Alle beteiligten Parteien haben dem Koalitionsvertrag zugestimmt und die neue Bundesregierung kann demnächst mit der Umsetzung ihrer Pläne beginnen. Prof. Dr. Peter Becker, Vors. Richter am BSG a.D., hat das Papier für Sie gelesen und herausgearbeitet, welche Ziele und Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit in den Sozialämtern und Jobcentern haben können.
Im Folgenden finden Sie die Punkte nach den Themenkreisen SGB II, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungsrecht gruppiert. Wie und wann genau diese politischen Ziele tatsächlich umgesetzt werden, steht indessen noch nicht fest.
Geplante Änderungen im SGB II
Nach dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP sind im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II folgende, klar fassbare Änderungen geplant:
- Abschaffung des Alg II („Hartz IV“) und Einführung eines „Bürgergeldes“: Konkret soll sich ändern:
- Anerkennung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Wohnung in den ersten zwei Jahren des Bezugs von Bürgergeld
- Keine Anrechnung von Vermögen in den ersten beiden Jahren des Bezugs von Bürgergeld
- Erhöhung des Schonvermögens und Vereinfachung dessen Überprüfung
- Bei dem Bedarf für Unterkunft eine Verbesserung des gesetzlichen Rahmens für die Anwendung kommunaler Angemessenheitsgrenzen
- Bei der Einkommensberücksichtigung eine Verbesserung der Zuverdienst-Möglichkeiten und eine Erhöhung der Freibeträge
- Umstellung von der horizontalen auf die vertikale Einkommensanrechnung.
- Bei den Sanktionen:
- Umsetzung des Urteils des BVerfG vom 05.11.2019
- Abschaffung der Sonderregelungen für Unter-25-Jährige
- Einjähriges Moratorium bis zur Neuregelung
- Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
- Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch eine Teilhabevereinbarung
- Abschaffung des Vermittlungsvorrangs und Förderung der Weiterbildung und Qualifizierung
- Ausbau bzw. Entfristung von Maßnahmen wie der freien Förderung (§ 16f SGB II), der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (§ 16e SGB II), der Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II), der Förderung schwer zu erreichender junger Menschen (§ 16h SGB II)
- Zahlung eines „Weiterbildungs-Bonus“
Hervorzuheben sind folgende Punkte, hinsichtlich denen nichts vereinbart wurde:
- Keine grundsätzliche Abschaffung des SGB II
- Kein anderes Verfahren zur Ermittlung der Höhe der Regelbedarfe (zumal dies rechtlich sowieso nicht im SGB II, sondern im SGB XII verortet ist).
Geplante Änderungen im SGB XII
Im Koalitionsvertrag wird die Sozialhilfe (SGB XII) im Unterschied zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II praktisch nur am Rande behandelt. Dies wird schon daran deutlich, dass das Wort „Sozialhilfe“ nicht vorkommt.
Aufgeführt werden jedoch folgende Punkte:
- Hinsichtlich der Eingliederungshilfe
- Evaluation des BTHG
- Klärung des Verhältnisses von Eingliederungshilfe und Pflege
- Verbesserung der Möglichkeiten, das Einkommen mit einer Erwerbstätigkeit zu verbessern
- Neue Ausgestaltung der Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Arbeit
Zudem ist mit weiteren Änderungen in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt aufgrund der im SGB II geplanten Einführung eines Bürgergeldes anstelle des Alg II und der damit einhergehenden dortigen Neuregelungen zu rechnen.
Geplante Änderungen im AsylbLG
Im Abschnitt zum Asylverfahren werden im Koalitionsvertrag folgende Aussagen zum AsylbLG getroffen:
- Weiterentwicklung des AsylbLG im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG
- Unbürokratische Gestaltung des Zugangs für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zur Gesundheitsversorgung
- Herausnahme von minderjährigen Kindern aus Leistungseinschränkungen bzw. -kürzungen
Geplant: Kindergrundsicherung
Welche Auswirkungen die ebenfalls vereinbarte Kindergrundsicherung hat, ist nicht absehbar, weil zunächst eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll. Fest vorgesehen ist nur ein Sofortzuschlag für Kinder, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II oder SGB XII haben.