BVerwG klärt die Anforderungen an die Vorgaben für dienstliche Beurteilungen von Verbeamteten
Recht & Verwaltung30 März, 2022

Vorgaben für dienstliche Beurteilungen von Verbeamteten

Redaktion eGovPraxis Personal

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Anlassbeurteilung.

Die Klägerin steht im Dienst einer Stadt in Rheinland-Pfalz. Im März 2015 schrieb die Stadt zwei Leitungsstellen aus, auf die sich auch die Klägerin bewarb. Für sämtliche Bewerbende erstellte die Stadt Anlassbeurteilungen. In der Leistungsbewertung erzielte die Klägerin innerhalb des von der Beklagten gewählten fünfstufigen Bewertungssystems die zweithöchste Bewertung "B" ("übertrifft die Anforderungen"). Bei der Beurteilung der Befähigung wurde der Klägerin 15-mal die zweithöchste der fünfstufigen Skala -"II -stark ausgeprägt" -und zweimal die dritthöchste Bewertung -"III -normal ausgeprägt" -zuerkannt. Die dienstliche Beurteilung weist weder ein Gesamturteil für die Befähigung noch ein zusammenfassendes Urteil der Leistungsbeurteilung und der Befähigung auf. Bei beiden Auswahlentscheidungen wurde die Klägerin nicht berücksichtigt. Die von der Klägerin geführten Konkurrentenstreitverfahren blieben erfolglos. Die Klägerin wandte sich daraufhin gegen die Anlassbeurteilung. Damit hatte sie vor dem OVG keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG das Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts erneut dienstlich zu beurteilen.

Entscheidung

Das BVerwG hat mit dem vorliegenden Urteil vom 07.07.2021 - 2 C 2/21 - unter Aufgabe von BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12/14 - die Anforderungen an rechtliche Vorgaben für dienstliche Beurteilungen von Verbeamteten geklärt.

Soweit das OVG entschieden habe, die dienstliche Beurteilung sei nicht zu beanstanden, halte dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die dienstliche Beurteilung vom 07.10.2016 und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Zwar habe die beklagte Stadt gegen § 69 Abs. 8 des Landespersonalvertretungsgesetzes Rheinland-Pfalz verstoßen, wonach die oder der zu beurteilende Beschäftigte vor dem Beurteilungsgespräch auf das Recht hinzuweisen ist, ein Mitglied des Personalrats an diesem Gespräch zu beteiligen. Dieser Gesetzesverstoß der Beklagten führe aber noch nicht zum Erfolg der Klage, weil der Klägerin dieses Recht unabhängig von dem konkreten Anlass ihrer Bewerbung wegen ihrer langjährigen Mitgliedschaft im Personalrat der Beklagten hätte bekannt sein müssen.

Angesichts der Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung könnten die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Die grundlegenden Vorgaben für ihre Erstellung müssten vielmehr in Rechtsnormen geregelt werden. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichteten den Gesetzgeber, die für die Verwirklichung eines Grundrechts oder - wie hier - eines grundrechtsgleichen Rechts maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Dabei habe der Gesetzgeber das System-Regel - oder Anlassbeurteilungen -sowie die Bildung eines zusammenfassenden Gesamturteils vorzugeben. Weitere Einzelheiten, wie der Rhythmus von Regelbeurteilungen oder der Inhalt der zu beurteilenden Einzelmerkmale, könnten einer Rechtsverordnung auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung überlassen bleiben. Die in Rheinland-Pfalz zum Zeitpunkt der Erstellung der Anlassbeurteilung und auch jetzt noch geltenden Rechtsnormen über die dienstlichen Beurteilungen seien unzureichend. Die in Rheinland-Pfalz bestehende große Bandbreite an Beurteilungsrichtlinien beeinträchtige unmittelbar die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von Verbeamteten innerhalb des Bereichs ihres Dienstherrn und damit deren Funktion im Rahmen einer an Art. 33 Abs. 2 GG orientierten Auswahlentscheidung. Die vorhandenen Rechtsnormen und die auf sie gestützten Verwaltungsvorschriften könnten aber für einen Übergangszeitraum weiterhin angewendet werden, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden. Die Anlassbeurteilung der Klägerin sei hier rechtswidrig, weil die Beklagte in der Beurteilung kein abschließendes Gesamturteilgebildet habe. In dieses Gesamturteil müssten sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG einfließen. Dazu zählten auch die Einzelmerkmale der Befähigung.

Praktische Bedeutung

Das BVerwG klärt mit dieser veröffentlichten Entscheidung die Anforderungen an die rechtlichen Vorgaben für dienstliche Beurteilungen von Verbeamteten. Es wendet trotz vereinzelt geäußerter Kritik den verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatz weiterhin auf die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen von Verbeamteten an und macht deutlich, dass die Entscheidung über das Beurteilungssystem und die Vorgabe der Bildung des abschließenden Gesamturteils unter Würdigung aller Einzelmerkmale für eine dienstliche Beurteilung wesentlich sind. Nach Auffassung des BVerwG ist der Gesetzgeber jedoch nicht gehindert, im Gesetz unmittelbar mehr zu regeln als die genannten wesentlichen Aspekte.

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