von Redaktion eGovPraxis Personal
Sachverhalt
Der Antragsteller ist ein als Anstalt des öffentlichen Rechts betriebenes Universitätsklinikum.
Der Beteiligte zu 1. ist der beim Antragsteller gebildete Personalrat der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten mit 21 Mitgliedern, dem auch die Beteiligte zu 2. angehört.
Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren, die vom Beteiligten zu 1. verweigerte Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 2. zu ersetzen.
Die im Jahr 1959 geborene Beteiligte zu 2. wurde im Jahr 1977 bei dem Antragsteller als Reinigungskraft eingestellt. Seit 2005 ist sie als Disponentin in die Entgeltgruppe 6 TV-L eingruppiert. Schon seit 1993 ist sie wegen ihrer Personalratstätigkeit von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Die verheiratete Beteiligte zu 2. ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Sie ist unterhaltspflichtig für einen volljährigen, schwerbehinderten Sohn.
Mit Schreiben vom März 2019 hörte der Antragsteller die Beteiligte zu 2. wegen des Verdachts einer missbräuchlichen Amtsausübung, einer schweren Störung des Betriebsfriedens, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit an. Er führte dazu aus: Er habe Hinweise erhalten, dass die Beteiligte zu 2. Interessenten auf ausgeschriebene Stellen gesagt habe, eine Bewerbung habe nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn die Interessenten auch Mitglied der Gewerkschaft Z. seien bzw. noch würden, und der Beteiligte zu 1. helfe nur Z.-Mitgliedern. Zudem bestehe der Verdacht, dass die Beteiligte zu 2. Geschenke bzw. geldwerte Vorteile von Bewerbern oder Dritten angenommen habe.
Mit getrennten Schreiben vom April 2019 hörte der Antragsteller die Schwerbehindertenvertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an und beantragte beim Beteiligten zu 1. die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom April 2019 beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Nach seinen Angaben liegt diese Zustimmung mittlerweile vor.
Mit Beschluss vom November 2020 hat die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts die Zustimmung des Beteiligten zu 1. zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 2. gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 LPVG NRW ersetzt. Gegen diesen Beschluss haben der Beteiligte zu 1. und die Beteiligte zu 2. Beschwerde erhoben.
Entscheidung
Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit dem vorliegenden Beschluss vom 24.09.2021 – 20 A 3558/20 zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Personalratsmitglieds und einer Zustimmung des Personalrats Stellung genommen. Im konkreten Fall habe die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts die Zustimmung des Personalrats zur außerordentlichen Kündigung des Personalratsmitglieds zu Recht nach dem Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW ersetzt.
Nach dem LPVG NRW bedürfe die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Personalrats, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, der Zustimmung des Personalrats. Verweigere der Personalrat seine Zustimmung oder äußere er sich nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, so könne das Verwaltungsgericht sie auf Antrag der Dienststelle ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor.
Das Rechtsschutzbedürfnis sei hier nicht dadurch entfallen, dass die vorhergehende Amtszeit der Beteiligten zu 2. als Personalratsmitglied während des gerichtlichen Verfahrens geendet habe.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Dienststelle für ein Gerichtsverfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Personalrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Personalratsmitglieds entfalle nicht dadurch, dass dessen Amtszeit während des gerichtlichen Verfahrens geendet habe, sofern sich ohne Unterbrechung eine neue Amtszeit anschließe.
Im konkreten Fall seien die Voraussetzungen für die Ersetzung der Zustimmung des Personalrats in verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht erfüllt.
So seien die dem Antragsteller bei einem Zustimmungsantrag zu einer außerordentlichen Kündigung obliegenden Mitteilungspflichten erfüllt. Der Personalrat sei über die beabsichtigte Kündigung umfassend zu unterrichten. Ihm seien die Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers, die Kündigungsart und die Kündigungsgründe mitzuteilen. Der Antrag genüge diesen Anforderungen.
Außerdem stehe es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers beim Integrationsamt vor, während oder erst nach der Personalratsbeteiligung zu stellen.
Der Arbeitgeber und Antragsteller habe hier auch die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung rechtzeitig beim Personalrat beantragt. Die für die Stellung eines solchen Antrags maßgebliche Zwei-Wochen-Frist ergebe sich aus § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Die Frist beginne nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlange. Dies sei der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen habe, die ihm die Entscheidung darüber ermögliche, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen solle oder nicht.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung löse jede weitere Pflichtwidrigkeit einen neuen Fristbeginn aus.
Zudem sei die Frist für die Stellung des Antrags beim Verwaltungsgericht auf Ersetzung der Zustimmung eingehalten. Für diesen Antrag gelte ebenfalls die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.
In materiell-rechtlicher Hinsicht sei festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung des Personalratsmitglieds hier gerechtfertigt sei.
Es liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Die Beteiligte zu 2. habe in besonders schwerer Weise nicht nur gegen ihre Amtspflichten als Personalratsmitglied, sondern auch gegen ihre arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verstoßen.
Denn die Beteiligte zu 2. habe gegenüber Bewerbern um eine Stelle beim Antragsteller zum Ausdruck gebracht, dass ein Erfolg der Bewerbung bzw. zumindest eine größere Erfolgschance zwingend mit einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Z. verknüpft sei. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht und einen wichtigen Kündigungsgrund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar.
Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, die für alle Arbeitnehmer gelten, zähle auch die Loyalitätspflicht, den Arbeitgeber und dessen Ansehen nicht zu schädigen und sich achtungs-und vertrauenswürdig zu verhalten. Eine Gewerkschaftszugehörigkeit stelle kein sachliches Kriterium für die Auswahl von Beschäftigten in einem Universitätsklinikum dar, unabhängig davon, um welchen konkreten Arbeitsplatz es gehe.
Dem Antragsteller sei darüber hinaus die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar. Eine bloße Abmahnung oder eine außerordentliche Kündigung mit einer "sozialen Auslauffrist" schieden hier als mildere Mittel aus.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 2. hätten daher im Ergebnis keinen Erfolg.
Praktische Bedeutung
Mit der vorliegenden Entscheidung hat das OVG Nordrhein-Westfalen die Voraussetzungen einer Kündigung eines langjährigen Personalratsmitglieds geklärt und deutlich gemacht, dass zum Ansehen eines öffentlichen Arbeitgebers auch der Ruf gehört, Stellenbewerber nach sachlichen Kriterien für die jeweils zu verrichtenden Tätigkeiten auszuwählen.
Nach Auffassung des OVG hat ein Klinikum als Anstalt des öffentlichen Rechts ein rechtlich schutzwürdiges Interesse daran, Stellenbewerber diskriminierungsfrei auszuwählen und auch nach außen dem Eindruck einer möglichen Ämterpatronage in Form einer ungerechtfertigten Bevorzugung von Bewerbern auf der Grundlage einer Gewerkschaftszugehörigkeit entgegenzutreten, um jeglichen Vertrauensverlust der Bürger in den öffentlichen Dienst schon im Ansatz zu vermeiden.