Ausschluss aus dem Vergabeverfahren wegen vorheriger Schlechtleistung
Recht & Verwaltung05 März, 2024

Ausschluss aus dem Vergabeverfahren wegen vorheriger Schlechtleistung

Kein öffentlicher Auftraggeber vergibt einen Auftrag gern an einen Bieter, der vergleichbare Aufträge in der Vergangenheit nicht zufriedenstellend oder sogar schlecht ausgeführt hat. Aber es gelten hohe Voraussetzungen für einen Ausschluss eines Bieters wegen vorheriger Schlechtleistung.

Rechtliche Grundlagen

Wer einen vorherigen Auftrag schlecht ausgeführt, wird von demselben Auftraggeber beim nächsten Mal in der Privatwirtschaft einfach nicht wieder beauftragt. Das ist gängige Praxis und Ausdruck der Vertragsfreiheit. Bei öffentlichen Aufträgen ist die Ausgangslage aber eine andere. Denn öffentliche Auftraggeber können nicht gänzlich frei entscheiden, mit wem sie eine vertragliche Bindung eingehen wollen und mit wem nicht. Kraft Bindung an das Vergaberecht sind sie dazu verpflichtet, wettbewerbliche Verfahren unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung durchzuführen.

Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich jedem Unternehmen eine Beteiligung an einem Vergabeverfahren offenstehen muss und dass grundsätzlich jedes Unternehmen beanspruchen kann, einen Zuschlag zu erhalten, wenn es das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Einem Unternehmen kann daher nur dann die Beteiligung an einem Vergabeverfahren verwehrt werden, wenn es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt.

Die gesetzliche Grundlage für den Ausschluss eines Bieters wegen vorheriger Schlechtleistung liefert § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, der über § 31 Abs. 1 UVgO und § 6a Abs. 1 Satz 1 VOB/A auch im Unterschwellenbereich relevant ist. Dieser lautet:

             

Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.

 
       

Hieraus ergeben sich bereits die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss.

Vorherige Schlechtleistung

Der Begriff der vorerigen Schlechtleistung oder der mangelhaften Erfüllung ist weit zu verstehen. Diese ist immer dann zu bejahen, wenn eine wesentliche vertragliche Pflicht verletzt worden ist. Hierbei muss es sich nicht um Pflichtverletzungen aus einem Vertragsverhältnis mit dem ausschreibenden öffentlichen Auftraggeber handeln. Auch Pflichtverletzungen aus Verträgen mit anderen Auftraggebern können eine Rolle spielen (vorausgesetzt, der öffentlichen Auftraggeber erlangt Kenntnis davon).

Eine wesentliche Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn der öffentliche Auftraggeber durch den Mangel in tatsächlicher oder in finanzieller Hinsicht deutlich, d.h. nicht nur unwesentlich, belastet wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. Juli 2018, VII Verg 7/18). Hierbei wird es sich in der Praxis zumeist um Hauptleistungspflichten handeln. Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU benennt praxisrelevante Beispiele hierfür, z.B. Lieferausfall oder Leistungsausfall oder erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen. Zudem soll jedes Fehlverhalten ausreichen, das ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bieters aufkommen lässt.

Aber auch die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten kann relevant sein. Die Gesetzesbegründung zum Vergabemodernisierungsgesetz (BT-Drs. 18/6281, S. 106) benennt hierfür weitere Beispiele, z.B. Verstöße gegen eine Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit oder gegen wesentliche Sicherheitsauflagen. Die VK Bund (Beschl. v. 17. August 2023, VK 2 -56/23) hat den Ausschluss eines Bieters für rechtmäßig erklärt, der bei einem Vorauftrag an vertraglich vereinbarten wöchentlichen Baubesprechungen unentschuldigt sehr häufig nicht teilgenommen hat, auch dies war eine Nebenpflicht.

