, dass es sich um in sich abgeschlossene Teilleistungen handelt. Nach dem Vertrag sollten die Leistungen einheitlich ausgeführt werden.
Schließlich ist vertraglich nicht vorgesehen, dass einzelne Teile der Gesamtleistung gesondert abgenommen werden sollen. Das entsprechende Kästchen unter Ziffer 6.1 des Verhandlungsprotokolls ist nicht angekreuzt.
Somit erfüllt die Teilkündigung vom 02.12.2016 nicht die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B. Sie ist somit unwirksam.
Unerheblich ist die Frage, ob die Kündigung jenseits der Kündigungsgründe der §§ 4 Abs. 7 und 8 sowie 5 Abs. 4 VOB/B auch auf weitere Gründe gestützt werden kann, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten. Denn bei einem VOB/B-Vertrag kommt es aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarung zur Ausgestaltung der Kündigung auf die Regelungen der VOB/B an. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der nur eingeschränkten Möglichkeit einer Teilkündigung.
Praxishinweis
Es kommt den Auftraggeber teuer zu stehen, wenn er eine unzulässige Teilkündigung ausspricht. Eine wirksame Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B ist Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer für die Mehrkosten in Anspruch nehmen kann, die dadurch anfallen, dass er die gekündigten Leistungen durch ein Drittunternehmen fertigstellen lässt. Sofern nicht die VOB/B Vertragsgrundlage ist, gelten die Regelungen des BGB-Werkvertragsrechts. Für die ab dem 01.01.2018 geschlossenen Verträge besteht für den Besteller die Möglichkeit, eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund nach § 648a Abs. 2 BGB auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks zu beschränken, § 648a Abs. 2 BGB.
Des OLG Düsseldorf hebt am Ende seines Urteils hervor, dass der Begriff der abgrenzbaren Leistung weiter ist als der Begriff der in sich abgeschlossenen Leistung nach der VOB/B.
Für das Kriterium der Abgrenzbarkeit ist demnach entscheidend, dass die Vertragspartner eine klare Abgrenzung der von der Teilkündigung erfassten und der danach noch von einem anderen Werkunternehmer zu erbringenden Leistungen vornehmen können und der von der Kündigung betroffene Unternehmer in der Lage ist, die von ihm noch geschuldeten Leistungen ohne Beeinträchtigung zu erbringen. Abgrenzbare Leistungen im Sinne von § 648a Abs. 2 BGB können daher auch innerhalb eines Gewerks vorliegen. Dies ist bei in sich abgeschlossenen Leistungen im Sinne von § 8 Abs. 3 VOB/B grundsätzlich nicht der Fall.
Für den Auftraggeber empfiehlt es sich, im Zweifel die komplette Leistung nach § 8 Abs. 3 VOB/B zu kündigen, um Rechtsnachteile wegen einer unzulässigen Teilkündigung zu vermeiden.
Eine Alternative hierzu ist der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem Auftragnehmer über Teile des Vertrages. Im Rahmen dieser Aufhebungsvereinbarung sollte dann auch geregelt werden, inwiefern der Auftraggeber noch Schadensersatzansprüche (z.B. Fertigstellungsmehrkosten) geltend machen kann und inwieweit dem Auftragnehmer ggf. Entschädigungsansprüche wegen der Vertragsaufhebung zustehen. Aufgrund der erheblichen Risiken, die mit dem Abschluss einer solchen Vereinbarung verbunden sind, sollten sich Auftraggeber und Auftragnehmer hierzu vorab durch einen Rechtsanwalt beraten lassen.