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Recht & Verwaltung09 September, 2022

Anwendbarkeit der Neuregelungen der BRAO Reform auf die anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft

Von Ass. jur. Stephan Kohlhaas | Mitglied der Geschäftsführung bei von Lauff und Bolz Versicherungsmakler GmbH

Die reformierte Bundesrechtsanwaltsordnung ist am 01.08.2022 in Kraft getreten. Das Herzstück der Neuregelung ist ein in §§ 59b ff. BRAO n.F.  verortetes, vollkommen überarbeitetes Recht der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft. Dieses zeichnet sich durch einen entitätsbezogenen Ansatz aus. 
Die Berufsausübungsgesellschaft als solche ist nun neben den Rechtsanwälten Adressat des anwaltlichen Berufsrechts. Allerdings sind nicht alle Regelungen der BRAO gleichermaßen für alle Berufsausübungsgesellschaften anwendbar. Je nach Haftungsverfassung und Gesellschafterstruktur gelten unterschiedliche berufsrechtliche Anforderungen. 

Erfahren Sie, welchen konkreten Handlungsbedarf anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften ab dem 01.08.2022 haben, um berufsrechtskonform aufzutreten! 

Die Haftungsverfassung der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften nach der BRAO Reform: Haftungsbeschränkt vs. Nicht haftungsbeschränkt

Die Haftungsverfassung der Berufsausübungsgesellschaften ist entscheidend für ihre Zulassungspflicht und die Parameter der zu vereinbarenden Berufshaftpflichtversicherung.
 

Berufsausübungsgesellschaften

Haftungsbeschränkt Nicht haftungsbeschränkt

Hierzu zählen insbesondere die 

  • PartG mbH,
  • GmbH & Co. KG, 
  • UG, 
  • GmbH, 
  • AG und 
  • LLP.
     

Hierzu zählen die 

  • GbR, 
  • PartG ohne Beschränkung der Berufshaftung und
  • die nunmehr als anwaltliche BAG mögliche OHG.
 

 

 

 

Auch sog. Scheinsozietäten haben als GbR qua Rechtsschein die neuen berufsrechtlichen Anforderungen für nicht haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften einzuhalten 

Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe und ihre Zulassungspflicht nach der BRAO Reform

Eine der bedeutsamsten Änderungen, die die BRAO-Reform für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften einführt, ist die Erweiterung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe  um Angehörige sämtlicher freier Berufe gemäß § 1 Abs. 2 PartGG . Diese können nun Gesellschafter einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft sein, § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRAO  n.F., was auch praktische Auswirkungen auf die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft haben kann.

Die Zulassung der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft nach § 59f BRAO: Zulassungspflicht vs. Optionale Zulassung

 

Berufsausübungsgesellschaften

Haftungsbeschränkt Nicht haftungsbeschränkt  
Neben den anwaltlichen Berufsträgern gem. § 59f Abs. 1 S. 1 BRAO n.F. zulassungspflichtig.

Keine Zulassungspflicht, aber Zulassung auf freiwilliger Basis möglich, § 59f Abs. 1 S. 3 BRAO n.F.

Vorteile: 

  • Aufnahme in das Verzeichnis der zuständigen Rechtsanwaltskammer gem. § 31 Abs. 4 BRAO n.F.

  • Einrichtung eines gesellschaftsbezogenen besonderen elektronischen Anwaltspostfachs gem. § 31b BRAO n.F.
     
Sonderfall: Ausländische Berufsausübungsgesellschaften
Eine Zulassungspflicht besteht gem. § 207a Abs. 1 Nr. 5 BRAO n.F. auch für Berufsausübungsgesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Welthandelsorganisation haben und über eine Zweigniederlassung in Deutschland Rechtsdienstleistungen erbringen (Beispiel: US-amerikanische und UK-LLPs).
 

Praktische Hinweise

1. Zulassungsformulare sind auf den Webseiten der Rechtsanwaltskammern erhältlich.

2. Bestehen mehrere Büros einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft, so muss am Sitz einer Zweigniederlassung bei der lokalen Rechtsanwaltskammer die Zulassung beantragt werden. Die übrigen Büros gelten dann als Zweigstellen, auf die sich die Zulassung erstreckt.

3. Der Antrag auf Zulassung ist gem. § 209a Abs. 2 S. 1 BRAO n.F. bis 01.11.2022 zu stellen. Bis zur Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über den Zulassungsantrag gilt die Berufsausübungsgesellschaft als rechtsdienstleistungsbefugt und postulationsfähig, § 209a Abs. 2 S. 2 BRAO n.F.

4. Im Zulassungsverfahren ist auch eine Bescheinigung über den Abschluss einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung für die Berufsausübungsgesellschaft vorzulegen, § 52f Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BRAO n.F.

Die Berufshaftpflichtversicherung der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften nach der BRAO Reform

Vor Inkrafttreten der BRAO-Reform war ausschließlich die Rechtsanwalts–GmbH (und die kraft Richterrechts analog behandelte Rechtsanwalts-AG) als solche versicherungspflichtig. Des Weiteren konnten Partnerschaftsgesellschaften durch eine optionale gesellschaftsbezogene Versicherung die Haftungsabschirmung einer PartGmbB erlangen. Im Übrigen waren ausschließlich die anwaltlichen Berufsträger persönlich versicherungspflichtig, auch wenn sie in einer Sozietät tätig waren.

