Leistungsverweigerungsrechte am Bau rücken aufgrund ihrer hohen praktischen und finanziellen Relevanz immer mehr in den Fokus. Eskalationen und projektschädliche Stillstandskosten sind hierbei keine Seltenheit.
von Prof. Dr. Werner Langen
Leistungsverweigerungsrechte am Bau rücken aufgrund ihrer hohen praktischen und finanziellen Relevanz immer mehr in den Fokus. Eskalationen und projektschädliche Stillstandskosten sind hierbei keine Seltenheit.
von Prof. Dr. Werner Langen
Der Beitrag widmet sich der Frage, welche rechtlichen Folgen sich ergeben, wenn eine der Parteien zu Unrecht die Leistung verweigert. Die Frage gewinnt auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung an Bedeutung und wird durch die rechtlichen Unsicherheiten, die bspw. dem Leistungsverweigerungsrecht bei Nachtragsstreitigkeiten anhaften, weiter für Diskussionen sorgen. Arbeitseinstellungen sorgen nach wie vor für Verzögerungen an den Baustellen. Inwiefern der Gesetzgeber sein ausgedrücktes Ziel, dies zu verhindern, durch das neue Bauvertragsrecht erfolgreich umgesetzt hat, ist noch nicht absehbar.
Der Fokus dieses Beitrags liegt auf den möglichen wechselseitigen Ansprüchen, die sich aus der unberechtigten Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts ergeben. Zunächst werden die verschiedenen rechtlichen Grundlagen der Kündigung und die sich daraus ergebenden Folgen beleuchtet. Dabei werden die unterschiedlichen Erscheinungsformen der unberechtigten Leistungsverweigerung auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite in den Blick genommen und mit Blick auf die Vertragsbeendigung analysiert. Es folgen Überlegungen dazu, wie die gegenseitigen Verursachungsbeiträge bei der Bemessung der Folgeansprüche zu gewichten sind, insbesondere, wenn sich das Vertragsverhältnis insgesamt durch beiderseitige Eskalationstaktiken zerrüttet.
Da die Kündigung als Gestaltungsrecht nicht zwingend ausgeübt werden muss, werden anschließend kurz die Rechtsfolgen bei Vertragsfortführung trotz unberechtigter Leistungsverweigerung beleuchtet.
Um die unberechtigte Leistungsverweigerung als solche identifizieren zu können, ist es zunächst notwendig, sie zu definieren. Auf der Baustelle wird nicht immer deutlich artikuliert, ob einer der Beteiligten ein Leistungsverweigerungsrecht geltend macht. Es kommt auch vor, dass ein unzufriedener Bauunternehmer die Arbeiten einstellt oder ein kritischer Auftraggeber fällige Abschlagszahlungen schlicht nicht begleicht.
Dem Begriff der Weigerung ist immanent, dass es sich um eine Nichtvornahme, ein Unterlassen handeln muss. Der Bezug zur Leistung lässt darauf schließen, dass es stets um die Nichtvornahme einer Leistungshandlung geht. Das kann aber nicht das alleinige Merkmal sein, da für den Gläubiger allein aus dem Umstand, dass eine geschuldete Handlung nicht erfolgt, nicht erkennbar ist, womit er rechtlich konfrontiert wird. Wenn der Auftragnehmer der Baustelle fernbleibt, kann das vielfältige Ursachen haben. Er kann seine Produktionsmittel im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit anderweitig einsetzen, ohne dass die rechtzeitige Fertigstellung der Leistung dadurch gefährdet wird. Es kann ihm auch vorübergehend unmöglich sein, die Leistung zu bewirken, bspw. wenn die von ihm bestellten Materialien im Suezkanal liegen.
Dies sind jedoch keine Fälle der (berechtigten oder unberechtigten) Leistungsverweigerung. Die Leistungsverweigerung ist entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der Zurückbehaltungsrechte als Druckmittel dadurch geprägt, dass der Schuldner eine Leistung trotz Fälligkeit und Möglichkeit3 willentlich nicht erbringt, und zwar, weil der Verweigernde eine zusätzliche Handlung des Gläubigers erwirken will. Von einer unberechtigten Leistungsverweigerung kann folglich nur dann gesprochen werden, wenn der Schuldner eine ihm obliegende Leistung zurückhält, weil er vom Gläubiger eine Verhaltensweise fordert, zu welcher dieser jedoch nicht verpflichtet ist.
Diese rein subjektive Komponente ist für den anderen Teil nicht immer erkennbar. Dadurch, dass für eine berechtigte Leistungsverweigerung nach § 320 BGB allein das Bestehen der Einrede ausreicht, um die Durchsetzbarkeit der Gegenansprüche zu hemmen, ist für den Gläubiger oftmals nicht erkennbar, ob der Schuldner die Leistung aus von ihm zu vertretenden Gründen trotz Möglichkeit und Leistungswillens nicht vorgenommen hat oder ob der Schuldner die Leistung als Druckmittel verweigert.
