von Benjamin Litty, Kommunaler Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz
Grundsatz
Der gesetzliche Mindesturlaub muss nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG grundsätzlich in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden; andernfalls erlischt er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG. Auch § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD enthalten solche Verfallsregelungen und verweisen im Übrigen auf die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes.
Damit der Urlaub tatsächlich verfällt fordert die Rechtsprechung zusätzlich über den Gesetzeswortlaut hinaus, in unionskonformer Auslegung des § 7 BUrlG nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten auffordern, ihren Urlaub zu nehmen, und ihnen klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn sie ihn nicht beantragen, (sog. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers).
Die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten
- für den gesetzlichen Mindesturlaub,
- für den tariflichen Mehrurlaub,
- für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte.
Inhalt der Mitwirkungsobliegenheit
Die Mitwirkungsobliegenheit umfasst folgenden Inhalt:
- Der Arbeitgeber muss konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.
- Der Arbeitgeber ist in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanter Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt.
- Der Arbeitgeber muss sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen. Er kann seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig zum Beispiel dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Jahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt.
- Die Anforderungen an eine „klare“ Unterrichtung sind regelmäßig durch den Hinweis erfüllt, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt.
Nicht ausreichend sind abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung.
Praxistipp:
Der Arbeitgeber kann das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Beschäftigte in einem solchen Fall den (kumulierten) Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums.
Entbehrlichkeit der Mitwirkungsobliegenheit
- Sind Beschäftigte langzeiterkrankt, d.h. bspw. das ganze Urlaubsjahr erkrankt, bedarf es zur Herbeiführung des Verfalls von Urlaubsansprüchen für Urlaubsjahre und Übertragungszeiträume, die vollständig mit Arbeitsunfähigkeit belegt sind, keiner Aufforderung durch den Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen. Der Verfall des Urlaubsanspruchs beruht in Fällen von Langzeiterkrankungen allein auf der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten während des Urlaubsjahres sowie des Übertragungszeitraums. Bei lediglich zeitweiser Erkrankung bleibt die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers bestehen.
- Hat der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers und ist diese auch nicht offenkundig, verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub für Schwerbehinderte auch dann mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer in diesem Fall nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung unterrichten, da ihm die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt war.