Selbst bewohntes Wohneigentum angemessener Größe steht einem Bezug von Grundsicherungsleistungen nicht als anrechenbares Vermögen entgegen und ist vor Verwertung geschützt. Die Angemessenheit der Größe bestimmt sich nach der aktuellen Bewohnerzahl. Ob davor größerer Wohnraum für mittlerweile ausgezogene Kinder vonnöten war, wird vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Die Vereinbarkeit dieser Nichtberücksichtigung der familiären Vorgeschichte mit dem Gleichheitsgrundsatz hat das BVerfG im vorliegenden Fall bestätigt.
Der Fall
Ursprünglich bewohnte das hilfebedürftige Ehepaar gemeinsam mit sechs Kindern ein 143,69 qm großes Haus. Nach Auszug aller Kinder lehnte das Jobcenter die weitere Gewährung von Grundsicherungsleistungen ab, da das Hausgrundstück mangels angemessener Größe kein Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II mehr sei.
Die Entscheidung
Auf Vorlage entschied das BVerfG, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der für die Frage des Verwertungsschutzes von Wohneigentum nicht nach dessen familiärer Vorgeschichte differenziert, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Vorschrift diene der Realisierung des Bedarfsdeckungsprinzips, wonach im System der Grundsicherung staatliche Leistungen allgemein nachrangig gewährt würden. Das stehe zu der Belastung der Betroffenen nicht außer Verhältnis.
Fazit
Die angemessene Größe eines Hausgrundstücks ist mit Blick auf die Gesamtwohnfläche des darauf errichteten Hauses, differenziert nach der Anzahl der dort lebenden Personen zu bestimmen. Bewohnen Ehepaare nach Auszug der Kinder Wohneigentum, das die Angemessenheitsgrenze von 90 qm überschreitet, entfällt der Verwertungsschutz des SGB II und das Hausgrundstück ist als anrechenbares Vermögen zu behandeln.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 49/2022 vom 02.06.2022 zum Beschluss des BVerfG vom 28.04.2022 - 1 BvL 12/20