Nunmehr sind sämtliche anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften als solche neben den Rechtsanwälten persönlich versicherungspflichtig, § 59n Abs. 1 BRAO n.F. Dies gilt auch für ausländische Berufsausübungsgesellschaften gem. §§ 207a Abs. 2 S. 1, 59n, 59o BRAO n.F.

Durch die gesellschaftsbezogene Versicherungspflicht müssen sich die Partner einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft nun auf einen Versicherer für die Gesellschaft einigen. Die Abbildung der Berufshaftpflichtversicherung über die personenbezogenen Versicherungen der Partner ggf. bei unterschiedlichen Anbietern ist nicht mehr zulässig.

Die Mindestversicherungssumme der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften

Berufsausübungsgesellschaften

Haftungsbeschränkt Nicht haftungsbeschränkt  

≥ 11 Berufsträger:
2.500.000 Euro

Achtung:
Im Zulassungsverfahren ist die Vorlage einer aktualisierten Versicherungsbestätigung erforderlich.

 

500.000 € je Versicherungsfall
≤ 10 Brufsträger:
gem. § 59o Abs. 2 BRAO n.F. reduzierte Mindestversicherungssumme von 1.000.000 Euro je Versicherungsfall.

Achtung: 
Reduzierung der Versicherungssumme ist nur in Ausnahmefällen und nach umfassender Risikoanalyse unter Berücksichtigung ggf. mit den Mandanten gem. § 52 BRAO vereinbarter Haftungsbegrenzungen empfehlenswert.

Achtung: 
Anpassungsbedarf besteht, wenn eine „kleine“ Berufsausübungsgesellschaft durch die Zunahme der Partneranzahl sich in eine „große“ Berufsausübungsgesellschaft mit mehr als 10 Partnern verwandelt.
 
 

Die Jahreshöchstleistung der Berufshaftpflichtversicherung einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft

Die Jahreshöchstleistung der Berufshaftpflichtversicherung einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft kann gem. § 59o Abs. 4 S. 1 BRAO begrenzt werden auf den Betrag der jeweiligen Mindestversicherungssumme, vervielfacht mit der Zahl der Gesellschafter und mit der Zahl der Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind. Die Jahreshöchstleistung muss sich jedoch in jedem Fall mindestens auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme belaufen, § 59o Abs. 4 S. 3 BRAO.
Nach dem Wortlaut dieser Regelung wären in die Bemessung der Jahreshöchstleistung der Berufshaftpflichtversicherung auch nicht anwaltliche Gesellschafter und bei ausländischen Berufsausübungsgesellschaften, wie zum Beispiel US-amerikanischen oder englischen LLPs, auch ausländische Partner einzubeziehen. 

Mittlerweile wurde der Regierungsentwurf eines „Reparaturgesetzes“ zur BRAO – Reform veröffentlicht.  Das Reparaturgesetz ist insbesondere für den hier darzustellenden Handlungsbedarf bezüglich der Berufshaftpflichtversicherung der Berufsausübungsgesellschaften bedeutsam. 

Der Regierungsentwurf zum BRAO – Reparaturgesetz sieht vor, dass sich die Jahreshöchstleistung der Berufsausübungsgesellschaft ausschließlich an den anwaltlichen Gesellschaftern, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen oder niedergelassen sind, orientiert.
Angesichts des Gesetzgebungsverfahrens dürfte sich die von den Rechtsanwaltskammern zwischenzeitlich vertretene Auffassung, dass es bei der Maximierung der Versicherungssumme von ausländischen Berufsausübungsgesellschaften auf sämtliche, auch ausländische Partner, ankommen soll, bereits jetzt - also auch vor Verabschiedung des Gesetzes - erledigt haben.
Da auch Scheinsozietäten als Berufsausübungsgesellschaft anzusehen sind, sind dem entsprechend Scheinsozietäten bei der Bemessung der Jahreshöchstleistung zu berücksichtigen.

Konsequenzen bei Nichteinhaltung der berufsrechtlichen Vorgaben der BRAO 

Wird die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht in dem vorgeschriebenen Umfang unterhalten, so haften neben der Berufsausübungsgesellschaft die Gesellschafter und die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans gem. § 59n Abs. 3 BRAO n.F. persönlich in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes. 
Jedenfalls gegen zugelassene Berufsausübungsgesellschaften kann bei Verstößen z.B. gegen die Versicherungspflicht nunmehr entweder gem. § 74 Abs. 4 BRAO eine Rüge ausgesprochen oder anwaltsgerichtliche Sanktionen nach § 113 Abs. 3 BRAO festgelegt werden. Voraussetzung ist, dass eine „Leitungsperson“ gem. § 113 a BRAO schuldhaft gegen die Berufspflicht verstößt. Bei Verstößen von „Nicht-Leitungspersonen“ ist eine Sanktion möglich, wenn die Pflichtverletzung durch angemessene organisatorische, personelle oder technische Maßnahmen hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können.
Die Einhaltung der neuen berufsrechtlichen Anforderungen ist also auch aus diesem Blickwinkel durchaus ernst zunehmen.
Bildnachweis: Yaroslav Astakhov/stock.adobe.com
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