Rechtliche Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen sind klar: gemäß § 122 Abs. 1 GWB werden „öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.“
Die Prüfung der Eignung des Bieters stellt eines der zentralen Elemente der Auswahl desjenigen Bieters dar, das schließlich den Zuschlag erhalten soll. Wesentliche Grundlage der Eignungsprüfung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz: es soll sichergestellt werden, dass erstens alle Bieter gleichermaßen den ausgeschriebenen Auftrag sachgerecht erfüllen können und dass zweitens der Auftraggeber anhand vorher festgelegter und für die Bieter transparenter Kriterien willkürfrei diejenigen Bieter auswählt, deren Angebote in die Wertung kommen sollen. Der öffentliche Auftraggeber ist zur Prüfung der Eignung der Bieter daher verpflichtet und darf den Zuschlag nur an Bieter erteilen, die ihre Eignung nachgewiesen haben.
Dies gilt nicht nur im Bereich der Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte gemäß § 122 Abs. 1 GWB, sondern auch unterhalb der EU-Schwellenwerte (vgl. § 6a Abs. 1 VOB/A sowie § 31 UVgO).
Besteht ein Vertrauensschutz?
Aber was passiert, nachdem der öffentliche Auftraggeber diese Eignungsprüfung einmal abgeschlossen und die Eignung eines Bieters bejaht hat? Gilt dann der Grundsatz „Einmal geeignet, immer geeignet“? Oder darf der öffentliche Auftraggeber in die an sich bereits abgeschlossene Eignungsprüfung noch einmal eintreten, die Eignung nochmal prüfen und dann verneinen? Diese Frage ist von großer praktischer Relevanz und es sind widerstreitende Interessen zu berücksichtigen.
Auf der einen Seite steht § 122 GWB bzw. die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, einen Auftrag nur an geeignete Unternehmen zu vergeben. Auf der anderen Seite die Interessen des betreffenden Bieters, denn eine Neubewertung und dann folgende Verneinung der Eignung hätte zwingend zur Folge, dass dieser Bieter vom Verfahren ausgeschlossen werden muss.
Zu diesem Zeitpunkt hat der Bieter sich aber schon darauf verlassen, weiter im Verfahren dabei zu sein, entsprechende Dispositionen getroffen und an der Angebotserstellung gearbeitet. Gerade in „großen“ und aufwändigen Vergabeverfahren ist der Aufwand der Angebotserstellung enorm.
Die Antwort auf die Frage, ob ein Vertrauensschutz besteht, lautet - wie so oft, wenn man es mit Juristen zu tun hat - „es kommt drauf an“.
Im offenen Verfahren
Im offenen Verfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb besteht nach der Rechtsprechung u.a. der VK Baden-Württemberg (Beschluss vom 25. August2021, 1 VK 42 / 21) kein Vertrauensschutz. In diesem Verfahren hatte ein Bieter ein Angebot abgegeben, hierin die geforderten Eignungsnachweise eingereicht und bekam dann zunächst die Mitteilung von der Vergabestelle, dass beabsichtigt sei, dem Angebot dieses Bieters den Zuschlag zu erteilen.
Dann aber stieg die Vergabestelle erneut in die Eignungsprüfung ein und schloss den Bieter im Ergebnis aus, weil die vorgelegten Referenzaufträge die Eignungsanforderungen (doch) nicht erfüllten, weil die Verträge der Referenzaufträge nicht mit dem Bieter, sondern mit einem anderen Unternehmen geschlossen worden waren und der Bieter diesen Umstand in seinem Angebot nicht offengelegt hatte. Die VK Baden-Württemberg hat dieses Vorgehen abgesegnet, dies mit dem Hinweis darauf, dass ein Vertrauensschutz des Bieters nicht besteht.
In zweistufigen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb
Noch einmal zur Erinnerung: im Unterschied zum offenen Verfahren gibt es auch zweistufige Vergabeverfahren mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb, etwa das nichtoffene und oder das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In diesem Verfahren reichen Bieter zuerst einen Teilnahmeantrag mit den Eignungsnachweisen ein, die Auftraggeber bewerten diese Teilnahmeanträge und nur die „geeigneten“ Bieter werden dann zur Angebotsphase eingeladen und dürfen auch ein Angebot abgeben.
In solchen zweistufigen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ist die Frage nach dem Vertrauensschutz nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 29. März 2021, Verg 9/21) anders zu beurteilen. Gegenstand des Verfahrens war ein Auftrag zur Programmierung von Software in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. Der Auftraggeber bejahte die Eignung aller Bewerber und lud alle Bewerber zur Angebotsphase ein.
Nach Abschluss des Verfahrens und der Angebotsabgabe sollte Bieter A den Zuschlag erhalten. Bieter B rügte nach Erhalt des Vorabinformationsschreibens nach § 134 GWB die beabsichtigte Zuschlagserteilung an Bieter A, weil dieser mangels Erfüllung der Referenzenanforderungen schon nicht geeignet sei. Im Ergebnis ließ das OLG Düsseldorf die Frage, ob Bieter A geeignet war oder nicht, offen.
Denn der Senat bejaht einen Vertrauensschutz des Bieters, deren Eignung bejaht worden ist und die zur Angebotsphase zugelassen sind. Das Ergebnis war, dass Bieter A den Zuschlag erhalten konnte und es auf die Frage, ob er denn nun geeignet war oder nicht, nicht ankam. In dem Beschluss heißt es:
Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf - wie hier - gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt.
Der Senat bejaht dies unter Berufung auf den allgemeinen Grundsatz „Treu und Glauben“ nach § 242 BGB und führt hierzu aus:
Dass dieser Vertrauenstatbestand im Interesse einer fairen Risikoabgrenzung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bieterunternehmen einer späteren Verneinung der Eignung auf gleichbleibender Tatsachengrundlage entgegensteht, ist ein letztlich in § 242 BGB wurzelnder Grundsatz, der allgemein gilt und nicht auf Bauvergabeverfahren beschränkt ist.
Mitbewerber sind nach dem OLG Düsseldorf schutzlos gestellt, denn
Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen.