Das Vorbeschäftigungsverbot im Rahmen der sachgrundlosen Befristung gem. § 14 Abs. 2 S.1 TzBfG
Recht & Verwaltung06 September, 2022

Das arbeitsrechtliche Vorbeschäftigungsverbot gem. § 14 TzBfG

von Benjamin Litty, Kommunaler Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz

Bei befristeten Arbeitsverträgen wird grundsätzlich zwischen Befristungen mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) und Befristungen ohne Sachgrund (§ 14 Abs. 2 TZBfG) unterschieden.

Sachgrundlose Befristungen sind nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG  bis zur Dauer von zwei Jahren ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zulässig. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist eine höchstens dreimalige Verlängerung möglich. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung allerdings nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (sog. „Vorbeschäftigungsverbot“).

Entwicklung der Rechtsprechung zum Vorbeschäftigungsverbot:

Das Verbot der Vorbeschäftigung ist seither Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesarbeits- und Bundesverfassungsgerichts.

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wäre jegliche Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber schädlich, gleich in welcher Form diese bestand oder wie lange diese bereits zurückliegt.

Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist es jedoch, sog. „Kettenbefristungen“, d.h. das unzulässige und missbräuchliche Aneinanderreihen einer Vielzahl von befristeten Verträgen, zu verhindern. Liegt die Vorbeschäftigung daher bereits mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zurück, besteht diese Gefahr de facto nicht mehr.

1. Entscheidung des BAG vom 06.04.2011

Basierend auf diesen Gedanken entschied das BAG in seinem Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/06 zunächst, dass eine sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigungsverbot zulässig ist, wenn zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen mehr als 3 Jahre liegen.

2. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018

Das Bundesverfassungsgericht verwarf diese Rechtsfortbildung des BAG in seinem Beschluss vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 als unzulässig, da sie keine Stütze im Gesetz finde. Jedoch untersagte auch das Bundesverfassungsgericht spätere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse nicht per se. Im Wege einer sog. verfassungskonformen Auslegung gilt das Verbot der Anschlussbeschäftigung daher nicht, wenn keine Ausnutzung des Arbeitnehmers gegeben ist und keine Gefahr von Kettenbefristungen besteht.

Dies ist der Fall, wenn eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber entweder

  • sehr lange zurückliegt oder
  • ganz anders geartet war oder
  • von sehr kurzer Dauer war.

Praxistipp: Diese Voraussetzungen müssen nicht kumulativ, sondern alternativ vorliegen.

Wann genau eine solche Fallkonstellation jedoch vorliegt entschied das Bundesverfassungsgericht nicht. Dies ist Aufgabe der Instanzgerichte. Diesen obliegt ein Beurteilungsspielraum im Einzelfall. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat daher das BAG versucht diesen Fallkonstellationen Konturen zu geben.

Die wichtigsten Entscheidungen hierzu sind:

Fallkonstellation 1: Vorbeschäftigung liegt sehr lange zurück

Nicht ausreichend ist es, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen

liegen.

Ausreichend ist jedoch ein Zeitraum von 22 Jahren (BAG 21.08.2019, 7 AZR 452/17).

Praxistipp: Eine Vorbeschäftigung steht einem neuen befristeten Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund erst nach 22 Jahren nicht mehr entgegen.

Fallkonstellation 2: andere Tätigkeit

Die neue Tätigkeit muss wesentlich unterschiedliche oder erhebliche zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern (BAG 12.06.2019, 7 AZR 477/17). Es muss sich um eine anders geartete Tätigkeit handeln, die in keinem Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit steht.

Nicht ausreichend
ist es, wenn:

  • ein als Produktionshelfer Beschäftigter als Maschinenbediener eingestellt wird (BAG 17.04.2019, 7 AZR 323/17),
  • ein Schweiß- und Montagearbeiter später als Facharbeiter „Produktion und Logistik“ beschäftigt wird (LAG Baden-Württemberg 23.01.2019, 7 AZR 733/19),
  • ein „Montierer in der Abteilung Motorenbau“  als „Montierer in der Fahrzeugmontage im Bereich Karosseriemontage“ tätig wird (BAG 23.01.2019, 7 AZR 13/17).

Praxistipp: Eine Beschäftigung an unterschiedlichen Arbeitsplätzen im Betrieb genügt nicht. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgezählten Beispielsfällen (vgl. BVerfG 06.06 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Rn. 63) ist es regelmäßig erforderlich, dass die im neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren.

Eine anders gelagerte Tätigkeit kann vorliegen:

  • während der Schul- und Studienzeit oder aus familiären Gründen oder bei Werkstudierenden kann es sich bei einer späteren Tätigkeit um eine neue Tätigkeit handeln (BAG 12.06.2019, 7 AZR 429/17).

Fallkonstellation 3 - sehr kurze Dauer

Nicht von sehr kurzer Dauer ist jede Beschäftigung

  • von mehr als 3 Monaten

Von sehr kurzer Dauer

  • ist eine ca. 8 Wochen bis maximal 3 Monaten dauernde Beschäftigung, insbesondere wenn ein Zeitraum von über 13 Jahren zwischen den Arbeitsverhältnissen lag (BAG 15.12.2021, 7 AZR 530/20).

Praxistipp 1: Eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer ist grds. unschädlich, da es sich dabei um keine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber handelt.

Praxistipp 2: befristete Arbeitsverträge sind in jedem Fall vor Arbeitsbeginn zwingend schriftlich zu fixieren.

Praxistipp 3: Die vorgenannten Kriterien können auch durch eine Überschneidung oder Vermischung einen Ausnahmetatbestand vom Vorbeschäftigungsverbot begründen. Dies ist jedoch nicht anhand genereller Maßstäbe bestimmbar, sondern stets im individuellen Einzelfall zu prüfen. Eine unzulässige Befristung führt zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.

Bildnachweis: Jacob Lund/stock.adobe.com
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