Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Recht & Verwaltung16 Januar, 2023

Auswirkungen des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Zum 1. Januar 2023 trat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Welche Auswirkungen es auf die öffentliche Beschaffung haben wird, zeigt der folgende Beitrag auf.

RA Henning Feldmann


Inhalt und Ziele des LkSG

Lassen wir an dieser Stelle zunächst den Gesetzgeber (BT-Drs. 19/28649) selbst zu Wort kommen:

„Dieses Gesetz dient dazu, die internationale Menschenrechtslage durch eine verantwortungsvolle Gestaltung der Lieferketten in der BRD ansässiger Unternehmen zu verbessern. In Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe werden verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Implementierung der Kernelemente der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht besser nachzukommen.“

Damit ist an sich alles gesagt: das Ziel des LkSG liegt in der Stärkung der Geltung international anerkannter Umwelt- und Menschenrechtsstandards in den Lieferketten von Unternehmen. Hierfür legt das Gesetz in Deutschland ansässigen Unternehmen ab einer bestimmten Größe verbindliche Sorgfaltspflichten zum Schutz menschenrechtlicher und umweltbezogener Rechtsgüter auf.

Zu den geschützten Menschenrechten zählen hierbei beispielsweise das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und Sklaverei, die Gewährleistung eines Mindestmaßes an wirksamen Arbeitsschutzes sowie des Rechs auf Gründung von Gewerkschaften, das Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung auf Grund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, politischer Meinung, Religion oder Weltanschauung sowie die Zahlung eines angemessenen Lohns.

Die Umweltschutzstandards betreffen beispielsweise den Schutz vor Risiken durch den Umgang mit Quecksilber durch das sog. Minamata-Übereinkommen aus 2013, gegen persistente organische Schadstoffe im Stockholmer Übereinkommen von 2005 oder das Verbot von schweren Formen einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, schädlichen Lärmemission oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs.

Das LkSG erlegt den Unternehmen, die von dem Gesetz betroffen sind, eine Bemühenspflicht auf. Die Unternehmen müssen also nicht garantieren oder dafür einstehen, dass alle Menschenrechts- und Umweltschutzstandards entlang ihrer Lieferketten auch tatsächlich eingehalten werden. Sie sind aber dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten und müssen sich darum bemühen, Verletzungen zu vermeiden. Im Rahmen dieser Sorgfaltspflichten werden sie z.B. verpflichtet zur

  • Einrichtung eines Risikomanagements und
  • zur Durchführung einer Risikoanalyse,
  • zu Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie,
  • zur Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern,
  • zur sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen,
  • zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens und
  • es besteht Dokumentations- und Berichtspflicht in Bezug auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sieht auf seiner Internetseite weitere Informationen über das LkSG und die Pflichten, die hieraus für Unternehmen resultieren, bereit.

Für wen gilt das LkSG?

Das LkSG gilt für Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz, ihren satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben.

Daneben gilt das LkSG erst ab einer gewissen Unternehmensgröße, nämlich ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen, die mindestens 3.000 Mitarbeiter im Inland beschäftigen und ab dem Jahr 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern im Inland.

Leiharbeitnehmer sind hierbei zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt und bei Konzerngesellschaften sind die Mitarbeiter sämtlicher Konzernunternehmen zu berücksichtigen.

Gilt das LkSG auch für öffentliche Auftraggeber?

Das LkSG gilt nach § 1 Abs. 1 für Unternehmen, wobei es auf die Rechtsform nicht ankommt. Was ein „Unternehmen“ ist, definiert das Gesetz hierbei nicht weiter. Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff des „Unternehmens“ rechtsformneutral. Dass es auf die Rechtsform eines Unternehmens nicht ankommt, verdeutlicht der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf, dass das Bestehen von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken nicht von der gewählten Rechtsform des Unternehmens abhängt.

Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen, aber auch städtische GmbHs können daher in den Anwendungsbereich des LkSG fallen und müssten die oben dargestellten Maßnahmen daher ebenso umsetzen wie ein privates Unternehmen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass das Unternehmen auch unternehmerisches am Markt tätig ist. Als unternehmerische Tätigkeit gilt grundsätzlich jede nachhaltige, also dauerhafte, Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Das ist gegeben, wenn Handlungen gegenüber Dritten auf die Ausführung entgeltlicher Umsätze gerichtet sind oder wenn dafür Lieferungen und Leistungen von Dritten bezogen wurden. Nicht erforderlich ist eine Gewinnerzielungsabsicht, die Absicht zur dauernden Erzielung von Einnahmen reicht aus.

Die Gesetzesbegründung stellt hierzu auch klar, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, nicht unter das LkSG fallen, soweit sie nicht am Markt unternehmerisch tätig sind.

Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass auch die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand bereits ein unternehmerisches Tätigwerden am Markt ist, also beispielsweise die Durchführung eines Vergabeverfahrens eines Landes, einer Kommune oder des Bundes zur Deckung ihres Beschaffungsbedarfs. Doch dürfte es hierbei im Regelfall an der Absicht fehlen, durch diese Beschaffungstätigkeit dauernde Einnahmen zu erzielen. Denn ein Land, eine Kommune oder der Bund führen Vergabeverfahren nicht durch, um Einnahmen zu erzielen, vielmehr wollen sie gerade Geld ausgeben, um ihre Verwaltungsaufgaben erfüllen zu können.