Erforderlich ist auch, dass die vertragliche Pflichtverletzung aufgrund ihrer Natur oder Dauer besonders schwerwiegend ist. Für die Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist auf die Bedeutung der verletzten Pflicht für den vom Vertrag vorausgesetzten Zweck sowie auf das Grad des Verschuldens des Bieters und die Folgen abzustellen, die die Pflichtverletzung für den öffentlichen Auftraggeber hat. Dies erfordert eine Einzelfallbetrachtung. Die Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht, an der der Bieter aber entweder nur ein geringes Verschulden trägt oder die keine schwerwiegenden Folgen für ihn hatte, rechtfertigt daher nicht ohne weiteres den Ausschluss dieses Bieters.

Nach der Gesetzesbegründung zum Vergabemodernisierungsgesetz kann zudem bereits der einmalige oder auch der erstmalige Verstoß gegen vertragliche Pflichten einen Ausschluss rechtfertigen, wenn es sich um eine „erhebliche Schlechterfüllung einer wesentlichen Anforderung handelt“. Allgemein gilt, dass bei Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht der Nachweis einer erheblichen Pflichtverletzung leichter zu führen sein wird als bei Verletzung einer Nebenpflicht. Bei einer solchen bedarf es besonderer Darlegungen des Auftraggebers, weswegen ihn die Verletzung nicht nur unwesentlich belastet.

So hatte der Auftraggeber etwa in dem o.g. Fall vor der VK Bund (Ausschluss des Bieters, weil dieser bei einem Vorauftrag an vertraglich vereinbarten wöchentlichen Baubesprechungen nicht teilgenommen hat) die Erheblichkeit der Pflichtverletzung nachvollziehbar damit begründet, dass die wöchentlichen Jour fixes zur Besprechung des Baufortschritts für ihn von großer Wichtigkeit für das Gelingen des Bauvorhabens war.

Konsequenzen aus der Pflichtverletzung

Der öffentliche Auftraggeber darf die Mängel zudem nicht einfach so hingenommen haben, sondern er muss konkrete Rechtsfolgen hieraus gezogen haben, wie etwa die vorzeitige Beendigung des Vertrags v.a. durch Kündigung oder die Geltendmachung von Schadensersatz. Auch vergleichbare Rechtsfolgen kommen in Betracht, z.B. die Geltendmachung von Vertragsstrafen wegen Lieferverzugs oder die Forderung von Nachbesserungsmaßnahmen.

Dabei handelt es sich um eine eigenständige Voraussetzung. Der öffentliche Auftraggeber muss die Konsequenzen der mangelhaften Erfüllung geltend gemacht haben, bevor er sich auf den Ausschlussgrund beruft. Auftraggeber, die sich daher nur über einen Auftragnehmer geärgert und sogar „zähneknirschend“ dessen Rechnungen bezahlt haben, können sich auf den Ausschlussgrund daher nicht berufen.

Unstreitig kann ein Ausschlussgrund dann gegeben sein, wenn die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Rechtsfolge durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde oder wenn das Unternehmen die Rechtsfolge hingenommen hat. Gibt es weder ein (rechtskräftiges) Urteil noch ein Anerkenntnis des Bieters, verlangt die Rechtsprechung jedenfalls eine Gewissheit in Form einer Überzeugung vom Vorliegen des Mangels, „die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet“ (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. März 2018, VII-Verg 49/17).

Dokumentation, vorherige Anhörung und Ermessensausübung

Die Schlechtleistung, auf die der Auftraggeber sich stützen will, muss in der Vergabeakte umfassend dokumentiert werden. Der Auftraggeber muss dokumentieren, welche Vertragspflichten genau verletzt worden sind, in welchem Umfang dies geschehen ist, welche Folgen dies hatte und welche Konsequenzen der Auftraggeber daraus gezogen hat.

Darüber hinaus kommt nach § 124 Abs. 1 GWB ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Daraus folgt nach der Rechtsprechung (etwa OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2021, Verg 11 / 20) die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, den Bieter vor seinem Ausschluss anzuhören, damit er unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen. Die Stellungnahme des Bieters im Nachprüfungsverfahren kann diese Anhörung, die eine ergebnisoffene Prognose- und Ermessensentscheidung vorbereiten soll, auch nicht ersetzen.

