Bauvertrag, VOB/B
Recht & Verwaltung10 November, 2023

Notwendigkeit der VOB/B-Textübergabe im Baubereich nicht bewanderte Unternehmer

In einem Verfahren beim OLG Bamberg wurde die Frage aufgeworfen, was zur wirksamen Einbeziehung der VOB/B gegenüber einem im Baubereich nicht bewanderten Unternehmer erforderlich ist: Reicht es aus, dass deren Geltung vereinbart wird, oder muss zusätzlich auch der Text der VOB/B übergeben werden?

RA Claus Rückert

Bei der VOB/B handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese werden nur Vertragsbestandteil, wenn sie wirksam in den Vertrag einbezogen werden.

Das OLG Bamberg (Urteil vom 24.08.2023 – 12 U 58/22) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, was zur wirksamen Einbeziehung der VOB/B erforderlich ist, falls der Unternehmer in der Baubranche nicht so bewandert ist. Reicht da lediglich die Vereinbarung ihrer Geltung, oder muss zusätzlich auch der Text der VOB/B übergeben werden?


Der Fall

Der Inhaber eines Sanitätshauses (AG) mietet einen ehemaligen Lebensmittelmarkt an und möchte die Räumlichkeiten zu seinen Zwecken umbauen lassen. Mit den entsprechenden Arbeiten beauftragt er einen Bauunternehmer (AN). Der AG beauftragt hierbei u.a. am 25.09.20014 ein Angebot des AN vom 13.09.2014 zur Ausführung von Bodenbelagsarbeiten. Am Ende des Angebots steht: „Ausführung nach VOB/B in der derzeit gültigen Fassung. VOB liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus“.

Die Bodenbelagsarbeiten werden von einem Subunternehmer des AN ausgeführt. Der Bereich ist nicht unterkellert. Der Subunternehmer führt eine elektrische Feuchtigkeitsmessung auf dem Terrazzoboden durch. Hierbei ermittelt er Feuchtigkeitswerte von 47-52 Digits. Er fräst daraufhin den Fliesenboden mechanisch ab, säubert ihn und bereitet ihn mit Spachtelmasse vor. Anschließend klebt er mit einem faserarmierten Nassbett-Klebstoff den vom AG ausgesuchten PVC-Belag auf. Eine weitere Untersuchung des Bodenaufbaus stellen weder der Subunternehmer noch der AN an. Auch melden sie keine Bedenken gegenüber dem AG an.

Am 08.11.2014 wird das Sanitätshaus eröffnet. Am 09.12.2014 stellt der AN seine Schlussrechnung, die der AG am 19.12.2014 bezahlt.

Mit E-Mail vom 26.02.2016 zeigt der AG dem AN an: „Probleme mit dem Boden, sieht aus wie starke Abnutzungen…“. Daraufhin überprüft der Subunternehmer des AN am 07.06.2016 die Situation, unternimmt aber nichts weiter.

Mit E-Mail vom 14.11.2018 beschwert sich der AG beim AN über die Untätigkeit von dessen Subunternehmer und teilt mit: „Der Fußboden hebt sich an immer mehr Stellen auf und es besteht für Kunden und Mitarbeiter eine Stolpergefahr“. Er setzt dem AN eine Frist bis zum 29.11.2018, den Mangel zu beheben. Schließlich beauftragt er einen Privatgutachter. Das Ergebnis von dessen Untersuchung teilt er dem AN mit und setzt ihm eine Frist zur Mängelbeseitigung bis 31.05.2019.

Am 09.09.2019 beantragt der AG die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen den AN. Das Verfahren endet mit der Anhörung des Sachverständigen am 12.11.2020. In dem Verfahren wird festgestellt, dass die Ursache für die vom AG gerügten Mängel eine sog. Verseifung des verwendeten Klebstoffs ist. Dieser löst sich aufgrund ständiger Feuchtigkeitseinwirkung in seine Bestandteile auf und verliert seine Funktion. Ursache für die Feuchtigkeitseinwirkung ist, dass der Unterbau nicht gegen Feuchtigkeit abgedichtet ist. Die Feuchtigkeit kann nicht durch den PVC-Belag entweichen und sammelt sich im Bereich der darunter liegenden Klebschicht (beim ursprünglichen Bodenbelag konnte die Feuchtigkeit durch die unbehandelte Terrazzoschicht aufsteigen und verdunsten, weshalb es dort zu keinen Problemen kam).

Am 11.03.2021 reicht der AG Klage gegen den AN ein. Er hat inzwischen die Sanierung des Bodenbelags durchführen lassen und macht die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 35.798,23 € netto geltend. Außerdem beantragt er festzustellen, dass der AN verpflichtet ist, ihm die gesamten infolge der Durchführung der Sanierung entstandenen Verluste (Umsatzverluste etc.) zu ersetzen.