Anders sind öffentliche Unternehmen etwa der Daseinsfürsorge zu beurteilen, die Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, etwa in den Bereichen Energie- und Wasserversorgung, ÖPNV oder Abfallentsorgung. Diese dürften als Unternehmen im Sinne des LkSG anzusehen sein. Dasselbe gilt z.B. für kommunale Krankenhäuser, die Gesundheitsdienstleistungen gegen Entgelt anbieten und hierdurch dauerhaft Einnahmen erzielen.

Wenn derartige Unternehmen der öffentlichen Hand dann auch noch die Mitarbeiterschwellen von 3.000 Mitarbeitern (ab 2023) oder 1.000 (ab 2024) erreichen, gelten die oben beschriebenen Sorgfaltspflichten auch für sie. Ein Blick in die Mitarbeiterzahlen von beispielsweise kommunalen Abfallentsorgern größerer Städte oder von großen kommunalen Klinikkonzernen verdeutlicht, dass diese Unternehmen die Pflichten des LkSG umsetzen müssen.

Auswirkungen für die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand

Das LkSG wird Auswirkungen auf Vergabeverfahren haben. § 22 LkSG regelt insoweit einen „neuen“ Ausschlussgrund, der § 124 GWB ergänzt. Hiernach sollen Unternehmen von Teilnahme an einem Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte ausgeschlossen werden, die gegen Sorgfaltspflichten des LkSG verstoßen haben und die hierfür rechtskräftig mit einer Geldbuße von wenigstens 175.000,00 Euro belegt worden sind. Der Ausschluss kann längstens für drei Jahre erfolgen, bis das Unternehmen eine erfolgreiche Selbstreinigung nach § 125 GWB nachgewiesen hat.

Wie groß die praktischen Auswirkungen dieses neuen Ausschlussgrundes sein werden, wird sich zeigen. Denn für die Umsetzung des LkSG ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig, das Verstöße feststellen und sanktionieren muss. Erst dann dürfen öffentliche Auftraggeber vom Ausschlussgrund des § 22 LkSG Gebrauch machen. Hierfür wird im Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) ein neuer § 2 Nr. 4 eingefügt, wonach rechtskräftige Bußgeldentscheidungen nach dem LkSG einzutragen sind, sie die Schwelle des § 22 LkSG überschreiten.

Daneben kann § 128 Abs. 1 GWB Bedeutung erlangen. Hiernach haben Unternehmen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, hierbei auch die nach dem LkSG. Öffentliche Auftraggeber sind hiernach auch berechtigt, sich über die Einhaltung dieses Gesetzes zu informieren; dies allerdings in der Regel erst nach Zuschlagserteilung, wenn der Auftraggeber ausgeführt wird. Es bleibt abzuwarten, ob und wie öffentliche Auftraggeber diese ihre Berechtigung wahrnehmen werden.

Was sollten öffentliche Unternehmen jetzt tun?

Öffentliche Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern müssen sich mit den Anforderungen des LkSG auseinandersetzen. Es muss eine Bestandsaufnahme erfolgen, inwieweit menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten im Unternehmen bereits gelebt werden, welche Maßnahmen der Risikoanalyse und des Risikomanagements es bereits gibt, welche Präventionsmaßnahmen im eigenen Unternehmen und gegenüber den Lieferanten zur Vermeidung von Verstößen gegen Menschenrechts- oder Umweltschutzvorschriften bereits etabliert sind und welche Beschwerdemaßnahmen es gibt.

Fehlende Bausteine in diesem Gebilde müssen dann schnell umgesetzt und entwickelt werden, wobei auch auf besonders verstoßanfällige Warengruppen zu achten ist. Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich hierbei auch auf ihre unmittelbaren Lieferanten, die vollen Sorgfaltspflichten werden einem Unternehmen also nur für das eigene Unternehmen und ihre direkten Vertragspartner auferlegt. Unter anderem empfiehlt die Gesetzesbegründung hierbei einen „Lieferantenkodex“, in dem vertraglich festgelegt wird, welche Vorgaben der Vertragspartner bei der Auftragsübernahme beachten muss, um bestimmten – in der Risikoanalyse identifizierten – menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder diese zu minimieren.

Weiter empfiehlt die Gesetzesbegründung, dass das Unternehmen durch die vertragliche Ausgestaltung mit ihren direkten Lieferanten auch sicherstellen sollte, dass die menschenrechtsbezogenen Erwartungen auch in der weiteren Lieferkettedurch Vorlieferanten erfüllt werden. Dies kann etwa durch die Vereinbarung von Weitergabeklauseln geschehen, durch die der Vertragspartner verpflichtet wird, den Lieferantenkodex auch gegenüber seinen eigenen Vertragspartnern durch geeignete vertragliche Regelungen durchzusetzen.

Es kommt daher noch einiges an Arbeit auf die betroffenen Unternehmen zu. Das BAFA kündigt hierzu Handreichungen und weitere Unterstützungsleistungen an, die bislang aber noch nicht erschienen sind.

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Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
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