Darüber hinaus muss der Auftraggeber vor dem Ausschluss eine Prognoseentscheidung treffen und diese dokumentieren: der Auftraggeber muss vor dem Hintergrund der Pflichtverletzungen aus der Vergangenheit und der Stellungnahme des Bieters nach erfolgter Anhörung eine Prognose dazu anstellen, ob von dem Bieter zukünftig erwartet werden kann, den aktuellen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig auszuführen. Eingängig dargestellt wird dies in einer Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 29. Januar 2021, Verg 11 / 20).

Hier war einem Unternehmen ein Reinigungsvertrag über Grund- und Unterhaltsreinigung wegen behaupteter Schlechtleistung gekündigt worden, einen parallelen Vertrag im Bereich der Glasreinigung hatte der Bieter aber zufriedenstellend ausgeführt. Als der Auftraggeber diesen Bieter später in einem neuen Vergabeverfahren zur Vergabe eines Auftrags zur Glasreinigung ausschließen wollte, legte das Gericht klar, dass aus einer vorherigen Schlechtleistung im Bereich der Unterhaltsreinigung nicht die Prognose geschlossen werden könne, auch die Glasreinigung werde mangelhaft ausgeführt werden; denn u.a. werden beide Leistungen von unterschiedlichem Personal erbracht.

Der Ausschluss eines Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt zudem im Ermessen des Auftraggebers („kann ausschließen…“), d.h. der Auftraggeber muss sein Ermessen ausüben und eine Ermessensentscheidung treffen. Die Entscheidung muss ermessensfehlerfrei erfolgen, d.h. die Entscheidung über den Ausschluss muss vor allem auf Grundlage vollständiger und fehlerfreier Annahmen getroffen werden. Der Auftraggeber muss das Für und Wider eines Ausschlusses und die Folgen, wenn dieser Bieter nicht ausgeschlossen würde, berücksichtigen und abwägen. Diese Entscheidung muss er dokumentieren.

Legt der Bieter beispielsweise plausibel dar, dass es nur bei einem einzigen vorherigen Auftrag zu Pflichtverletzungen kam, dass und warum dies aber eine Ausnahme und der besonderen Situation dieses Auftrags geschuldet war und kann er darlegen, dass er andere öffentliche Aufträge zur Zufriedenheit der Auftraggeber ausgeführt hat, muss der Auftraggeber diese Aussagen berücksichtigen und bewerten. Dasselbe gilt für Selbstreinigungsmaßnahmen. Wenn z.B. ein Bieter, dem Lieferverzug in vorherigen Aufträgen vorgeworfen sind, darlegt, dass und wie er seine Produktionsabläufe umgestellt hat, so dass vergleichbare Lieferverzögerungen zukünftig nicht mehr zu erwarten sind, kann dies gegen einen Ausschluss sprechen.

Fazit

Aufraggeber, die von dem Ausschlussgrund Gebrauch machen wollen, sollten v.a. Aufwand in die Dokumentation und die Ermessensausübung, d.h. die Begründung der negativen Prognoseentscheidung investieren. Einem Unternehmen in der Vergangenheit wegen Schlechtleistung den Vertrag gekündigt zu haben ist insoweit kein Freifahrtschein für einen Ausschluss von laufenden Vergabeverfahren.

Bei Bietern, die zu einem solchen Ausschluss angehört werden, kommt es auf den Einzelfall an. Kam es in der Vergangenheit zu Vertragspflichtverletzungen und zu einer Kündigung oder einer ähnlichen Rechtsfolge, lässt sich das häufig nicht wegdiskutieren. Für Bieter kommt es dann eher darauf an, Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen und den Auftraggeber davon zu überzeugen, dass die Pflichtverletzungen aus der Vergangenheit wegen zwischenzeitlich durchgeführter Maßnahmen, Änderungen in internen Abläufen, einem Um- oder Ausbau der Produktions- und Lieferketten oder eingeführter Qualitätssicherungsmaßnahmen nicht mehr vorkommen werden. Je detaillierter dies dargelegt werden kann, umso eher wird es dem Auftraggeber schwerfallen, eine negative Prognoseentscheidung begründen zu können.

Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
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