Feststellungsklage und Regress
Fall (BGH, Urt. v. 02.09.2021 – VII ZR 124/20)
Ein Generalunternehmer (GU und Beklagter) beauftragt den Auftragnehmer (AN und Kläger) mit den Rohbauarbeiten. Dieser lässt einen Teil der Arbeiten durch einen Nachunternehmer (NU und Streithelfer) ausführen. Nachdem der GU den Vertrag mit dem Rohbauer kündigt, kündigt dieser den Nachunternehmervertrag.
GU und AN einigen über die Kündigungsvergütung des AN. Offen sind nur noch die Kosten der nicht erbrachten Leistungen des Nachunternehmers, deren Höhe der AN anzweifelt. Der AN klagt gegen GU auf Feststellung, dass dieser verpflichtet ist, die sich aus der Abrechnung des NU für nicht erbrachte Leistung ergebende Vergütung zu zahlen. Inzwischen hat auch der NU den AN vor einem anderen Gericht auf Zahlung verklagt.
Das Kammergericht hält die Feststellungsklage für unzulässig. Sie sei nicht prozessökonomisch. Da der NU entgegen der Ansicht des AN – prüfbar abgerechnet habe, könne auch der AN seinen Anspruch beziffern. Aufgrund der Interventionswirkung der Streitverkündung gegenüber dem NU könne dessen Vergütungsanspruch im Rechtsstreit zwischen dem AN und dem GU abschließend und einheitlich geklärt werden. Der BGH hebt das Urteil auf.
Für den Werklohnanspruch des AN nach Kündigung kommt es darauf an, welcher Werklohn dem NU aufgrund der Kündigung des NU-Vertrages zusteht. Nach § 648 BGB steht dem AN nach freier Kündigung durch den GU der Werklohn für die nicht erbrachte Leistung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs zu. Soweit der NU vom AN ebenfalls nach § 648 BGB Werklohn für seine kündigungsbedingt nicht erbrachte Leistung verlangen kann, sind dem NU Aufwendungen entstanden, die er im Rahmen von § 648 BGB vom GU verlangen kann.
Der BGH bejaht zunächst auch in diesem Fall das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses. Da die Kündigungsvergütung hinsichtlich aller anderen Positionen inzwischen geklärt war, handelt es sich nicht mehr nur um einen unselbständigen Rechnungsposten im Rahmen der Abrechnung, sondern den allein noch offenen Saldo.
Die entscheidende Frage war, ob der AN vor der endgültigen Klärung des Vergütungsanspruchs seines NU seinen Anspruch auf Ersatz dieser Vergütung gegen den GU im Wege der Feststellungsklage verfolgen kann. Der BGH bejaht das Feststellungsinteresse. Anders als das KG sieht der BGH eine Klage auf Leistung nicht als vorrangig an. Dem AN ist es nicht zumutbar, die Forderung des NU, deren Prüfbarkeit und Berechtigung er bestreitet, im Rechtsstreit mit dem GU zu beziffern und ggfs. zu beweisen. Die Möglichkeit der Streitverkündung schließt das Feststellungsinteresse nicht aus. Sie hemmt die Verjährung lediglich bis sechs Monate nach dem Abschluss des Verfahrens, während das Feststellungsurteil gem. §§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 201 BGB zur dreißigjährigen Verjährung ab Rechtskraft des Urteils führt. Eine Klage auf Freistellung wäre ebenfalls keine vorrangige Leistungsklage, weil die Freistellung von einer unbezifferten Forderung nicht vollstreckbar ist und ein Urteil daher keine weitergehenden Wirkungen als ein Feststellungsurteil hätte.
Die Klage auf Abnahme
Schließlich ist die Feststellungsklage der richtige Weg, um den Anspruch auf Abnahme durchzusetzen. Die Abnahme ist Hauptpflicht des Auftraggebers nach § 640 Abs. 1 BGB. Verweigert der Auftraggeber die Abnahme, hat der Auftragnehmer ein Interesse daran, die Abnahme gerichtlich feststellen zu lassen. Die Abnahme ist Voraussetzung für den Beginn der Gewährleistungspflicht und die Beweislast für Mängel. Ein möglichst früher Beginn der Gewährleistungsfrist ist besonders für den Auftragnehmer von Bedeutung, der seine Leistung mit Hilfe von Nachunternehmern erbracht und deren Leistung bereits abgenommen hat.
Ein Regress wegen etwaiger Mängel gegenüber dem Nachunternehmer ist nur möglich, solange die Mängelansprüche aus dem Nachunternehmervertrag noch nicht verjährt sind. Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Abnahmepflicht ist die Feststellungsklage der richtige Weg. Sie ist der grundsätzlich möglichen Leistungsklage überlegen. Eine Klage auf Erklärung der Abnahme ist möglich. Nach § 894 ZPO gilt die Abnahme aber erst mit Rechtskraft des Urteils als erklärt, also erst am Ende eines möglicherweise langwierigen Mängelprozesses. Demgegenüber ermöglicht die Feststellungsklage die Feststellung der Abnahmewirkungen auch in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt.
Der BGH hat sich mit Urteil vom 09.05.2019 (VII ZR 154/18, BauR 2019, 1648) mit einer (negativen) Klage auf Feststellung befasst und dabei die grundsätzliche Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht. Insbesondere ist die Klage auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gerichtet. Der Klageantrag sollte nicht gerichtet sein auf die Feststellung der Verpflichtung zur Abnahme, sondern auf den Eintritt der Abnahmewirkungen. Die Abnahmewirkungen treten ein, wenn der Auftraggeber die Abnahme ausdrücklich oder konkludent erklärt, die Voraussetzungen einer fiktiven Abnahme, insbesondere nach § 640 Abs. 2 BGB, vorliegen oder – das ist bei Streit über die Abnahme von besonderer Bedeutung – der Auftraggeber die Abnahme unberechtigt verweigert.
Der Eintritt der Abnahmewirkungen ist ein Rechtsverhältnis. Indem mit dem Antrag die Abnahmewirkungen auf einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt gestützt werden können, insbesondere den Fristablauf bei der fiktiven Abnahme bzw. den Zeitpunkt der unberechtigten Abnahmeverweigerung, ist die Feststellungsklage gerade auch dazu geeignet, die Abnahmewirkungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtlich feststellen zu lassen.
Fazit
Die vorstehenden Entscheidungen des BGH zeigen, dass die Feststellungsklage auch im Baurecht von Bedeutung ist. Eine Partei kann sich mit ihr gegen aus ihrer Sicht unberechtigte Forderungen wenden. Sie ermöglich die gerichtliche Klärung eines Regressanspruchs auch in den Fällen, in denen die Höhe des Haftungsanspruchs noch nicht geklärt ist. Mit ihr können die Abnahmewirkungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtlich festgestellt werden.