Der AN beruft sich auf Verjährung. Die Arbeiten seien im Oktober 2014 durchgeführt und vom AG am 27.10.2014 abgenommen worden. Die Abnahmewirkungen seien jedenfalls mit der Eröffnung des Sanitätshauses am 08.11.2014 zzgl. 8 Werktagen gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B eingetreten. Spätestens sei die Abnahme konkludent erfolgt mit Zahlung der Schlussrechnung durch den AG am 19.12.2014. Die Verjährungsfrist von 4 Jahren gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 VOB/B sei inzwischen abgelaufen, die Ansprüche daher verjährt.

Außerdem vertritt der AN die Auffassung, er sei für die Wasserdurchlässigkeit bzw. die fehlende Abdichtung des Fußbodens nicht verantwortlich.

Der Subunternehmer tritt dem Rechtsstreit auf Seiten des AN als Streithelfer bei (im Folgenden wird er daher als „Streithelfer“ bezeichnet).

Das Landgericht erlässt ein Grund- und Teilurteil. Hierin erklärt es die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten dem Grunde nach für gerechtfertigt und gibt dem Feststellungsantrag statt.

Der Streithelfer legt gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein und beantragt, die Klage des AG abzuweisen.


Das Urteil

Der Streithelfer kann zulässigerweise Berufung für die von ihm unterstützte Hauptpartei (den AN) einlegen. Allerdings ist die Berufung unbegründet.

Sowohl im VOB/B-Vertrag (dort § 4 Abs. 3) als auch im BGB-Vertrag (dort nicht explizit geregelt) besteht eine Prüf- und Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer wird nur dann von seiner Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte (oder ordnungsgemäß Bedenken angemeldet hat und der Auftraggeber trotzdem auf einer unveränderten Ausführung der Arbeiten besteht).

Der AN (und der Streithelfer) hätten vor Ausführung der Arbeiten Erkundigungen über die Beschaffenheit des Fußbodenaufbaus einholen müssen. Allein die Durchführung von Feuchtigkeitsmessungen reicht nicht aus. Die Bodenverlegung ist in einem nicht unterkellerten Bereich ausgeführt worden. Nach Aussage des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat ein Bodenverleger sich nach den einschlägigen DIN-Normen und wie in der Praxis üblich in einem solchen Fall vor Beginn der Verlegung darüber zu informieren, ob eine Sperrschicht gegen Feuchtigkeit vorhanden ist. Dies hat der AN nicht getan. Daher haftet er dem AG dafür, dass aufgrund der fehlenden Sperrschicht Feuchtigkeit nach oben gestiegen ist und den Klebstoff zersetzt hat.

Auch die Einrede der Verjährung greift nicht. Denn in einen Vertrag mit einem im Baubereich nicht bewanderten Unternehmer (wie dem AG) als Vertragspartner des Verwenders wird die VOB/B nur wirksam einbezogen, wenn ihm die VOB/B tatsächlich zur Kenntnis gebracht wird. Der Hinweis im Angebot: "Ausführung nach VOB/B in der derzeit gültigen Fassung. VOB liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus", reicht hierfür nicht aus. Daher ist die VOB/B nicht wirksam einbezogen worden und es gilt die 5-jährige Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese war noch nicht abgelaufen.


Praxishinweis

Im Hinblick auf die Ausführungen zu den Prüf- und Bedenkenhinweispflichten des Auftragnehmers ist das Urteil nachvollziehbar. Der Auftragnehmer schuldet als werkvertraglichen Erfolg die Erbringung einer funktionstauglichen Leistung. Wenn dieser Erfolg nicht erreicht werden kann, weil z.B. Planungsvorgaben des Auftraggebers, Vorleistungen anderer Unternehmer etc. ungeeignet sind, ist seine Leistung mangelhaft.

Von dieser Mängelhaftung wird der Auftragnehmer nur frei, wenn er seiner Prüf- und Bedenkenhinweispflicht nachgekommen ist und der Auftraggeber trotzdem auf der unveränderten Ausführung besteht (oder die Ungeeignetheit der Planung, Vorleistung etc. für ihn auch bei der gebotenen Prüfung nicht erkennbar war).

Hinsichtlich der Frage, ob die VOB/B wirksam in den Vertrag einbezogen worden ist, ist das Urteil schlicht falsch. Denn nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB finden § 305 Abs. 2 und 3 BGB keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Es reicht daher zur wirksamen Einbeziehung der VOB/B gegenüber einem Unternehmer aus, dass deren Geltung vereinbart wird. Eine Übergabe des Textes der VOB/B ist nicht erforderlich.

Gegenüber einem Verbraucher finden die § 305 Abs. 2 und 3 BGB dagegen Anwendung. Daher wird ihm gegenüber die VOB/B nur wirksam einbezogen, wenn ihm deren Text tatsächlich zugänglich gemacht wird.
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Rückert
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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