Redaktion eGovPraxis
Können berufstätige Asylbewerber in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden? Nach Ansicht des BSG gibt es keine Möglichkeit des Eintritts in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung für Bezieher von Asylbewerberleistungen.
Der Fall
Die verheiratete Leistungsempfängerin nach dem AsylbLG beantragte die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung als sog. Familienversicherte. Ihr Ehegatte war zunächst versicherungspflichtig beschäftigt und nach Beendigung über die sogenannte obligatorische Anschlussversicherung (OAV) freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Da auch er Leistungen nach dem AsylbLG bezog - was die Krankenkasse erst im Nachhinein erfuhr -, wurde die OAV rückwirkend storniert. Die beklagte Krankenkasse lehnte eine Versicherung der klagenden Leistungsempfängerin in der gesetzlichen Krankenversicherung ab.
Die Entscheidung
Ebenso wie beide Vorinstanzen entschied das BSG, dass eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung weder über die allgemeine Regelung des § 9 SGB V noch über die OAV nach § 188 Abs. 4 SGB V möglich sei. Zwar sehe § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V den Eintritt der OAV nach seinem Wortlaut auch bei Ende einer Familienversicherung vor, dies beziehe sich aber nur auf den Wegfall der persönlichen Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V. Dies gelte hingegen nicht, wenn die Familienversicherung - wie hier - aufgrund des Wegfalls der Stammversicherung wegfalle. Dies ergebe sich einerseits aus der Akzessorietät der Familienversicherung zur Stammversicherung und andererseits aus systematischen Erwägungen. In die OAV sollten nur Personen aufgenommen werden, die zuvor Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung waren. Das sei bei der Klägerin (und ihrem Mann) wegen des Ausschlusses nach § 5 Abs. 8a Satz 1 und 2 SGB V (anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 4 AsylbLG) nicht der Fall gewesen.
Fazit
Das BSG nimmt hier bei der sehr komplexen und streitigen Regelung der OAV eine teleologische Einschränkung des Wortlautes des § 188 Abs. 1 Satz 1 SGB V vor und reduziert den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fälle, in denen sich die Familienmitgliedschaft aus in der Person des Familienversicherten liegenden Gründen ändert. Fällt die Familienversicherung weg, weil die Versicherung des Stammversicherten rückwirkend entfällt, so kann der Familienversicherte nicht über die „Hintertür“ in die gesetzliche Versicherung gelangen und dann so dem vorherigen Stammversicherten Familienversichertenschutz über § 10 SGB V vermitteln. Dies spielt, wie man am Fall sieht, insbesondere bei Beziehern von AsylbLG-Leistungen eine große Rolle, da diese aufgrund der Krankheitsleistungen nach § 4 AsylbLG generell von der Möglichkeit ausgeschlossen sind, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern.
(Autorin: Frau Antje Groß)
Quelle: Urteil des BSG vom 29.3.2022 - B 12 KR 15/20 R