Modernisierung des Kaufvertragsrechts: Ein Update für das Zivilrecht
Grundlage der Änderungen ist die europäische Warenkaufrichtlinie ((EU) 2019/771)). Die Warenkaufrichtlinie ersetzt ab dem 1. Januar 2022 die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, auf der das bisherige Kaufrecht zu weiten Teilen beruht. Die Richtlinie soll den digitalen Binnenmarkt stärken und der EU durch eine Vollharmonisierung des Vertragsrechts dazu verhelfen, die Fragmentierung des Handels zu überwinden und wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland ist ihrer Pflicht zur Umsetzung der Richtlinien durch Verkündung der Änderungsgesetze am 30. Juni 2021 und deren Inkrafttreten zum 1. Januar 2022 nachgekommen.
Neuer Sachmangelbegriff
Bekanntlich hat ein Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Bisher ist eine Sache bereits dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Falls keine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, kommt es stufenweise auf weniger subjektive Umstände an.Bei Kaufverträgen, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden, wird es nicht mehr genügen, dass die Sache lediglich der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht. Nach § 434 Abs. 1 BGB n.F. ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.
Die vereinbarte Beschaffenheit ist lediglich eine von mehreren zu genügenden Anforderungen. So muss sich die Sache zusätzlich für die vertraglich vorausgesetzte und gewöhnliche Verwendung eignen und die Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Das wird im Regelfall erfüllt sein, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Im Einzelfall können aber Abweichungen bestehen.
Beweislastumkehr
Einschneidend für künftige Verbrauchsgüterkaufverträge ist die Verlängerung der Frist für die Beweislastumkehr von sechs Monaten auf ein Jahr (§ 477 BGB n.F.). Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein Mangel, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.
Das neue Kaufrecht in der Praxis
Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen
Der Gesetzgeber führt neue Vorschriften für Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen ein. Das sind Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Grundfunktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können, bspw. Smart-TVs oder Smart-Watches.
§ 475b BGB n.F. sieht für Waren mit digitalen Elementen Besonderheiten im Rahmen des Mangelbegriffs vor: Sie sollen auch dann mangelhaft sein, wenn im Kaufvertrag vereinbarte Aktualisierungen für die digitalen Elemente innerhalb des laut Vertrag maßgeblichen Zeitraums nicht bereitgestellt werden. Der Verkäufer muss außerdem während eines Zeitraums, den der Verbraucher insbesondere aufgrund der Art und des Zwecks der Ware erwarten kann, Aktualisierungen bereitstellen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Damit besteht für Verkäufer eine Update-Pflicht.
§ 475e BGB n.F. enthält verschiedene Sonderregelungen für die Verjährung. Hat sich zum Beispiel ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Außerdem verjähren Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht grundsätzlich nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht.
Ist bei Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente vereinbart, greift gemäß § 477 Abs. 2 BGB n.F. eine Beweislastumkehr, wenn sich ein Mangel der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang zeigt.
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