Ebenso kann es für den Auftraggeber unterschiedliche Gründe geben, warum er seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Er kann Abschlagszahlungen zurückhalten, weil er sie grundsätzlich nicht für berechtigt hält (etwa bei Nachtragsstreitigkeiten), er kann die Zahlung von der Nachbesserung von Mängeln abhängig machen oder schlichtweg zu lange für die Rechnungsprüfung benötigen. Eine Leistungsverweigerung im obigen Sinne wird man nur in den beiden ersten Fällen annehmen können. Der dritte Fall stellt dagegen eine schlichte Nichtleistung dar.
Die Identifikation unberechtigter Leistungsverweigerungen in Abgrenzung zum einfachen Verzug kann über die Einordnung des streitigen Sachverhalts in den Kontext der gesetzlich normierten Leistungsverweigerungsrechte erfolgen.
Auf der Auftraggeberseite kommt in dieser Hinsicht das unberechtigte Zurückhalten von Abschlagszahlungen oder die Zurückhaltung der Schlusszahlung aufgrund eines doppelten Mängeleinbehalts nach § 641 Abs. 3 BGB in Betracht. Denkbar ist auch, dass der Auftraggeber andere Mitwirkungshandlungen zu Unrecht verweigert, z.B. die Vorlage von Plänen, deren Erstellung er in der Pflicht des Auftragnehmers sieht. Der Auftragnehmer kann die Arbeit bspw. gem. § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B einstellen, wenn der Auftraggeber mit Abschlagszahlungen in Verzug gerät und die weiteren Voraussetzungen der Bestimmung vorliegen.
Auch kann sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers aus § 650f Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. BGB ergeben, wenn der Auftraggeber einem Sicherungsverlangen des Auftragnehmers nach § 650 f Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht rechtzeitig nachgekommen ist.
Ähnliches ergibt sich aus § 650e BGB i.V.m. § 273 Abs. 1 BGB für die pflichtwidrige Nichtgestellung einer Sicherungshypothek.
In der Leistungskette kann der Nachunternehmer nach § 320 Abs. 1 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt werden, wenn über § 641 Abs. 2 BGB die Vergütung vor der Abnahme fällig wird.
Im Rahmen der Mängelbeseitigung kann der Unternehmer die Leistung nach § 635 Abs. 3 BGB verweigern, wenn die Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei der diesbezügliche Schadensersatz gem. § 636 BGB unabhängig davon zu zahlen ist, ob die Leistungsverweigerung berechtigt oder unberechtigt erfolgte.
Zuletzt gelten die allgemeinen Einreden nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auch für den Bauunternehmer.
Aus aktuellem Anlass ist auch die Pflicht, bei Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB eine Vertragsanpassung durchzuführen, zu erwähnen. Weigert sich eine der Parteien, über die zu Recht begehrte Vertragsanpassung zu verhandeln, so kann die andere Partei aufgrund der Weigerung und der damit verbundenen Verletzung der Kooperationspflicht ein Leistungsverweigerungsrecht ableiten.
Bei einer Arbeitseinstellung durch den Auftragnehmer während des Bauprozesses stellt sich zudem die Frage, ob überhaupt von der Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts gesprochen werden kann. Das Leistungsverweigerungsrecht wird nämlich in der allgemeinen zivilrechtlichen Literatur als Recht zur Nichterbringung einer fälligen Leistung definiert. Der Werkherstellungsanspruch wird jedoch grundsätzlich erst zum Ablauf der Fertigstellungsfrist als Ganzes fällig.
Der Weg dorthin unterliegt der Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers. Dementsprechend wäre eine Arbeitseinstellung vor dem Fertigstellungstermin nicht als Leistungsverweigerung anzusehen. Falls Zwischenfristen vereinbart wurden, der Auftragnehmer diese aber mit seiner Arbeitseinstellung nicht überschreitet, wird sich die Frage entsprechend stellen.
Diese Frage soll hier nicht vertieft werden. Sowohl von den Oberlandesgerichten als auch in der Kommentarliteratur wird davon ausgegangen, dass die Arbeitseinstellung auch vor Fälligkeit als „Leistungsverweigerung“ zu bezeichnen ist. Diese Ansicht wird hier zu Grunde gelegt.
Die Leistungsverweigerung kann als Behinderungstaktik und gezielt zur Eskalation von Konflikten eingesetzt werden. Sie ist dabei eine äußerst riskante Strategie der Konfliktführung. Leistungsverweigerungen führen häufig zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags durch den Vertragspartner und können immense Folgeschäden verursachen, für die derjenige, der die Leistung unberechtigt verweigert hat, grundsätzlich einstehen muss.
Daher handelt es sich um eine ultima ratio, die nur angewandt werden sollte, wenn sich der Verweigernde wirklich sicher ist, dazu auch berechtigt zu sein. Die unberechtigte Leistungsverweigerung ist daher in der Praxis überwiegend, nicht als vorsätzlicher Vertragsbruch anzutreffen, sondern die Konsequenz einer Fehleinschätzung der Rechtslage und damit ein Rechtsirrtum.